Bremen vor der Bürgerschaftswahl

Griechenland an der Weser?

Bremer Rathaus mit Marktplatz und Bürgerhäusern
In Bremen wird am 10. Mai gewählt © picture alliance / dpa / Klaus Nowottnick
Von Franziska Rattei · 27.04.2015
Arbeitslosigkeit, Schulden und innere Sicherheit: Das sind die Themen, die die Bremer Bürger derzeit quälen und die am 10. Mai bei der Bürgerschaftswahl entscheidend sein werden. Viele Bürger erhoffen sich Veränderungen ihrer wirtschaftlichen Situation.
"Privatschulen sollen vom Land stärker unterstützt werden – nein. Die werden unterstützt, aber nicht stärker. Kernbrennstoffe sollen über Bremische Häfen umgeschlagen werden – stimme nicht zu. Mehr Menschen mit Migrationshintergrund sollten bei der Polizei eingestellt werden – stimme zu."
Karoline Linnert, Bremens Finanzsenatorin, testet den Wahl-o-mat: eine Online-Hilfe der Bundeszentrale für politische Bildung. Sie soll Zweiflern die Wahl-Entscheidung erleichtern. Soll die Weser für die Container-Schifffahrt vertieft werden? Sollen abgelehnte Asylbewerber konsequent abgeschoben werden? Sollen mit überschüssigen Steuer-Einnahmen vorrangig Schulden getilgt werden? Die Spitzenkandidatin der Bündnis-Grünen antwortet zügig. Am Ende stimmt sie zu knapp 98 Prozent mit den Zielen ihrer eigenen Partei überein.
Bei der letzten Bürgerschaftswahl 2011 waren die Grünen äußerst erfolgreich. Mit 22,5 Prozent der Wählerstimmen wurden sie zweitstärkte Kraft. Das wird sich bei der Wahl am 10. Mai voraussichtlich ändern, sagt der Politikwissenschaftler Lothar Probst. Er arbeitet bei der Uni Bremen im Bereich Wahl-, Parteien- und Partizipationsforschung.
"Bremen steht unter einem starken Spardruck. Wir haben eine grüne Finanzsenatorin, die das mit verantworten muss. Auch die Verkehrspolitik, die von den Grünen mit verantwortet wird, polarisiert die Stadt sehr stark. Und letztes Mal hatten die Grünen ein außergewöhnlich gutes Ergebnis durch den Fukushima-Effekt – das war im Wahljahr 2011. All das trägt natürlich dazu bei, dass man ein so außergewöhnliches Wahlergebnis jetzt wie die 22,5 Prozent nicht unbedingt halten kann. Sondern da muss man schon Verlust einkalkulieren."
Viele Bremer halten Wahlen für überflüssig
Die SPD dagegen wird voraussichtlich- wie immer seit 1946 – den Bürgermeister stellen. Vielleicht ist diese Vorhersehbarkeit ein Grund dafür, dass viele Bremer Wählen für überflüssig halten – 2011 lag die Wahlbeteiligung bei 55,5 Prozent. "Fatal“ meint Björn Tschöpe, Fraktionsvorsitzender der SPD in der Bremer Bürgerschaft. Der Listen-Fünfte vertritt heute den Spitzenkandidaten Jens Böhrnsen. Natürlich hält auch der mehr Wahlbeteiligung für wichtig, aber Tschöpe machte im vergangenen Herbst einen konkreten Vorschlag: er wollte in Einkaufszentren wählen lassen und den Zeit-Korridor fürs Wählen verlängern.
"Daraus ist deshalb nichts geworden, weil unser Koalitionspartner das nicht gewollt hat. Und dann haben Sie keine parlamentarischen Mehrheiten. Ich find das schade. Ich glaube, wir hätten das ausprobieren sollen. Alle wissenschaftlichen Studien, die es dazu gibt, sagen: man muss alle Möglichkeiten ergreifen, die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Wenn man gewollt hätte, hätte man drei-vier Piloten in Bremen fahren können. Ich bin ein bisschen traurig, dass die Grünen sich nicht haben überzeugen lassen."
Nun muss es also der Wahl-o-mat richten. Oder die Website "abgeordnetenwatch.de" – ein Portal für direkte Kommunikation zwischen Politik und Wahlvolk. Wer eine Frage hat, zum Beispiel an Christian Weber, den sozialdemokratischen Bürgerschaftspräsidenten, kann sie dort stellen. Der hat übrigens noch mehr Ideen für eine höhere Wahlbeteiligung: Wahlpflicht etwa.
