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Antibiotika im Abwasser
Mit Bäckerhefe gegen Rückstände

In deutschen Gewässern landen jährlich große Mengen Antibiotika, die von Menschen und Tieren stammen. Der Grund: Die Wirkstoffe passieren oft unbeschadet die Kläranlagen. Forscher versuchen nun, diese mit Bäckerhefe enzymatisch zu eliminieren.

Von Volker Mrasek | 09.05.2018
    Kläranlage der Stadt Northeim
    Kläranlagen, wie hier die der Stadt Northeim, müssen viele Spurenstoffe im Abwasser eliminieren (imago/stock&people/Hubert Jelinek)
    Eine Abwasser-Behandlung mit Ozon oder mit Aktivkohle, unter Umständen auch beides: Damit sollen Kläranlagen zusätzlich ausgerüstet werden, um Spurenstoffe im Abwasser zu eliminieren, die bisher durchrutschen. Pestizid-Wirkstoffe gehören dazu. Und Arzneimittel wie Antibiotika. Man spricht auch von der vierten Reinigungsstufe in Kläranlagen.
    Doch die Verfahren haben ihre Schwächen, wie Eckhard Worch einwendet, bis vor kurzem Professor für Wasserchemie an der Technischen Universität Dresden. Die Zugabe von Ozon zum Beispiel kann unerwünschte Nebenwirkungen haben:
    "Es entstehen andere Verbindungen. Von denen weiß man mitunter nicht genau, ob sie nicht gefährlicher sind als die Ausgangsstoffe."
    Antibiotika auf biotechnologischem Weg unschädlich machen
    Aktivkohle dagegen kommt nicht so gut damit klar, dass viele der problematischen Spurenstoffe hydrophil sind, also wasserliebend:
    "Das heißt also: Man kann mit beiden Verfahren einen Teil des Problems lösen. Aber es gibt im Moment noch keinen Königsweg für diese vierte Reinigungsstufe."

    Zumindest zeichnet sich jetzt eine weitere Option ab. Man kann Antibiotika auch auf biotechnologischem Weg unschädlich machen, mit Hilfe von Enzymen. Worchs Arbeitsgruppe hat das getestet, in einem jüngst beendeten Projekt des Bundesforschungsministeriums. Gebrauch machte sie dabei von gewöhnlicher Bäckerhefe. Genetiker der TU Dresden griffen zunächst ins Erbgut der Pilze ein und brachten sie dazu, zwei Enzyme abzugeben, die sie normalerweise nicht produzieren. Diese beiden Bio-Moleküle setzten die Wasserchemiker dann Labormedien mit diversen Antibiotika zu. Die Master-Studentin Henriette Krenkel:
    "Grundsätzlich haben wir zwei Antibiotika-Klassen untersucht, nämlich die Beta-Lactame und die Makrolid-Antibiotika. Die drei am häufigsten verschriebenen Antibiotika in Deutschland sind Beta-Lactam-Antibiotika. Und Makrolid-Antibiotika werden auch sehr, sehr häufig in Deutschland eingesetzt."
    Die Beta-Lactame heißen so, weil sie über eine Ringstruktur mit diesem chemischen Namen verfügen. Einem der Enzyme aus der genmanipulierten Bäckerhefe sei es gelungen, diesen Ring aufzubrechen, sagt Linda Schuster, Doktorandin am Institut für Wasserchemie. Das andere Enzym habe schließlich auch die Makrolid-Antibiotika geknackt:
    "Das führt zur weiteren Umsetzung von den Antibiotika. Und vor allem führt es dazu, dass die antibakterielle Wirkung von diesen Substanzen verloren geht."
    Enzymatische Elimination
    Genau das möchte man erreichen. Denn wenn die Stoffe aktiv bleiben, können Mikroben in der Umwelt Resistenzen dagegen entwickeln und diese womöglich an Krankheitserreger weitergeben.
    "Wir haben auch reale Wässer getestet, also Kläranlagen-Zulauf, -ablauf. Und das Enzym war stabil, und das auch über einen längeren Zeitraum, also auch nach 24 Stunden, und konnte noch aktiv Antibiotika umsetzen."
    Antibiotika im Abwasser lassen sich also enzymatisch eliminieren, mit Hilfe dressierter Bäckerhefe. Das habe das Projekt bestätigt, so Eckhard Worch:
    "Das sind erste erfolgversprechende Ergebnisse. Aber die verfahrenstechnische Umsetzung, die dauert natürlich länger. Wir schauen erstmal, ob's geht, und die Verfahrenstechniker müssen es dann letztendlich umsetzen."
    Doch wie könnte der enzymatische Abbau von Antibiotika in der Praxis aussehen? Zu bedenken ist vor allem, dass hier gentechnisch veränderte Hefezellen zum Einsatz kommen. Das erfordert besondere Vorsichtsmaßnahmen:
    "Man müsste eine separate Filterstufe machen, wo man dann diese Mikroorganismen fixiert. Und das ist noch die große Herausforderung letztendlich: die zu fixieren zwischen Membranen oder auf Oberflächen durch bestimmte Haftmechanismen festzuhalten, damit sie nicht ausgetragen werden, gleichzeitig aber mit Nährstoffen versorgt werden."
    Folgt eine Fortsetzung des Projekts?
    Denkbar ist aber auch, dass man nur die Enzyme ins Abwasser gibt und nicht die genmanipulierten Hefen.
    "Man kann natürlich auch bei den Produzenten ansetzen, in der industriellen Klärung, das heißt Produktionsabwässer damit behandeln. Dort hat man höhere Konzentrationen, und man könnte es dort gezielt einsetzen."
    Das Grundlagenforschungsprojekt ist jetzt aber erst einmal beendet. Um es fortzusetzen, müssen die Dresdner Wasserchemiker eine Anschlussfinanzierung beim Bundesforschungsministerium beantragen. Und ob die genehmigt wird, ist noch offen.