Boygroup der Älteren

Von Petra Marchewka |
Die Hamburger Sänger lieben Seemannslieder, Country-Songs und Swingmusik. Alle sind zwischen 57 und 77 Jahren alt. Ihre Auftritte spielen sich in bescheidenem Rahmen ab: in Altersheimen, auf Familienfeiern und auf Volksfesten. Sie selbst bezeichnen sich als "die älteste Boygroup der Welt".
Chorleiter: "Tenöre links, Bässe rechts... Kurz noch mal ansingen..."

Sie tragen schicke rote Westen, blütenweiße Hemden und kecke Strohhütchen auf den ergrauten Haaren.

"Singe Inge, singe Inge, singe..."

Bevor es gleich auf die Bühne geht lockern die "Oldies" noch kurze ihre Stimmbänder...

"Singe Inge, singe Inge, singe..."
....und probieren die richtige Bühnenaufstellung.

Chorleiter: "...wir können nicht alle in einer Reihe stehen, die vorne stehen lassen immer eine Lücke, damit die dahinter auch gut zu sehen sind, denkt daran, bitte. Ja!..."

Seltsam filigran wirken die Männer, wie sie da nebeneinander stehen, zerbrechlich, aber gleichzeitig entschlossen und voller Kraft. Auch Chorleiter Gerd R. Zimmermann erscheint ausgesprochen rüstig, wie er ruhig und souverän seine Sänger dirigiert.

Frau: "Können wir uns an der Bühne sammeln, weil hier steht, sie haben noch fünf Minuten Aufbau?"

Zimmermann: "Ja, ja, wir kommen gleich rüber..."


Schon zum dritten Mal sind die Happy Oldie Singers hier beim großen Nachbarschaftsfest auf dem Hamburger Heiligengeistfeld dabei.

Moderator brüllt: "Hier sind die Happy Oldie Singers, jawoll!"


Es ist wieder ein wunderschöner Tag gewesen. "Spiel mir eine alte Melodie" von Irving Berlin haben die Happy Oldie Singers wie immer zuerst gesungen. Danach einen Beatlessong mit selbst gemachtem deutschen Text, ein paar Seemannslieder und zum Schluss das 20er Jahre Medley "Was eine Frau im Frühling träumt".

Probe: "Mein Name ist Hermann Behrens, ich bin der Älteste im Chor, ich bin 77 Jahre..."


Und jetzt ist endlich wieder Montag. Im "kleinen Saal" einer Gaststätte in Hamburg Niendorf haben sich die "glücklichen alten Sänger" zur wöchentlichen Probe versammelt.

Hermann Behrens: "Und da ich früher immer schon gerne gesungen habe, auch auf kleinen Festlichkeiten, mein Hauptaufgabengebiet war ‚maritim’, so ‚Anne Eck vanne Steenstruut’ und ‚Voo mi mol rüber’..."


Der kleine Mann mit dem freundlichen, runden Gesicht hat blitzwache Augen und scheint vor Energie zu sprühen. Vor kurzem ist er Witwer geworden – das hat ihn seelisch aus der Bahn geworfen. Hier im Chor konnte er sich wieder fangen.

Hermann Behrens: "...und ich bin richtig froh, da reingekommen zu sein, und die haben mich auch aufgenommen wie einen richtigen Freund."


Die anderen Sänger nicken.

Probe: "Mein Name ist Rainer Grundmann, bin 66 und singe eigentlich aus Eigennutz."

Das Singen jeden Montag im geschützten Rahmen, gesteht Rainer Grundmann, sei auch für ihn wie eine Therapie.

Rainer Grundmann: "Also für mich befreit Singen. Es führt zu einer gewissen Innenschau, die bei mir angesagt war, (...) das tut meiner Psyche gut, meiner Seele gut, deshalb bin ich eigentlich hier. Darum sagte ich ‚Eigennutz’."

Gerd R. Zimmermann, den alle den "Bandleader" nennen, steht dem singenden Halbkreis gegenüber am Keyboard. Seit 60 Jahren mache er nun schon Musik, sagt der pensionierte Oberingenieur, und jetzt, seit mittlerweile drei Jahren, habe er endlich seinen eigenen Chor.

Zimmermann: "Es gibt also sehr viele Sänger, die das klassische Liedgut nicht so gerne mögen, was Chöre so im Allgemeinen so singen. Sondern gerade dies, was anspricht, was locker ist, was auch verhältnismäßig leicht zu singen ist. Deswegen habe ich auch im Augenblick gar keine Schwierigkeiten mit Nachwuchs."


Keines der Chormitglieder hat jemals eine Gesangsausbildung genossen, manche können Noten lesen. Laien also, allesamt. Alle 80 Titel des Repertoires, erzählen die Sänger stolz, beherrschten sie auswendig. Das ständige Textbüffeln schule das Gedächtnis und halte den Geist beweglich.


Zimmermann: "Wir können noch mal unsere Swing-Nummer wiederholen, ‚Hallo, kleines Fräulein’, das Medley... "


Genug geredet. Die Luft in dem kleinen Proberaum ist nach zwei Stunden inzwischen stickig und warm, aber die Happy Oldies erheben sich dennoch beschwingt von ihren Stühlen.

"Hallo, kleines Fräulein, instrumental, Max Greger und sein Orchester"

Hermann Behrens, der Älteste im Chor, wippt beim Singen fröhlich im Takt. Anrührend und gleichzeitig mitreißend ist es, wie er und die anderen Happy Oldie Singers hier ihre Lieder schmettern – den Jahren zum Trotz.

Hermann Behrens: "Ich singe oder pfeife dauernd wenn ich übern Hof gehe, ach herrje, isser wieder dabie und pfeift sich wat trecht, het dann denn, ne. Man wird fröhlicher. Man wird leichter. (...) Also, ich muss ehrlich gestehen: Ich hab abgehoben. Ich schwebe."