Borussias Boom an der Börse

Thomas Fuggenthaler im Gespräch mit Jörg Degenhardt · 17.11.2010
Die Zuwächse von Borussia Dortmunds Fußballaktie sind groß. Für Anleger mit Renditewünschen seien diese Aktien dennoch nicht unbedingt das Richtige, sagt Finanzexperte Thomas Fuggenthaler vom Beratungsunternehmen Ernst & Young.
Jörg Degenhardt: In Berlin tut sich Schwarz-Gelb schwer, nimmt man allein die letzten Umfragewerte. In der Bundesliga ist diese Farbkombination der letzte Schrei. Borussia Dortmund spielt nämlich in Schwarz-Gelb, und das derzeit so erfolgreich, dass die Mannschaft nicht nur an der Spitze der Bundesliga steht und neue Nationalspieler für Joachim Löw liefert; es läuft auch erstmals wie geschmiert an der Börse. Die Steigerungsraten sind das, was man schwindelerregend nennt: knapp 50 Prozent in der vergangenen Woche. Und die bisher einzige deutsche Fußballaktie, über die wollen wir reden mit Thomas Fuggenthaler vom renommierten Beratungsunternehmen Ernst & Young, das weltweit 130.000 Mitarbeiter beschäftigt. Guten Morgen, Herr Fuggenthaler!

Thomas Fuggenthaler: Guten Morgen, Herr Degenhardt!

Degenhardt: Was steckt denn hinter diesem rasanten Kursanstieg?

Fuggenthaler: Ich würde mal sagen, zu einem nicht ungewissen Grad auch der sportliche Erfolg, der hinter der Mannschaft steht. Es gibt einiges an Untersuchungen und Analysen, dass der sportliche Erfolg eines Fußballklubs, der an der Börse notiert ist, einen wesentlichen Einfluss auch hat auf die Performance der Aktie als solche, bei Borussia Dortmund jetzt im positiven, bei genügend anderen allerdings auch im negativen Sinne.

Degenhardt: Und wie ernst nehmen Sie diesen derzeitigen Höhenflug? Folgt bei drei Niederlagen in Folge wieder der Absturz?

Fuggenthaler: Eine konkrete Prognose würde ich jetzt ungern aussprechen. Ich würde sagen, es wird sich definitiv, wenn jetzt Borussia Dortmund sich wieder deutlich nach unten bewegt, wird sich das auch im Aktienkurs über kurz oder lang widerspiegeln.

Degenhardt: Also die BVB-Aktie ist keine sichere Anlage? Das ist nichts für normale Sparer, sondern eher was für Fans?

Fuggenthaler: Fußballaktien haben eine wesentliche Besonderheit, die sie von normalen Aktien unterscheidet. Ein nennen wir es mal normales Unternehmen zeichnet sich dadurch aus, dass das absolute Oberziel, das dieses Unternehmen verfolgt, immer noch der wirtschaftliche Erfolg ist. Bei Fußballaktien steht neben dem wirtschaftlichen Erfolg auch immer zu einem gewissen Grad der sportliche Erfolg. Es gibt da natürlich Rückkopplungen in dem Sinne, dass ein sportlicher Erfolg auch immer dem wirtschaftlichen Erfolg vorangehen wird. Ein erfolgreicher Verein ist interessanter für Sponsoren, ist interessanter für die Fans. Und im deutschen TV-Rechtssystem ist es auch so, dass ein erfolgreicher Fußballklub mehr TV-Einnahmen generieren wird. Nichtsdestotrotz bleibt allerdings festzustellen, dass es eben ein Oberziel gibt, neben dem wirtschaftlichen Ziel auch diesen sportlichen Erfolg, das wird Unternehmensentscheidungen beeinflussen, und dementsprechend schlägt sich das dann auch im Aktienkurs über kurz oder lang nieder. Insofern kann man unterm Strich schon festhalten, für den Anleger, dem es rein um den wirtschaftlichen Erfolg geht, sind Fußballaktien möglicherweise nicht unbedingt der richtige Ansatzpunkt. Für Spekulanten ist es sicherlich interessant und es ist auch zu einem gewissen Grad für die Fans interessant, die hinter dem Klub stehen.

Degenhardt: Ich wollte noch eins draufsetzen. Wenn eine Mannschaft wie Borussia Dortmund junge Spieler entwickelt, die Nationalspieler werden, die heute zum Beispiel beim Spiel gegen Schweden erstmals auflaufen und damit ihren Marktwert entsprechend erhöhen, dann sind doch, wie es in Ihrer Sprache so schön heißt, signifikante Erlöspotenziale da. Das heißt, der Verein ist doch dann auch wirtschaftlich abgesicherter.

