Brian de Palmas "Domino"

Die zerstörerische Kraft der Bilder

06:54 Minuten
Guy Pearce steht mit ernster Miene auf einem Hafengelände
Coole Pose - auch in Europa: Guy Pearce in Brian de Palmas Thriller "Domino". © Koch Media/Rolf Konow
Von Michael Kienzl · 26.08.2019
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Brian de Palma kennt man seit den 70ern als bildgewaltigen Stilisten. Seine Spezialität sind Filme mit doppeltem Boden. Mittlerweile dreht er mit niedrigen Budgets in Europa. Mit "Domino" ist ihm ein überzeugender Thriller gelungen.
Das spektakuläre Finale von "Domino" spielt in einer spanischen Stierkampfarena. Zwei Polizisten aus Kopenhagen versuchen hier, einen islamistischen Terroranschlag zu vereiteln. Inszeniert ist die Szene wie ein Ballett. Während die Bewegungen der Schauspieler durch den Einsatz von Zeitlupe weich und anmutig werden, dreht Komponist Pino Donaggio mit einem sich langsam steigernden Bolero-Rhythmus an der Spannungsschraube.

Ein Stilist aus "New Hollywood"

Mit visuell ausschweifenden Momenten wie diesem hat sich der amerikanische Regisseur Brian De Palma besonders in den 1970er- und 80er-Jahren einen Ruf als großer Stilist, Melodramatiker und Hitchcock-Erbe erarbeitet. Oft handelte es sich dabei um Horrorfilme und Thriller wie "Carrie" und "Dressed to Kill", später auch um größere Projekte wie den ersten Teil der "Mission: Impossible"-Reihe.
Doch einige Flops sorgten dafür, dass er seine Filme nicht mehr in Hollywood realisieren konnte. "Domino" ist nun – nach dem in Berlin gedrehten "Passion" - bereits die zweite, rein europäische Produktion De Palmas.
Die Story verbindet verschiedene Rachegeschichten miteinander: Es geht um zwei Ermittler, die den Mörder ihres Kollegen von Dänemark bis nach Spanien verfolgen. Dieser wiederum jagt einen IS-Terroristen, der seinen Vater auf dem Gewissen hat – und wird dabei von einem CIA-Agenten benutzt, der wiederum seinen Partner rächen will. Nicht aus politischen, sondern aus persönlichen Motiven entwickelt sich ein Strudel der Vergeltung, in dem Erlösung ausgeschlossen ist.

Eine Bereicherung fürs Genrekino

Mit seinen geschätzten sechs Millionen Dollar Budget ist "Domino" gewissermaßen ein Low-Budget-Film. Teilweise sieht man ihm das auch an, etwa weil viele Szenen in Autos oder Innenräumen spielen und die Ästhetik dabei näher am Fernsehen als am Kino ist. Und durch die komplizierte Produktionsgeschichte wirkt der Film mit seiner IS-Story auch, als würde er ein paar Jahre hinterherhinken.
Von weiten Teilen der Kritik wurde der Film dementsprechend verrissen. Aber auch wenn manches ein wenig abenteuerlich konstruiert oder dick aufgetragen wirkt, zeigt De Palma doch auf beeindruckende Weise, wie er selbst unter schwierigsten Bedingungen noch eine Bereicherung für das aktuelle Genrekino darstellt.

Mehr als Hollywood auf Sparflamme

Dabei versucht "Domino" nicht einfach die Sparversion eines Hollywood-Stoffes umzusetzen. Mit einem Augenzwinkern spielt er vielmehr offensiv damit, dass hier ein renommierter US-Regisseur plötzlich in Europa dreht.
Ein Running Gag des Films ist etwa die Abwesenheit von Schusswaffen. Gleich am Anfang vergisst der Protagonist seine Dienstwaffe zu Hause, was schließlich zum Tod seines Partners führt. Und als er dem Mörder mit seiner neuen Kollegin nach Spanien folgen will, müssen die beiden bei der Sicherheitskontrolle ihre Waffen zurücklassen.

Opernhafte Bildexzesse

Obwohl De Palmas größte Stärke auch hier wieder jene opernhaften Bildexzesse sind, für die er bekannt ist, schwelgt der Film nicht nur in seinen Bildern, sondern offenbart auch ihre zerstörerische Kraft. So verwendet eine Terroristin etwa ein Maschinengewehr mit montierter Kamera, die sowohl die Reaktion der Täterin als auch die der Opfer aufzeichnen. Später landet die Aufnahme dann als Propagandavideo bei Youtube.
Ein CIA-Agent benutzt dagegen Überwachungsbilder auf einem Laptop, um einen Gefangenen zu brechen. Der Terror und auch der Kampf gegen ihn werden in "Domino" zu einem Kräftemessen darüber, wer die bedrohlicheren Bilder produziert.
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