"Es wird nicht kommen. Keine Sorge. Es wird keine Wahlpflicht kommen. Aber ich habe große Sorge, dass die Menschen – weil sie viele andere Dinge heute haben – sagen: das ist für mich nicht mehr wichtig. Dass wir damit unsere parlamentarische Demokratie beschädigen und sie in Gefahr bringen. "
Wahlunterlagen mit farbigen Parteienlogos
Vor vier Jahren hat Bremen als erstes Bundesland das aktive Wahlrecht ab 16 Jahren eingeführt. In diesem Jahr gibt es wieder eine Neuerung: die Wahlunterlagen erscheinen erstmals mit farbigen Parteienlogos und in Leichter Sprache. Kurze, klare, einfache Sätze statt Bürokraten-Deutsch; damit auch die Menschen wählen können, die Probleme haben, Texte zu lesen und zu verstehen. – In Deutschland betrifft das rund 40 Prozent der Menschen zwischen 18 und 64. Für sie sind – in Anführungsstrichen – „normale“ Wahlunterlagen zu kompliziert.
Kinder verschiedener Nationalitäten nutzen den Spielplatz am Kinder- und Familienzentrum zwischen den Hochhäusern des Stadtteils Tenever am östlichen Stadtrand von Bremen.
Kinder verschiedener Nationalitäten nutzen den Spielplatz am Kinder- und Familienzentrum zwischen den Hochhäusern des Stadtteils Tenever.© picture alliance / dpa
Jörn Hermening hofft, dass diese Neuerung helfen wird. Als sogenannter „Quartiersmanager“ arbeitet er in Bremen-Tenever, einem Stadtteil, in dem 2011 38,2 Prozent zur Wahl gegangen sind – typisch für eine hohe Arbeitslosen- und Armutsquote. Aber diese Gründe will er nicht gelten lassen; ausgerechnet hier.
"Wir sind ja echt klein. Also, ich hab das auch erlebt, dass Jugendliche an den Bürgermeister eine Email schreiben, und da gibt es eine Antwort. Hatte ich vor ein paar Wochen erst: Das Licht auf dem Abenteuer-Spielplatz ist kaputt. Schon ganz lange. Da müssen Sie sich mal drum kümmern. Da gab es eine Antwort von der Senatskanzlei. Das kann man machen. Das ist der Vorteil von Bremen."
Die Probleme des Stadtteils Tenever
Desinteresse sei nicht das Problem, meint Katharina Mees, die in Tenever lebt. Sie habe schon den Eindruck, dass die Politiker den Stadtteil bemerkten. – In diesem Moment wartet sie auf Besuch von Bürgermeister Jens Böhrnsen und Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles. Das Problem sei vielmehr, dass Versprechen nicht eingehalten würden. So jedenfalls erzählen es ihr ihre nicht wählenden Nachbarn.
"Oft haben sie das versprochen, aber machen das überhaupt nicht oder etwas anderes. Deswegen, ich denke, viele gehen nicht zur Wahl."
Wahlkampf-Besuch in einem Vorzeige-Projekt. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, SPD, begleitet Bürgermeister Jens Böhrnsen in einen Second-Hand-Laden in Bremen-Tenever. Die beiden begrüßen Katharina Mees und ein paar andere Frauen zwischen Kleiderständern und vor Nähmaschinen. Die Herzlichkeit der Mitarbeiterinnen steckt an, Nahles und Böhrnsen lächeln. Aber die Frauen haben ein ernstes Anliegen. In Bremen-Tenever ist „Arbeit“ Thema Nummer eins.
Margaret Schmidt zum Beispiel ist gelernte Schneiderin. Im Second-Hand-Laden ändert sie preiswerte Kleidung für kleines Geld. Sie liebt diese Arbeit, die sie seit mehr als 10 Jahren macht. Der sogenannte „zweite Arbeitsmarkt“ ist zwar schlecht bezahlt, aber immerhin etwas. Seit Ende 2014 allerdings kommt sie ehrenamtlich her, weil auch der letzte Einjahresvertrag inzwischen ausgelaufen ist.
"Jetzt mache ich Putzen, Krankheitsvertretungen. Obwohl mein Beruf – ich würde weiter hier arbeiten. Gerne hier weiter Menschen helfen, hier im Stadtteil."