Fuggenthaler: Grundsätzlich ist der Verein wirtschaftlich abgesicherter. Die Frage, die sich halt auch immer stellt, ist: Was macht man mit diesen zusätzlichen Erlösen? Wenn es jetzt wirklich nur rein auf die wirtschaftliche Perspektive ankommt, so besteht grundsätzlich das Problem, dass solche zusätzlichen Erlöspotenziale möglicherweise zu kurzfristig wieder investiert werden, weil eben das sportliche Ziel als Nebenziel neben dem wirtschaftlichen Aspekt steht. Daraus kann sich dann natürlich auch eine Konstellation ergeben, dass das kein, nennen wir es mal, langfristiger Wert ist, sondern dass das jetzt mal ein Wert ist für die nächsten paar Jahre, der dann möglicherweise falsch genutzt wird.

Degenhardt: Aber unterm Strich habe ich jetzt gelernt: Fußballaktien scheinen kein gutes Investment zu sein. Wäre es anders, dann wären wahrscheinlich auch schon die Bayern eingestiegen als Rekordmeister.

Fuggenthaler: Ich würde es relativieren. Fußballaktien sind nicht unbedingt ein Investment für den klassischen Anleger, der nur auf den wirtschaftlichen Aspekt schaut, sondern es spielen eben andere Sachen rein, ein gewisses spekulatives Element wird immer dabei sein. Das ist der eine Aspekt.
Aus Sicht des Clubs heraus ergibt sich dann natürlich eine ganz andere Interessenlage. Wenn ein Club sich entschließt, an die Börse zu gehen, hat das für den Club erstmal den Vorteil, man ist in der Lage, an zusätzliche Mittel zu kommen, die man dann investieren kann, die jetzt nicht die Nachteile einer klassischen Fremdfinanzierung mit sich bringen, was im Endeffekt eine der Überlegungen ist, hat allerdings auch den Nachteil, dass man sich neue Miteigentümer reinholt.
Beim FC Bayern, glaube ich, besteht momentan nicht der Bedarf, dass man an die Börse geht, um jetzt Emissionserlöse zu generieren und damit sich finanzielle Mittel zu beschaffen. Insofern ist das, glaube ich, eher die Überlegung, die beim FC Bayern im Vordergrund stehen wird.

Degenhardt: Gehen wir eine Etage tiefer, anderes Modell: Zweitligist Herta BSC hat eine weitere Fan-Anleihe auf den Markt gebracht und diese als ein innovatives Finanzinstrument, ein ideales Weihnachtsgeschenk für seine Fans gepriesen. Die neue Anleihe bietet eine Laufzeit von sechs Jahren und einen festen Zinssatz von fünf Prozent. Ist das auch was für Wagemutige? Denn wenn der Verein Pleite geht, ist das Geld ja weg!

Fuggenthaler: Bei Anleihen ist das Bild, glaube ich, ein bisschen einfacher zu sehen. Bei Anleihen ist die grundsätzliche Thematik: Wenn derjenige, der die Anleihe begibt, insolvent wird, dann ist das Geld weg. Das gilt allerdings nicht nur bei Fußballanleihen, das gilt im Endeffekt bei jeder anderen Anleihe. Da kommt es rein auf die Kreditwürdigkeit des Anleihenbegebers an. Es ist insofern, würde ich mal sagen, eine eigentlich grundsätzlich mal relativ normale Anleihe. Für die Fans hat das natürlich was Besonderes, weil die Urkunden oder die Wertpapiere, mit denen das verbrieft ist, die sind ja auch optisch sehr ansprechend gestaltet. Ich weiß zumindest von einem anderen Club, der vor ein paar Jahren mal eine Anleihe begeben hat, da war auch ein bisschen so die Überlegung, dass dadurch, dass es so schöne Urkunden sind, dass vielleicht diejenigen, die sich das kaufen, das wirklich an die Wand hängen und nicht irgendwann mal zurückgeben und das Geld zurückhaben wollen.

Degenhardt: Der Profifußball als Geldanlage, ein Spiel mit doch vielen Fragezeichen. Das war Thomas Fuggenthaler von Ernst & Young. Vielen Dank für das aufklärende und erhellende Gespräch.

Fuggenthaler: Gerne!