Branche in der Krise

Internet kills the Videothek

Eine Mitarbeiterin einer Videothek sortiert Filme in die Regale ein.
Eine Mitarbeiterin einer Videothek sortiert Filme in die Regale ein. © picture alliance / dpa / Rolf Vennenbernd
Von Ernst Ludwig von Aster · 20.02.2015
Der Job in einer Videothek ersetzte ihm die College-Bildung, meint Kult-Regisseur Quentin Tarantino. Das wäre heute kaum möglich, Videotheken streichen Stellen oder machen dicht. Einblicke in den Alltag in Zeiten von Streaming-Diensten und Online-Verleih.
Ein Hüne in neongelber Arbeitshose und Fleecejacke stoppt sein Mountainbike vor der Videothek Negativeland.
"Ich bin ja zur Arbeit, habe eine wunderbare Auslage hier gesehen und so bin ich hängengeblieben an der Sache."
Er beugt sich über einen kleinen Infokasten neben dem Eingang. "Grand Budapest Hotel" wird da besprochen, daneben die französisch-kanadische Koproduktion: "Die Karte meiner Träume". Drumherum blättert Farbe ab.
"Weil ich den Film schon mal gesehen hatte, habe ich mir das detailliert durchgelesen. Und dann bin ich da rein und dachte, wow, was haben die denn hier."
"Alle Regisseure von Achternbusch bis Zulawski" wirbt ein rotes Plakat neben der Eingangstür. Die homepage verspricht ein "Angebot abseits der kommerziellen Normen für eine filminteressierte Kundschaft ". Ein Pärchen bleibt stehen, sie wohnen gleich nebenan.
"Man kann sich super einen Film empfehlen lassen, das ist besonders. Und hier gibt es Filme aus den 60er-Jahren noch mit einer Empfehlung dazu."
Doch nicht mehr lange. In den nächsten Tagen wird das Negativeland, eine echte Institution im Bezirk Prenzlauer Berg, schließen.
"Auweia, unser Lieblingscafe drei Häuser weiter hat auch gerade zugemacht. Das ist echt Schade, weiß man was über die Gründe warum.. ?"
Der grauhaarige Hüne am Infokasten horcht auf, dreht den Kopf. Er sucht schon lange einen Fassbinder-Film.
"Macht echt zu? Vielleicht kann ich ja echt mal gucken."
Drinnen wartet Besitzer Jörg Ganzer hinter einem Holztresen. Schwarzer Pullover, schwarzgerahmte Brille, kahler Kopf, eindringlicher Blick. Ganzer ist seit 25 Jahren im Videogeschäft. Präsentiert 17.000 Titel auf DVD und VHS. Kein Blue-Ray, dafür 33 Fassbinder-Filme.
Seit zwölf Jahren geht es bergab
Filmfreunde berät Ganzer gerne. Mit dem Reporter möchte er nicht sprechen. Seit zwölf Jahren schon geht es mit dem Laden bergab, wird er in der Kiez-Zeitung zitiert. Nein, seine Fassbinder-Filme wird er nicht verkaufen.
Fünf Minuten später steht der Hüne deshalb wieder draußen vor der Tür. Ohne Film. Aber mit dem Tipp, es ein paar Straßen weiter zu versuchen.
"Halt, halt, warte mal, seid ihr fertig, mit dem Film, gleich mal hergeben. ... dass ich die junge Dame versorgen kann, ne."
Silvio Neubauer steht in der "Filmgalerie", lächelt. Weil eine DVD von Kundenhand zu Kundenhand geht, ohne Zwischenstopp im Regal. Das freut den Cineasten und Videotheken-Betreiber, der problemlos als Double von Jürgen Trittin durchgehen könnte.
"Es ist für alle hart. Die offiziellen Zahlen lauten dass es jetzt noch 2000 Videotheken gibt, in der Höchstzeit waren es mal 7.000, das ist schon ein großer Unterschied."
Internet kills the Video-Star. Streaming Dienste, Online-Verleih. Im Wochenrhytmus schließen deutschlandweit Videotheken. Auch Neubauer hätte es fast erwischt. Renovierung, Mieterhöhung - seinen 180 Quadratemeter Laden konnte er nicht halten, jetzt hat er nur noch 70. Weniger Mitarbeiter. Die Filme stapeln sich bis unter die Decke.
"Über 24.000 Titel, das verteilt sich dann auf 28.000 DVDs, Blue-Ray und auch viele Cassetten dabei, na gut es hat ja vor 28 Jahren begonnen."
Kinogeschichte von 1907 bis heute. Im Hinterraum wird es noch enger.
"Wenn man hier reinguckt, bekommt man schon ein bisschen so ungefähr eine Vorstellung, wie viel das so ist. Es geht ja hier noch weiter."
"Bleibt das so oder geht das weiter runter"
Auch hier rot-weiße Filmhüllen, wohin man auch guckt. Dazwischen, neben der Kaffeemaschine, eine Dose Kartoffelsuppe auf einer Mikrowelle.
"Heute geht es darum, ist das jetzt Blueray, jetzt gibt es dann bald 4 K.. Es gbt Technikfreaks, die Unglaubliches erwarten. Und so hat man das Gefühl, die Basis wird schmaler und die Ansprüche größer."
Mit 450 Videocassetten hat Neubauer angefangen – vor 28 Jahren: Truffaut, Cassavetes. Der filmische Anspruch – er füllt auch heute noch eine komplette Wand in der kleinen Videothek.
180 Regisseure von A-Z . Nicht nur von Woody Allen, sondern von Herbert Achternbusch bis Andre Zulawski. Die Wand für die Cineasten. Genau wie im Negativeland. Aber hier ist sie nur ein Pfeiler des Geschäfts.
"Das wir uns deutlich unterschieden haben vom Negativeland und vom Videodrome, indem wir zwar einerseits die cineastische Kernkompetenz spürbar gemacht haben, aber andererseits auch Filme gehabt, die dem normalen Konsumerbereich zuzuordnen ist."
Filme für alle, Beratung für jeden – das ist Neubauers Überlebenskonzept.
"Und da gab es Fälle, wo Leute sagen, ist mir peinlich, da gab es den und den Film mit Schwarzenegger oder meinetwegen mit Gottschalk."
Auch die hat er da. Nur so kann er überleben. Bis jetzt.
"Man kann ja jetzt nicht voraussehen, wie sich das jetzt im nächsten halben Jahr, zwei Jahre, drei Jahre, bleibt das so oder geht das weiter runter, das ist schon schwierig."
Mehr zum Thema