Breitbandausbau in Bremen

Glasfaser ist Glückssache

05:45 Minuten
Blaue Glasfaserkabel liegen auf einem Bürgersteig in Luxemburg-Stadt, Luxemburg.
Glasfaserkabel: Auf diesen Anblick warten Menschen in manchen Teilen von Bremen schon lange. © imago/Steinach
Von Felicitas Boeselager · 21.10.2019
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Nicht nur auf dem Land gibt es kein schnelles Internet, auch in urbanen Zentren stockt der Ausbau des Glasfasernetzes. Bremen ist eine dieser Städte, in der sich die Bewohner beim Googeln gedulden müssen. Die Gründe dafür klingen nach absurdem Theater.
"Der Ordner ist an sich unser Kampfordner von Timmersloh."
Ulricke Kleemeier blättert in einem dicken, gelben Ordner. Seit 2014 sammelt sie hier Zeitungsartikel, Umfragen, Protokolle und Karten rund um den Breitbandausbau im Bremer Stadtteil Timmersloh.
Das Internet bei Kleemeier ist so langsam, dass man dabei zusehen kann, wie sich Karten im Internet laden. Daran, hier Filme zu schauen, ist kaum zu denken. Im Sekundentakt friert der Bildschirm ein.
"Ich bin selbstständige Handelsvertreterin, ich muss mich oft in die Zentrale in meinem Werk einwählen, mir da Aufträge anschauen und runterladen und das ist sehr mühsam, weil das sehr, sehr lange dauert. Dieses Wort: ‚Das google ich mal eben schnell‘ - das kann man bei uns zwar auch, aber das ist dann eben langsam."

Fünf weiße Flecken

Timmersloh liegt am Rand von Bremen, inzwischen ist dieses Gebiet offiziell als sogenannter "weißer Fleck" anerkannt. Weiße Flecken werden Gebiete genannt, in denen das schnelle Internet noch nicht angekommen ist. In Bremen gibt es insgesamt fünf solcher Orte. Das habe vor allem einen Grund, erklärt Kai Stührenberg, Sprecher der Bremer Wirtschaftsbehörde:
"Das sind die Gebiete, wo eine relativ dünne Besiedlung ist und sich der Ausbau für die Telekommunikationsunternehmen betriebswirtschaftlich nicht wirklich rechnet. Und da wurde keine Priorität gesetzt und der Ausbau nicht wirklich vorangetrieben."
Damit es sich für die Telekommunikationsunternehmen doch lohnt solche Gebiete anzuschließen, fördert der Bund den Breitbandausbau. Beschlossen wurde das im Jahr 2015. Vier Jahre später ist Googeln für Kleemeier immer noch eine Geduldsprobe. Immerhin: inzwischen ist das Förderprogramm für Timmersloh beschlossen und es wurde auch schon ein Unternehmen mit dem Ausbau beauftragt. Kleemeier traut sich trotzdem kaum, den neuen Plänen Glauben zu schenken:
"Wir kriegen auch manchmal Termine besprochen, die nicht gehalten werden, wie zum Beispiel 2018 ist alles fertig und erschlossen, das hat man uns 2017 hier auf einer Sitzung im Beirat mitgeteilt. Und das ist leider nicht erfolgt, da hat man dann lieber die Frist verlängert."

Ein paar Meter weiter ist die Internetwelt in Ordnung

Jetzt soll das schnelle Internet spätestens 2021 funktionieren. Besonders frustrierend ist für Kleemeier, dass nur wenige Häuser weiter, in Niedersachsen, das Internet ohne Probleme läuft. Das kann auch Stephan von Rundstedt kaum verstehen. Er ist Geschäftsführer der Firma Bock Bio Science. Mithilfe von Robotik werden in dieser Firma Zier- und Nutzpflanzen produziert. Schnelles Internet ist für ihn in der Kommunikation mit seinen Kunden aus aller Welt entscheidend. Das gibt es aber nur auf der gegenüberliegenden Straßenseite:
"Natürlich bin ich ein Stück weit fassungslos darüber, dass wir offensichtlich in Deutschland aufgrund des Föderalismus und was da alles dazu gehört nicht in der Lage sind Wirtschaft in ihrem Tun so weit zu unterstützen, wie das eigentlich common sense sein müsste. Wie kann es sein, dass wir tatsächlich über die Straße 50 Megabit Leistung haben und hier kommt nichts an? Da wird man ein bisschen verrückt, da darf ich gar nicht drüber nachdenken, das bringt mich so ein bisschen um den Schlaf."

Keine länderübergreifende Zusammenarbeit

Stührenberg aus der Wirtschaftsbehörde will erklären, warum die Bremer nicht auch angeschlossen wurden, als das benachbarte Niedersachsen das schnelle Internet bekam. Man habe nicht so einfach länderübergreifend zusammenarbeiten können.
"Weil das getrennte Förderverfahren sind. Ich kann da nicht einfach übergreifen, wenn ein Förderverfahren in Niedersachsen läuft und das in Bremen machen. Das heißt auch nicht, dass die Niedersachsen hier schneller waren in diesem Förderverfahren, sondern es kann durchaus auch Eigenausbau sein der großen Telekommunikationsanbieter. Wenn einer der Anbieter sagt, ich bau' da jetzt aus, dann ist das so, dann ist der aber noch lange nicht in unserem Förderverfahren."
Am Ende ist also immer die Privatisierung der Telekommunikationsunternehmen das Problem. Bei allem Verständnis für komplexe Gemengelagen, will von Rundstedt die Politik aber nicht so einfach davonkommen lassen.

Die Verantwortung der Politik

"Also, ich denke schon, dass die Politik da durchaus eine Verantwortung trägt und die heißt, das man schlicht und ergreifend dafür sorgt, dass es umgesetzt wird. Das Geld ist da, und nun muss es auch passieren. Und die Umsetzung, wenn die zu erfolgen hat im Rahmen von Baugenehmigungen für Grabungen in Straßenbereichen und Ähnlichem, dann muss die Politik doch dafür sorgen, dass die Ämter dann entsprechend schnell reagieren und umsetzen. Das sind für mich ganz konkrete politische Hilfen."
Und solange bis das schnelle Internet kommt, müssen Kleemeier und von Rundstedt weiter geduldig und kreativ sein. Zum Beispiel ihren Laptop einpacken und ihre Dateien bei Freunden mit schnellem Internet hochladen. Eine Dauerlösung kann das aber nicht sein.
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