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Flüchtlingsregistrierung
Keine verlässlichen Angaben möglich

Eine Million Flüchtlinge sind in diesem Jahr bereits in Deutschland registriert worden - das gab die bayerische Sozialministerin Emilia Müller (CSU) jetzt bekannt. Die Zahl hat das Registrierungssystem "Easy" ausgegeben - doch wie verlässlich sind die Daten?

Von Charlotte Voß | 08.12.2015
    Ein Soldat nimmt einen Fingerabdruck eines Flüchtlings in Erding, Bayern.
    Ein Soldat nimmt einen Fingerabdruck eines Flüchtlings in Erding, Bayern. (dpa/picture alliance/Armin Weigel)
    Der Name des Registrierungs- und Verteilsystems Easy steht nicht etwa für das englische Wort für "einfach", sondern ist eine Abkürzung: für die "Erstverteilung von Asylbegehrenden". Es wurde mit dem Asylkompromiss 1993 während der Flüchtlingszulaufs aus den Balkan-Ländern eingeführt. Anfangs funktionierte das System abends und am Wochenende nicht - erst diesen Spätsommer wurden die Zeiten ausgeweitet.
    Fingerabdrücke werden nicht gespeichert
    In dem System werden alle Migranten bei ihrem Erstkontakt mit Behörden registriert. Dass es deswegen genaue Zahlen ausgibt, ist allerdings nicht gesagt: Die Verarbeitung der Daten eines Flüchtlings in Easy dauert circa 20 Minuten - das hatte in den vergangenen Monaten in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu langen Wartezeiten geführt. Einige Flüchtlinge sind deswegen ohne Registrierung weitergezogen. Gleichzeitig kommt es aber auch immer wieder zu Mehrfachregistrierungen, da Easy keine personenbezogenen Daten aufnimmt, sondern nur das Herkunftsland, das Geschlecht und ob jemand alleine oder mit Familie reist.
    Zwar werden bei der Einreise häufig von Bundespolizisten Fingerabdrücke zum Abgleich mit Verbrechenskarteien genommen - die werden jedoch nicht gespeichert und stehen somit auch den weiteren Bearbeitungsbehörden nicht zur Verfügung. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie das Bundesinnenministerium weisen darauf hin, dass "Fehl- und Doppelerfassungen wegen fehlender erkennungsdienstlicher Behandlung und fehlender Erfassung der persönlichen Daten nicht ausgeschlossen" seien. Von Januar bis November 2015 wurden laut BAMF im Easy-System 964.574 Zugänge von Asylsuchenden registriert.
    Bearbeitungsstau beim BAMF wird immer größer
    Nicht jeder, der in Easy registriert wird, ist auch ein Asylbewerber: Asylbewerber wird erst, wer beim BAMF einen Antrag auf Asyl stellt. Das heißt: In der Regel ist die Zahl der in Easy registrierten Menschen höher als die der Asylbewerber. Früher wurden die Zahlen aus dem System oft mit den Zahlen der Asylanträge gleichgesetzt - denn wenige Tage nach ihrer Registrierung hatten die meisten Flüchtlinge ihren Antrag gestellt und die Zahlen stimmten überein.
    Das gilt allerdings nicht mehr, seit die Flüchtlingszahlen in den vergangenen Monaten stark gestiegen sind: Denn der Bearbeitungsstau im BAMF wird immer größer - mittlerweile stauen sich über 300.000 unbearbeitete Anträge - und viele bereits registrierte Flüchtlinge konnten ihren Antrag noch nicht stellen. Deswegen liegt zwischen der Erstregistrierung durch Easy und der Antragsstellung immer mehr Zeit - und die Zahlen driften auseinander. So verzeichnet das BAMF von Januar bis November 2015 in Easy 964.574 Zugänge, Asylerstanträge wurden im gleichen Zeitraum 392.028 gestellt, also fast nur ein Drittel.
    NRW muss die meisten Flüchtlinge aufnehmen
    Die Software übernimmt nicht nur die Registrierung der Flüchtlinge, sondern auch ihre Verteilung auf die Bundesländer. Das System erfasst, in welchem der Länder noch Aufnahmekapazitäten bestehen und welche bereits über ihrem Soll liegen - und weist so dem Flüchtling seine Unterkunft zu. Die Verteilquote beruht auf dem dem sogenannten Königsteiner Schlüssel. Der wird jedes Jahr von der Geschäftsstelle der Bund-Länder-Kommission berechnet und stützt sich dabei auf Bevölkerungszahlen und Steuereinnahmen des Vorvorjahres. Das heißt: Der Verteilschlüssel von 2015 beruht auf den Daten des Jahres 2013.
    Die meisten Flüchtlinge müssten 2015 demnach Nordrhein-Westfalen und Bayern aufnehmen, die wenigsten Mecklenburg-Vorpommern und Bremen. Doch die Quoten werden derzeit fast nirgendwo genau eingehalten: Bayern hat in diesem Jahr mehr Flüchtlinge aufgenommen als der Schlüssel dem Land zuteilt - die Erstaufnahmeeinrichtungen sind fast überall belegt, die Koordination erfolgt oft spontan.