Bootcamp-Trend

Sport im Park – niedrigschwellig und oft kostenlos

Beim schweißtreibenden "Silent Zumba" in einem Münchner Park trainieren die Teilnehmerinnen zur Musik aus Kopfhörern, wodurch Lärmkonflikte mit Spaziergängern und anderen Ruhesuchenden vermieden werden sollen.
Beim schweißtreibenden "Silent Zumba" in einem Münchner Park trainieren die Teilnehmerinnen zur Musik aus Kopfhörern, wodurch Lärmkonflikte mit Spaziergängern und anderen Ruhesuchenden vermieden werden sollen. © dpa / picture alliance / Andreas Gebert
Von Anja Schrum · 24.06.2018
Faszientraining auf dem Rathausrasen, Zirkeltraining auf dem Spielplatz, Zumba in den Flussauen − kostenlose, unverbindliche Sport- und Bewegungskurse haben Konjunktur. Das führt aber auch zu Nutzungskonflikten in den öffentlichen Grünanlagen.
"Hey, hey, hey – so sieht man sich wieder! Melde mich aus dem Urlaub zurück! Wie war's? Hast dich gut erholt? Ja, danke."
Balthasar ist zurück aus dem Urlaub. Das Gesicht mit dem grauen Schnäuzer ist braungebrannt. "Urban" steht auf seinem grauen T-Shirt. Gutgelaunt und tatendurstig stapft der 76-Jährige über die Wiese im Triftpark in Berlin-Reinickendorf.
"So, mein lieber Jens, wo sollen wir anfassen? – Jens: Du darfst dich entspannen, Balthasar, das ist schon warm genug. – Regine: Dann gehen wir in den Schatten."
Regine und Balthasar suchen Schatten unter den alten Parkbäumen, die die Wiese umgeben. Trainer Jens müht sich, die Sicherungsheringe des mobilen Volleyball-Netzes im Boden zu verankern: "Der Boden ist extrem ausgetrocknet."
Jens wischt sich die Schweißperlen von der Stirn. Beugt sich über einen der Metall-Heringe, drückt fester. "Sport im Park – einfach mitmachen" heißt es auf dem Rücken seines T-Shirts. Jens ist ehrenamtlicher Trainer beim TSV Berlin-Wittenau. Und betreut schon das zweite Jahr einige der Park-Sport-Angebote des Vereins.
"Wir haben ja im letzten Jahr die Aktion in Reinickendorf auch schon gehabt. Und die ist von einigen halt sehr gut angenommen worden und viele haben nur drauf gewartet, dass es endlich wieder losgeht. Aber wir haben auch viele neue Gesichter."
"Spiel dich fit" heißt der kostenlose Kurs, den Jens seit Mitte Mai jeden Montag hier, im Triftpark, anbietet. Und der sich vor allem an jene wendet, die sich sonst eher wenig bewegen:
"Wir haben viele, die im Winter gar nichts machen. Und dementsprechend müssen wir da halt ganz langsam anfangen."

Täglich bis zu 30 Angebote bei "Stark im Park"