Dauerhafte Arbeitsverhältnisse gewünscht
Es ist absurd, meint Jörn Hermening, der Quartiersmanager. Zwei Jahre lang dürfen die Menschen eine öffentlich geförderte Beschäftigungsmaßnahme in Anspruch nehmen. Wenn sie Glück haben, gibt es irgendein Anschlussprojekt. Dann vielleicht noch eins, aber dann ist Schluss.
"Da fallen viele Menschen wirklich in so ein Loch. Dann arbeiten die ehrenamtlich weiter. Man sieht ja, was da für ein Herzblut da drin steckt. Das ist wirklich traurig. Meinetwegen müsste das auch keine geförderte Beschäftigung sein. Wäre doch super, wenn wir die vernünftig hier anstellen könnten."
So Jörn Hermening.
"Wir wünschen uns dauerhafte Arbeitsverhältnisse, die finanziert werden mit existenz-sichernden Löhnen."
- sagt Sarah Lott, Personal-Entwicklerin im Mütter-Zentrum Tenever, zu dem auch der Second-Laden gehört. Bis auf wenige Ausnahmen schaffen die Frauen, die hier arbeiten, es einfach nicht in den regulären, ersten Arbeitsmarkt. Die Konsequenz: sie halten sich mit befristeten Beschäftigungsverhältnissen über Wasser, mit geförderten sogenannten „Maßnahmen“, mit Ein-Euro-Jobs – mit viel Engagement aber oft unterhalb der Armutsgrenze. Und auf dem „normalen“, dem ersten Arbeitsmarkt, haben die meisten von ihnen keine Chance, sagt die Personalentwicklerin Lott:.
"Für diese Zielgruppe – und das muss Politik einfach mal klar werden - brauchen wir einen dauerhaften Arbeitsmarkt, der auch so wichtig ist; gerade in diesen Quartieren. Die Frauen machen ja ganz wichtige, sinnvolle, sinnstiftende Arbeit. "
Sozialer Zusammenhalt zeigt sich in Taten
Jens Böhrnsen, Spitzenkandidat der Bremer SPD, weiß das. Er ist stolz auf die Entwicklung in Tenever, darauf, dass es hier seit 25 Jahren eine „Mini-Demokratie“ gibt: die Bewohner stimmen jährlich über mehr als 250.000 Euro Fördergeld ab und entscheiden mit, wo ihr Stadtteil verbessert werden soll.
"Sozialer Zusammenhalt – das ist ein wichtiges Wort. Aber das muss sich auch in Taten zeigen. Und das kann man kaum besser zeigen als gerade hier."
Er wisse, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht so schön seien. Aber, so Böhrnsen: :
"Wir sind in Bremen entschlossen, die soziale Arbeit und vor allem auch die regionalen Netze, die wir in den Stadtteilen haben, auch zu schützen und fortzuführen. Ich kann versprechen, dass wir das, was wir hier vor Ort sehen, dass das auch Bestand haben wird, weil ich weiß, wie wichtig das ist. Wir haben es ja bei unserem Rundgang gehört."
Der Besuch von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles
Mit "wir" meint Böhrnsen sich und die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles. Die allerdings bleibt auch ziemlich nüchtern in Sachen Wahlversprechen der SPD.
"Wir haben jetzt zwei Programme, die längerfristig ausgelegt sind. Also wir versuchen jetzt wirklich an der Stelle – in so einer günstigen wirtschaftlichen Lage wie jetzt – doch auch nochmal neue Perspektiven für Leute zu schaffen, die eben in den letzten Jahren keinen Job gefunden haben. Das können wir versprechen. Was wir nicht machen können, ist, dass wir Dauerbeschäftigungsverhältnisse hier versprechen, die dann nicht finanziert sind. Weil einfach die Voraussetzungen von der Europäischen Ebene und auch vom Bundesrechnungshof begrenzt sind."
Lange Gesichter bei den Frauen im Second-Hand-Laden. Sie über-lächeln ihre Enttäuschung und Unsicherheit. Vielleicht wissen sie auch, dass Jens Böhrnsen wenig versprechen kann als Regierungschef eines Haushaltsnotlage-Landes.
Allerdings: Den Wahlkampf-Slogan der SPD verstehen sie schon. "Miteinander“ steht da auf den Plakaten, die überall in Bremen hängen. "Herzig", nennt Kristina Vogt, Spitzenkandidatin der Bremer Linken, dieses Wort. Sie ist gerade dabei, die Wahlzeitung ihrer Partei in Briefkästen zu stecken.
