"Boy King"von Wild Beasts

Der Soundtrack für den männlichen Egotrip

Von Florian Fricke · 04.08.2016
Sex, endloser Spaß, nichts zu verlieren - so die Botschaft des neuen Albums "Boy King" der englischen Indie-Rocker Wild Beasts. Es ist das bisherige Meisterwerk der Band. Die Songs kreisen auch um die Frage, was es heute bedeutet ein Mann zu sein.
"Boy King" von Wild Beasts beginnt mit dem sensationellen "Big Cat", das die Richtung vorgibt: tanzbar und funky, dabei nicht überproduziert, sondern eher rau im Klang, dandyesk in der Haltung und messerscharf in der Botschaft. Der Boy King, ein Sinnbild für den modernen Mann, schwebt dabei als Thema über allen Songs, und das war auch die Intention, so Hayden Thorpe.
"Ja, wir hatten eine Vision. Es gibt da dieses Alter Ego, das sich in den dunklen Seiten des Lebens und der Gesellschaft verliert. Von daher geht es zumindest in Richtung Konzeptalbum. Wir wollten was loswerden."

"Boy King" als Vorbild für die Generation Tinder

Es ist eine kalte Welt, die die Wild Beasts beschreiben. Sex ist über dem ganzen Album verteilt, die Liebe dagegen völlig abwesend. Ein viriler Ego-Trip, Muskelpumpen bis der Arzt kommt. Den eigentlichen Ursprungsgedanken der Band, ihren Pop gegen die Macho-Klischees des Rock-Establishements zu stellen, konterkarieren sie dabei ganz bewusst – beziehungsweise ganz bewusst intuitiv.
"Dieses Album ist sicherlich nicht besonders intellektuell, sondern wir haben es einfach gemacht. Man sollte nicht den Fehler begehen da zu viel hineinzuinterpretieren. Es ist mehr aus einem Gefühl heraus entstanden."
Meint der zweite Sänger Tom Fleming. Und so fügt sich die Entstehungsgeschichte des Albums so gut in sein Grundthema: Der Boy King, der seinem Instinkt und seiner Lust folgt, Konsumgüter und Sex sind austauschbar. Die Wild Beasts stellen sich dabei nicht auf eine moralisch höhere und beobachtende Warte, sondern identifizieren sich mit dem Boy King und inszenieren sich selbst.
Blaupause für diese Rolle war der britische Dichter Lord Byron aus dem 19. Jahrhundert, der sich selbst ganz bewusst als Popstar in Szene setzte. Hayden Thorpe sieht in ihm das frühe Vorbild der heutigen Generation Tinder, die sich mit ihren Alter Egos hemmungslos ausleben kann, wie es ihr beliebt.
"Es ist die Idee dieses hemmungslosen dionysischen Charakters, der durch die Landschaft stolziert und dabei alles vögelt, was er zu fassen bekommt, egal ob Mann oder Frau. Eine coole Idee, sich unserem inneren Dämon zu nähern. Er ist für mich das Vehikel, um diese Gedanken auszuleben."

Mischung aus Timberlake und Nine Inch Nails

Als Produzent konnte John Congleton gewonnen werden, einer der Besten seiner Zunft, bekannt durch die Arbeit mit Swans, David Byrne oder St. Vincent. Congleton gehört zu der Sorte Produzent, die mit ihrer Guruhaftigkeit die Band beruhigt und aus dieser Ruhe heraus den perfekten klanglichen Rahmen findet, den das Album braucht. Die Wild Beasts suchten nach einem Gegensatzpaar, das ihre Ambivalenz zu dem Thema beschreibt, und landeten bei einer Mischung aus Justin Timberlake und Nine Inch Nails.

"Du legst du einen Song von Justin Timberlake auf einer Party auf, am besten eine Timbaland-Produktion, Sexy Back zum Beispiel. Die Mädchen fangen an zu tanzen, dann die Jungs, alle drehen durch. Und diesen Effekt wollten wir erzielen, aber über die Jungs von Nine Inch Nails, die mit ihrer Fuck you-Haltung und dieser gewissen Grundaggressivität über die Tanzfläche tänzeln."

Ganz der Intuition gefolgt

"Boy King" ist das bisherige Meisterwerk der Wild Beasts, und dessen sind sie sich wohl bewusst. Dieses Album ist alles andere als political correct, es ist der unerwartete Brunftschrei von sehr reflektierten Popstars, die ganz genau wissen, dass sie sich auf sehr dünnes Eis begeben. Ein mutiger Schritt von Künstlern, die ganz ihrer Intuition folgen und bewusst irritieren wollen.
"In der westlichen Welt, wo Passivität, Betäubung und Unterwerfung die Ideale sind, sagen wir uns: Fuck that. Wir wollen etwas fühlen, in die Welt hinausgehen und uns als Künstler exponieren. Und als Künstler sind wir privilegiert das überhaupt tun zu dürfen."
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