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Tagung "Film, Flucht und Interkultur"
Filmvermittlung für Geflüchtete

Welchen Beitrag kann Filmbildung zum interkulturellen Austausch leisten? Diese Frage stellt aktuell eine Tagung in Frankfurt. Veranstalter sind die Bundeszentrale für politische Bildung und das Deutsche Filminstitut. Die vorgestellten Projekte zeigen: Es wird viel getan. Aber noch nicht alles läuft rund.

Von Simone Schlosser | 23.09.2016
    Tagungsgäste beim Empfang zur Tagung "Film, Flucht und Interkultur" im Römer in Frankfurt
    Austausch bei der Tagung "Film, Flucht und Interkultur" in Frankfurt. (Sabine Imhof)
    "Seit Dezember besuche ich einmal im Monat immer montags den Filmclub. Die Leute, die ich dort im Filmmuseum kennenlerne, sind super nett und aufgeschlossen."
    Der Clip des Deutschen Filminstituts wirkt wie der perfekte Imagefilm. Aber immerhin einer für eine gute Sache: In dem Frankfurter Filmclub "Blickwechsel Jetzt" schauen Jugendliche mit und ohne Fluchterfahrung gemeinsam Filme.
    "Wir wollen eigentlich offen in alle Richtungen sein", sagt Christine Kopf.
    Kopf ist Leiterin der Abteilung Filmbildung am Deutschen Filminstitut und Mitinitiatorin dieses integrativen Clubs, aus dem heraus auch die Idee für die Tagung entstanden ist.
    Gemeinsam, gleichberechtigt, auf Augenhöhe
    "Ich glaube, ein Projekt ist gelungen, wenn wir zum einen die Lust am Filme-Gucken und Sich-über-Filme-Auszutauschen und zu diskutieren, anregen, und wenn wir dafür auch den Raum schaffen. Wie unser Projekt angelegt ist, ist mir wichtig, dass wir einfach gemeinsam Dinge tun. Und aus dieser gemeinsamen Situation heraus auch das Programm entwickeln."
    Gemeinsam. Gleichberechtigt. Auf Augenhöhe. Diese Begriffe fallen oft an diesem Nachmittag. Ein anderes Projekt, das diesen Anspruch erfüllt, ist "Ankommen in Deutschland": In Workshops realisieren geflüchtete Jugendliche mit Fluchterfahrung ihre eigenen Filme:
    "Wir sind Jugendliche aus verschiedenen Ländern. Wir sind noch nicht so lange in Deutschland."
    Eine der beiden Workshop-Leiterinnen ist die Migrationswissenschaftlerin Hannah Marquardt:
    "Die Migrationsforschung ist dem gesellschaftlichen Diskurs, den wir im Moment zum Thema haben, natürlich um Jahre voraus. Aber die Forschung erreicht halt die meisten Bürger nicht direkt - und Film kann das.
    Andere Projekte erscheinen noch entwicklungsfähig. Zum Beispiel "Cinemanya" vom Goethe Institut. Eine Art Best-of deutscher Kinder- und Jugendfilme für Vorführungen mit Geflüchteten. In der Auswahl allerdings gibt sich der Filmkoffer konservativ. Denn welchen Jugendlichen erreicht man heute noch mit "Heidi"? Doch die Bereitschaft zur Selbstreflexion ist bei vielen Projekten zögerlich.
    "Es gibt eine Tendenz, dass jedes Projekt, das sich vorstellt, endet mit den Worten: Alles war großartig. Und alle waren begeistert. Und wir sind sehr glücklich. Das würde ich grundsätzlich bezweifeln, weil ich noch nie ein Projekt gemacht habe, wo alle glücklich sind", sagt Alejandro Bachmann.
    Bachmann ist beim Österreichischen Filmmuseum zuständig für Filmvermittlung. Mit seiner Kritik richtet er sich direkt gegen das bestehende System der Kulturförderung:
    "Ein guter Schritt wäre, das Projekt durchführen, weil es ein Projekt ist. Mit einer bedingten Dauer, mit einem bedingten Budget. Dann sehr kritisch mit sich selbst umgehen. Und dann aus diesen Reflexionen das nächste Projekt generieren. Und vor allem darüber nachdenken, wie die Institution in ihrem Dauerbetrieb sich verändern muss, um auf veränderte gesellschaftliche Situationen einwirken zu können."
    Wie können Geflüchtete stärker eingebunden werden?
    Ähnlich beurteilt das auch der in Kairo lebende Filmemacher Tamer El Said, der als Beobachter zu der Tagung eingeladen wurde. Er ist mit seinem ägyptischen Pass einer der wenigen Ausnahmen unter den mehrheitlich deutschen Teilnehmern:
    "Ich habe den Eindruck, dass es heute mehr darum ging, Antworten zu geben, als Fragen zu stellen. Meiner Meinung nach muss es aber genau umgekehrt sein. Noch ist es ein sehr weiter Weg, bis wir wirklich von 'auf Augenhöhe' sprechen können. Eine der wichtigsten Fragen auf dem Weg dahin lautet: Wie können wir die Würde des Einzelnen innerhalb solcher Projekte wahren?"
    Eine andere Frage ist: Wie können Geflüchtete stärker eingebunden werden? Antworten darauf soll der Leitfaden geben, der am Ende der Tagung stehen soll. Ein Hilfswerk, aber auch ein Mutmacher. Damit die Filmbildung in Zukunft in beide Richtungen wirkt. Wie das aussehen kann, zeigt eine Projekt-Idee von Hannah Marquardt:
    "Da auch einige aus Afghanistan kommen und Bollywood lieben, gab es diese Idee, einen Bollywood-Film zum Thema politischer und gesellschaftlicher Diskurs über Geflüchtete in Deutschland - inklusive Liebesgeschichte. Also relativ ambitioniert (lacht). Keine Ahnung, wie wir das finanzieren sollen."