"Da hab ich auch sehr gelacht. Weil Bremen ist das Bundesland mit der höchsten sozialen Spaltung. Wir haben die zweithöchste Millionärsdichte und die höchste Armutsquote. Wir haben Ortsteile, da ist das Durchschnittseinkommen, das jährliche, 15.000 bis 17.000 Euro. Wir haben Ortsteile, da ist es bei 120.000 Euro. Und in den Stadtteilen mit 15.000 Euro machen auch nur 15 Prozent aller Schüler Abitur. Und in den reichen Stadtteilen 85. Also, was da „miteinander“ sein soll, das soll mir die SPD doch mal bitte erklären."
Die Linke: "Bremen wird kaputt gespart"
Die rot-grüne Regierung spart Bremen kaputt, sagt die Linke-Spitzenkandidatin. Es gebe zu wenig Feuerwehr, zu wenig Polizei, zu wenig Pflegepersonal, zu wenig KiTa-Personal, zu wenige Lehrkräfte. Und anstatt sich für einen höheren Länderfinanzgleich stark zu machen, halte man sich brav an die Schuldenbremse.
Investitionen in die Zukunft seien nun mal nur sehr begrenzt möglich, wenn man künftigen Generationen nicht mehr Kreditlast als unbedingt nötig hinterlassen wolle, argumentiert die grüne Finanzsenatorin Karoline Linnert. Katja Kipping, extra für den Wahlkampf angereist, sieht das anders. 20 Milliarden Euro Schulden sind kein Grund, die im Bundesdurchschnitt ärmste Bevölkerung im Stich zu lassen, meint die Linke-Bundesvorsitzende.
"Fakt ist, dass die SPD auch in Bremen mit dazu beigetragen hat, die öffentlichen Kassen zu entleeren. Und wenn nicht genug Geld in den öffentlichen Kassen ist, kann man eben nicht genug investieren; in Schulen, in KiTas und für die Schaffung sozialer Gerechtigkeit. Also die SPD hat die Schuldenbremse mitgetragen. Die SPD, auch im Bund, sorgt gerade dafür, dass ein Umverteilungsthema nach dem anderen abgeräumt wird; also beerdigt wird. Und am Ende braucht man sich nicht wundern, wenn man Millionäre und Konzerne nicht stärker zur Kasse bittet – dann hat die öffentliche Hand nicht Geld für wichtige Aufgaben wie Schulen und KiTas."
Bei der letzten Bürgerschaftswahl 2011 hat die Linke 5,6 Prozent der Wählerstimmen erhalten. Dieses Mal – sagt das Meinungsforschungsinstitut infratest dimap voraus- werden es mindestens 6 Prozent. Ein Grund dafür – sagt Lothar Probst, Politikwissenschaftler an der Uni Bremen – ist die linke Spitzenkandidatin Kristina Vogt. Sie habe partei-interne Konflikte beigelegt und werde als ernsthafte und konstruktive Oppositionspolitikerin wahrgenommen. Der Politikwissenschaftler Lothar Probst:
"Frau Vogt hat nicht den Fehler begangen, reine Fundamental-Opposition in der Bürgerschaft zu betreiben. Sondern sie hat - zum Teil sogar mit der CDU zusammen, was ja sehr ungewöhnlich ist für die Linke - gemeinsam Opposition gegen die rot-grüne Regierung praktiziert. Und zum anderen hat sie dafür gesorgt, dass die Linke dort, wo es Übereinstimmungen mit der rot-grünen Koalition gab, gemeinsam Gesetzesentwürfe verabschiedet hat."
Bessere Prognosen für die CDU
Nicht nur die Linke könnte gewinnen; auch der CDU sagen Probst und die infratest-Umfrage ein besseres Ergebnis als noch 2011 voraus. Statt 20,4 Prozent könnte sie rund 23 Prozent erreichen. Damit wäre sie zweitstärkste Kraft und könnte – rein rechnerisch – eine große Koalition mit der SPD eingehen. Elisabeth Motschmann, die CDU-Spitzenkandidatin, hätte nichts dagegen. Sie hat Jens Böhrnsen sogar ein gemeinsames TV-Duell angeboten. Aber der hat abgelehnt. Schließlich gebe es einen rot-grünen Koalitionsbeschluss, und überhaupt: Der zentrale Ort der politischen Auseinandersetzung sei die Bremische Bürgerschaft. Nur: da treffe er Frau Motschmann leider nicht, weil sie nun mal Bundestagsabgeordnete in Berlin sei. – Das ist der wunde Punkt der Spitzenkandidatin, wobei sie immer wieder erklärt:
"Mein Ziel ist der Senat. Und wenn wir in die Opposition gehen, dann habe ich angeboten, für ein herausgehobenes Amt in der Fraktion zur Verfügung zu stehen. Alles Weitere wird nach der Wahl mit der Partei und den Gremien besprochen."
