Brandenburg wird zum Biotech-Land

Mit Algen den Strukturwandel einläuten

06:09 Minuten
Ein Algenteppich schwimmt auf der Havel, die sich grün verfährbt hat.
Natürlicher Rohstoff: Auch in Brandenburger Gewässern sind Blaualgen zu finden. © Picture Alliance/ dpa / Ralf Hirschberger
Von Vanja Budde · 31.05.2019
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Das Land Brandenburg steht vor großen Herausforderungen: Mit dem Kohleausstieg geht in der Lausitz ein Strukturwandel einher. Ein Start-Up in Senftenberg setzt unterdessen auf die Züchtung von Spirulina-Algen.
"Time is running out", warnt Carbon Biotech auf seiner Homepage: Der Zeitpunkt bis zur unumkehrbaren Erwärmung der Erde um mehr als 1,5 Grad mit heute noch ungeahnten Folgen rücke immer näher. CO2 müsse darum aktiv aus der Atmosphäre geholt werden.
Aktiv in Großbuchstaben. Keine Frage: Gründer Jan-Heiner Küpper hat nicht nur eine Geschäftsidee, sondern vor allem ein Anliegen.
"Ich kam im Jahr 2008 an die damalige Hochschule Lausitz als neuer Professor für molekulare Zellbiologie. Mich hat damals das Thema Klimawandel schon sehr umgetrieben. Ich habe dann immer wieder in meinen Vorlesungen auch über technologische Innovationen gesprochen und gesagt, dass man über eine Zeit nach der Kohle nachdenken müsse. Da waren einige Studenten, die das nicht hören wollten, und dann zu mir sagten: Über Kohleausstieg darf man hier in der Region nicht reden. Habe ich aber trotzdem gemacht."

Mit Spirulina gegen den Klimawandel

Im Zellkulturlabor blubbert eine grüne Flüssigkeit, von starken Lampen angestrahlt: Spirulina. Das Produkt, mit dem Jan-Heiner Küpper den Weltmarkt erobern und den Klimawandel eindämmen will.
"Spirulina ist ein Bakterium, ein evolutionär sehr altes Bakterium, wahrscheinlich schon dreieinhalb Milliarden Jahre alt. Man kann heute davon ausgehen, dass es mit die ersten Organismen auf der Erde waren, die aus CO2 Sauerstoff gemacht haben und Biomasse gemacht haben und die letztlich dafür verantwortlich sind, dass wir heute 21 Prozent Sauerstoff in der Atmosphäre haben."
Firmenvorstand Jan-Heiner Küpper hat 1990 seinen Doktor der Biologie in Heidelberg gemacht. Das Unternehmerische liegt dem Wissenschaftler im Blut: Schon sein Vater war eigentlich Lehrer, betrieb aber auch eine Mosterei und presste aus Streuobst Apfelsaft.

Alge mit hoher Proteindichte

Das habe ihn geprägt und inspiriert, sagt Jan-Heiner Küpper. Er zählt die Vorteile auf, die Spirulina im Vergleich zu CO2-schluckenden Energiepflanzen habe: Eine 50- bis 100-fach höhere Biomasseproduktivität zum Beispiel:
"Ich kann 50 bis 100 Mal mehr Biomasse pro Zeiteinheit und pro Raum herstellen, als ich das durch Energiepflanzen kann. Entsprechend geringer ist auch mein Flächenbedarf."
Der Professor für molekulare Zellbiologie, Jan-Heiner Küpper, schaut in einem Labor stehend in die Kamera.
Innovation aus Brandenburg: Der Professor für molekulare Zellbiologie, Jan-Heiner Küpper, will mit Blaualgen den Klimawandel aufhalten. © Deutschlandradio / Vanja Budde
Im Labor nebenan wird die Auswirkung von Spirulina auf menschliche Zellen erforscht. Vor Betreten müssen blaue Plastikfüßlinge über die Schuhe gezogen werden. Biologe Küpper erzählt derweil routiniert weiter: Die Mikroalgen wüchsen in Aquakulturen sehr schnell, am besten in heißen Ländern wie den Tropen. Spirulina vertrage sowohl Brackwasser wie Salzwasser, eine Tonne Mikroalgenbiomasse binde 1,8 Tonnen Kohlendioxid. Und nicht nur das: Die Mikroalgen seien auch als Nahrungsmittel sehr geeignet.
"Spirulina besteht zu 60 bis 70 Prozent aus Proteinen. Das ist eine so hohe Proteindichte, wie man die in keinem anderen Organismus findet. Und deswegen hat die NASA vor, wenn es mal einen bemannten Flug zum Mars gibt, Spirulina als Nahrungsquelle mitzunehmen, weil es nichts gibt, was so eine hohe Energiedichte hat wie diese Mikroalge."

