Brexit und die Folgen

Wie kann die EU bürgernäher werden?

Zuschauer warten in Brüssel vor einer Videoleinwand, die Bilder aus dem Europäischen Parlament überträgt, auf die Ergebnisse der Europa-Wahl 2014.
Warten auf die Ergebnisse der Europa-Wahl 2014: Zuschauer vor einer Videoleinwand, die Bilder aus dem Europäischen Parlament überträgt © picture alliance / dpa / Olivier Hoslet
Gäste: EU-Parlamentarier Jo Leinen und "TAZ"-Korrespondentin Bettina Gaus · 02.07.2016
Nicht nur viele Briten sind unzufrieden mit der EU. Auch in anderen Ländern gilt sie als elitär, intransparent und bürgerfern. Wie sich das ändern kann, und welche Chancen die Krise bietet, diskutieren Gisela Steinhauer und ihre Gäste.
Das "Ja" der Briten zum Austritt aus der Europäischen Union hält die EU in Atem. Das Ausstiegsprozedere und die Folgen für die verbliebenen 27 EU-Länder sind nicht abzusehen. Ein Grund für den Brexit ist die Unzufriedenheit der Briten mit der EU. Nicht nur sie fremdeln mit Brüssel. Auch in anderen Ländern empfinden die Bürger die EU als elitär, intransparent und bürgerfern; viele Menschen fühlen sich fremdbestimmt - bester Nährboden für Rechtspopulisten.

"Diskutieren, welches Europa wir wollen"

"Der Brexit-Beschluss sagt mir, dass das Eis sehr dünn ist, dass man immer weiter für die EU kämpfen muss", sagt der SPD-Politiker Jo Leinen. Er sitzt seit 1999 im EU-Parlament. "Die Herzen und nicht nur die Köpfe der Menschen müssen wieder für die Idee eines vereinten Europas zurückgewonnen werden."
Ausschließlich die EU für die Probleme verantwortlich zu machen, sei jedoch falsch – auch die nationalen Regierungen seien mit verantwortlich: "Als ob man in Brüssel Gesetze erfinden würde! Alle Länder stimmen dem zu, nur zu Hause wird es dann anders dargestellt und anders verkauft."
Der Brexit biete die Gelegenheit, Tacheles zu reden: "Jetzt ist die Chance, mal richtig zu diskutieren, welches Europa wir wollen." Dazu gehörten auch Themen wie eine stärkere Bürgerbeteiligung und eine größere Transparenz der EU-Entscheidungen.

"Noch nie hatte die EU eine solche Strahlkraft wie heute"

"Es müssen ja nicht gleich die Herzen gewonnen werden", sagt die Journalistin Bettina Gaus. Sie ist politische Korrespondentin der "TAZ". Es reiche schon, wenn die Bürger nicht gleich abwinken, wenn es um die EU gehe. Bei der Brexit-Debatte sei gelogen worden, "dass sich die Balken biegen." Die ganze Aufregung habe auch eine gute Seite: "Noch nie hatte die EU eine solche Strahlkraft wie heute." Es lohne sich, über die Zukunft der EU zu diskutieren – und zu streiten: "Freizügigkeit und Frieden sind unschätzbar hohe Güter, übrigens für alle Menschen. Unabhängig vom Bildungsgrad oder vom individuellen Wohlstand. Schon wahr: Die Mitgliedschaft in einem transnationalen Bündnis wie der EU ist dafür keine zwingende Voraussetzung. Aber sie hilft. Vor allem in schwierigen Zeiten, in denen Kompromisse mühsam zu finden sind. Wenn ein Stein herausbricht, bröckelt eine Mauer."
Wie kann die EU bürgernäher werden? Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9:05 Uhr bis 11 Uhr mit Bettina Gaus und Jo Leinen. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de – sowie auf Facebook und Twitter.
Informationen im Internet:
Über Jo Leinen: http://www.joleinen.de/
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