Elisabeth Motschmann unterscheidet sich deutlich von SPD-Spitzenkandidat Böhrnsen. Sie: fröhlich, mütterlich, offen. Er: hanseatisch zurückhaltend, ruhig, überlegt. Im Großen und Ganzen gefällt das den Bremern, sagt der Politik-Wissenschaftler Lothar Probst.
"Es hat sich in der Stadt doch so ein Gefühl entwickelt, dass man eher hanseatische Tugenden – wie es so schön heißt – schätzt. Dazu gehört eine gewisse Ruhe und Besonnenheit. Solidität. Er agiert eher hinter der Kulisse, versucht da, Konsense zu stiften, integriert eher – sowohl in seiner eigenen Partei als auch mit dem Koalitionspartner. Also ich glaube, diese Art, die er repräsentiert, kommt bei den WählerInnen gut an. Und das ist sicher auch ein Garant für ein gutes Wahlergebnis für die SPD."
Das 100-Tage-Programm der CDU-Spitzenkandidatin
Die CDU-Spitzenkandidatin Elisabeth Motschmann arbeitet gern mit Parolen, etwa ihrem 100-Tage-Programm, das sie gleich nach der Wahl angehen will. 100 neue Polizeibeamte, 100 Grundstücke für Einfamilienhäuser und 100 neue Lehrkräfte. Man könne ein 37 Millionen Euro schweres Bußgeld eines Bremer Rüstungskonzerns dafür verwenden. Ob das zu kurz gesprungen ist? – Zumindest spricht sie Themen an, die die Bremer bewegen: Bildung, Sicherheit und Wohnraum. Falls sie damit Erfolg hat, könnte die Bremer Wahl durchaus Beispiel-Charakter haben, meint ihr Partei-Freund, Thomas de Maizière, Bundesinnenminister bei einem Vor-Wahl-Besuch.
"Jetzt könnte man sagen: Bremen – ist doch egal, wenn bei einer Stadt von 550.000 und 108.000 Bremerhavenern – wie da das Wahlergebnis ausgeht. Wir hatten schlechte Wahlergebnisse in den Großstädten. In Hamburg hatte die CDU eine schlechte Ausgangslage und ist noch schlechter geworden. Und jetzt gucken schon die CDU-Anhänger und Unionsanhänger aus Deutschland darauf: was wird da jetzt? Und besteht nicht die Chance, den Trend, in Großstädten schlecht abzuschneiden, zu drehen?"
Elisabeth Motschmann bemühe sich redlich, sagt der Politikwissenschaftler Lothar Probst, trotzdem sagt er voraus: die CDU bleibt in Bremen in der Opposition.
"Die Voraussetzungen sind gut, dass die CDU wieder etwas zulegt und wieder zweitstärkste Partei wird. Aber das reicht natürlich nicht für eine Große Koalition. SPD und Grüne haben im Vorfeld schon ganz klar erklärt, dass sie weiter miteinander koalieren werden. Daran wird sich nichts ändern."
Innere Sicherheit ist ein großes Thema in Bremen
Spätestens seit dem Terror-Hinweis Ende Februar ist auch die innere Sicherheit ein großes Thema in Bremen. Das kleine Bundesland gilt als Hochburg radikaler Islamisten. Außerdem ist die Zahl der Wohnungseinbrüche wieder angestiegen, und seitdem mehr Flüchtlinge nach Bremen kommen, gibt es auch mehr Delikte in diesem Umfeld. Da müsse man härter durchgreifen, meint Motschmann.
Ihr Parteifreund, Bundesinnenminister de Maizière, erklärte übrigens nur wenige Stunden vor seinem Wahlkampf-Auftritt, dass man künftig strenger mit abgelehnten Asylbewerbern umgehen müsse. Das hätte er auch aus dem Wahlprogramm der AfD, der „Alternative für Deutschland“ abschreiben können, meint der Bremer Spitzenkandidat Christian Schäfer.