Projekt, um Abhängigkeit von Soja zu verringern

Das wäre doch eine prima Alternative zu Soja als Eiweißquelle für die wachsende Zahl der Vegetarier und Veganer in den Wohlstandsländern, meint Küpper. Denn Soja sei nicht nachhaltig: Dafür würden in den Tropen Wälder gerodet.
Ein Projekt mit der University of Namibia erprobe gerade, ob Spirulina als Geflügelfutter tauge, um die Abhängigkeit der namibischen Bauern von aus Brasilien importierten Sojabohnen zu verringern. Man kooperiere mit dem renommierten Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, um Daten zu erheben. Die sollen dann als Grundlage dienen für einen möglichen internationalen Spirulina-Anbau im ganz großen Maßstab.
"Eine dritte Möglichkeit mit Mikroalgen ist die Entwicklung von Biodünger, Biofertilizer. Mit Biodünger aus Mikroalgen kann man einerseits den Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden und andererseits den Boden vorbereiten, um Aufforstungsmaßnahmen zu machen. Man hat damit einen weiteren Hebel, weiteres CO2 aus der Atmosphäre zu holen."

Auf der Suche nach Geldgebern

Geschäftsideen gibt es also viele. Er habe schon Anfragen von Vertriebsfirmen, sagt Küpper, es wäre die erste Spirulina-Produktion in Deutschland. Noch in diesem Jahr will Küpper erste Umsätze mit dem Verkauf von Algenprodukten machen.
Carbon Biotech wurde im November 2017 als Aktiengesellschaft gegründet, ist derzeit auf Kapitalsuche, Gespräche mit Investoren laufen, sagt der Gründer. Zehn bislang freie Mitarbeiter im Raum Heidelberg, Berlin und in den USA kümmern sich um Geschäftsentwicklung, Finanzierung und Marketing. Fünf Millionen brauche er fürs Erste, meint Jan-Heiner Küpper.
Mehrere Reagenzgläser mit einer grünen Flüssigkeit stehen in einem Labor.
Viel Protein, großes Potential: In Senftenberg sollen zukünftig Spirulina-Kulturen gezüchtet werden.© Deutschlandradio / Vanja Budde
"Wir haben aber schon ausgerechnet, wenn wir die große Vision von Carbon Biotech umsetzen, ist der Kapitalbedarf zehnmal so groß: Wir glauben, dass wir mit einen Kapitalbedarf von 50 Millionen Euro die ganze Vision von Carbon Biotech, nämlich Bio-energy with Carbon Capture and Usage, hier in der Lausitz umsetzen können."

Nach der Kohle kommt die Alge

Das Unternehmen will sich künftig im Innovationszentrum Senftenberg einmieten und in Kooperation mit der BTU die Labore im Institut für Biotechnologie weiter nutzen: Gelebter Technologietransfer. Carbon Biotech wäre dann ein kleiner Teil des großen Strukturwandels, der im Lausitzer Revier wegen des Kohleausstieges ansteht. Vom Bund wird der Wandel mit Milliarden Euro gefördert. Das bietet auch Chancen für Carbon Biotech, hofft Küpper.
"In dem Moment, wo das Unternehmen finanziert ist, werden wir in einer Größenordnung in den ersten paar Jahren von 15 bis 20 Personen einstellen und wir beabsichtigen, dann auch sehr schnell zu wachsen, und gehen davon aus, dass wir nach fünf, sechs Jahren mindestens 30 bis 40 Arbeitsplätze damit schaffen können hier."
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