"Das heißt: wenn wir denn Asylverfahren abschließen und es kommt im Einzelfall dazu, dass die nicht anerkannt werden – das ist ja immerhin bei gut 70 Prozent – dann muss die Konsequenz aus der Nicht-Anerkennung auch sein, dass die Leute nach Hause geschickt werden. Also im Prinzip genau das, was de Maizière heute gefordert hat, nachdem wir ihm da den Ball auf die Linie gelegt hatten."
Meinungsforscher sagen fünf Prozent für die AfD voraus
Schäfer findet: die Deutschen hätten längst erkannt, dass die AfD eine seriöse Partei sei. In vier Länderparlamenten sei sie ja schließlich schon vertreten. Und auch für Bremen stehen die Chancen gut. Das Meinungsforschungsinstitut infratest dimap sagt der „Alternative für Deutschland“ fünf Prozent der Wählerstimmen voraus, also einen Einzug in die Bremer Bürgerschaft. Schäfer würde sich freuen, aber die Partei setze so oder so Themen – sagt auch Hans Olaf Henkel, der für den Wahlkampf-Auftakt vorbeigekommen ist. Er vertritt die AfD im Europäischen Parlament.
"Wir hatten in unserem Europa-Programm bereits das kanadische Modell empfohlen. Interessanterweise gibt es jetzt auch bei der CDU und bei der SPD die ersten Stimmen, die sagen: das müssen wir uns mal angucken. Man sieht übrigens an diesem Beispiel, dass die AfD – obwohl sie nirgendwo regiert – schon wirkt."
Zumindest das hat die AfD mit den Freien Demokraten gemeinsam: weder die eine noch die andere Partei ist an einer Landesregierung beteiligt. Aber sowohl AfD als auch FDP haben bei der Hamburger Bürgerschaftswahl die Fünf-Prozent-Hürde geknackt.
Katja Suding, Fraktionsvorsitzende der FDP in der Hamburger Bürgerschaft, beim Bremer Wahlkampf-Auftakt:
"Es ist nämlich wichtig für die politische Kultur, wichtig für Alternativen, die wir aufzeigen können. Und deshalb kämpfen wir Seite an Seite alle gemeinsam mit Euch Bremer Partei-Freunden. Und wir werden das schaffen am 10. Mai."
Die Bremer FDP will es mit einer Unternehmerin schaffen
Die Bremer FDP will es mit Lencke Steiner schaffen; einer 29 Jahre jungen Spitzenkandidatin ohne Parteibuch. Unternehmerin und – schon vor dem Wahlkampf – im Privatfernsehen aufgetreten.
Bereits mit 24 Jahren wird die Senkrecht-Starterin Geschäftsführerin im Familien-Unternehmen W-Pack. Lencke Steiner:
"Viele der erfolgreichen Unternehmen haben mal klein in der Garage angefangen. Meine Aufgabe als Löwin ist es, diese Ideen zu finden und zu fördern.“
Eine durchschaubare Kampagne, meint der Bremer Politikwissenschaftler Lothar Probst.- In Bremen-Reality jedenfalls will Lencke Steiner sich für Bürokratie-Abbau in der Gründerszene einsetzen, für ein liberales Menschenbild und für fließenden Verkehr. Vielleicht spricht die FDP damit genug Wähler an, um wieder in die Bürgerschaft einzuziehen. Aber selbst wenn, meint Lothar Probst – überregionale Schlussfolgerungen lassen sich aus der Bremer Wahl kaum ziehen.
"Natürlich wird jede Partei versuchen, das für sich Beste herauszulesen. Wenn die CDU wieder ein bisschen nach oben geht, dann wird es von der CDU heißen: wir haben unsere Krise von Hamburg überwunden, in Bremen geht’s wieder aufwärts. Die SPD wird sagen: wir haben uns stabilisiert auf einem hohen Niveau. Die Grünen werden sagen: wir haben etwas verloren, weil wir letztes Mal bei Fukushima einen starken Schub hatten. Also das ist alles vorhersehbar, aber letzten Endes lassen sich aus dieser Wahl in Bremen keine bundespolitischen Trends ableiten. Die sagt uns relativ wenig über die weitere Entwicklung in der Bundespolitik. "
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