2017 war es noch ein Pilotprojekt: 30 Sport-Angebote in drei Reinickendorfer Parkanlagen. In diesem Sommer kann unter dem Stichwort "Stark im Park" berlinweit in über 15 Grünanlagen kostenlos und ohne Voranmeldung trainiert werden. Täglich gibt es zwischen drei und 30 verschiedene Sportkurse, finanziell gefördert von der Senatsverwaltung, durchgeführt von verschiedenen Vereinen oder Trainern.
"Und wir hoffen natürlich mit der neuen Präsenz, dass die, die es noch nicht kennen, dann dadurch, dass es jetzt Berlin-weit gemacht wird, auch andere motivieren oder in vielen Bezirken dran teilzunehmen. Und bis jetzt sieht es ganz gut aus."
Sport- und Bewegungskurse auf öffentlichen Grünflächen haben Konjunktur. Ob in Stuttgart, Hannover oder Mannheim: "Sport im Park"-Angebote gibt es mittlerweile bundesweit in rund 40 Kommunen. Im Triftpark stehen an diesem Abend zwölf Frauen und vier Männer auf der Wiese im Kreis. Die meisten gehören zur Altersgruppe 50 plus.
"Ihr alle wisst, dass es heute sehr warm ist. Es sind leichte Temperaturen über 20 Grad, (Gelächter) vielleicht sogar über 30 Grad und heute auch extra kein Wind, das bedeutet für euch: Langsam. Wenn ihr merkt, euch wird schwindelig, wenn ihr Kopfschmerzen kriegt, wenn ihr komische Sachen in den Augen seht, die Bälle sind oder irgendwelche Mitspieler, dann zurücknehmen, Pause machen. Ihr seid herzlich willkommen mitzumachen, aber ganz ruhig."
Ein Ehepaar ist unter den Parkbäumen am Rand der Wiese stehen geblieben, schaut herüber. Jens fordert sie auf, mitzumachen:
"Wir sprechen auch Englisch! Wir sprechen Deutsch, wir sprechen Französisch und wahrscheinlich noch ein paar andere Sprachen…"
Das Ehepaar, beide Rentner, will sich heute nur informieren, es hat letztes Jahr schon teilgenommen:
"Beim Energie-Dance und Tretroller-Fahren und das hat mir unheimlich gut gefallen. Das war super. Er: Heute haben wir nicht so viel Zeit. Sie/Er: Wir gucken uns das an, weil wir das nicht wussten…"
Nächste Woche, da sind sich die beiden einig, werden sie mitspielen:
"Ich würde auch etwas dafür bezahlen. Aber ich finde, dass man sehr viele Kontakte schließen kann. Und das ist für Leute, die alleine sind und so, dass das eine ganz tolle Sache ist."

Koordinationstraining für Körper und Kopf

Auf der Wiese beginnt derweil das Aufwärmtraining. Jens hält einen blauen Gymnastikball in der Hand. Hinter ihm, auf dem Boden liegen noch weitere.
"Also das Spiel ist ganz einfach… ich zeig's: Ich werfe jetzt zu Robert, ich merke mir, dass ich zu Robert werfe. Ihr lasst alle die Hände vorn. Robert wirft jetzt zu irgendjemanden – zu Balthasar. Robert merkt sich Balthasar und Robert nimmt die Hände nach hinten…"
Was mit einem Ball gut funktioniert wird bei drei, vier und fünf Bällen, die Jens nach und nach ins Spiel bringt, schnell herausfordernd. Koordinationstraining für Körper und Kopf.
Während im Triftpark die Bälle hin und her fliegen, baut Trainier Julian im Lietzenseepark in Berlin-Charlottenburg sein Zirkeltraining auf. Er breitet zwei dünne Matten auf der Wiese aus. Ein Stück weiter entrollt er faltbare Plastikleitern.
"Hier haben wir zwei Koordinationsleitern. Ihr könnt gerne schon euch warm laufen gehen..."
Die neu Ankommenden traben gleich los. Julian platziert zwei sog. "Tubes" im Gras – kurze, starke Gummiringe.
"Ich weiß noch, dass ich selbst mit einem befreundeten Personal-Trainer vor cirka fünf Jahren gesprochen hab, da waren wir im Park und haben trainiert und wurden angeguckt, als wären wir im Zoo. Und ich glaube, das ist jetzt ein viel gängigeres Bild und wir haben uns gewundert, dass das keiner macht. Ich war persönlich viel in Asien, da machen die teilweise Tai Chi auf'm Mittelstreifen zwischen großen fahrenden Autos, also da war das Bild ein bisschen gängiger."
Dass "Sport im Park" im Trend liegt, entdecken auch immer mehr kommerzielle Anbieter und nutzen die großstädtischen Grünanlagen als Trainingsareal – zumeist kostenlos.
Julian blickt kurz auf seinen Spickzettel, nickt zufrieden. Der Zirkel ist fertig. Zum Schluss stellt er einen mobilen Lautsprecher in die Mitte. Katrin, Silke und die anderen haben inzwischen ihre Laufrunden auf den Spazierwegen gedreht.
Kurzes Warten auf die zwei fehlenden Teilnehmerinnen. Sie nutzen noch schnell die Toilette des nahe gelegenen Park-Cafés. Dann stellen sich alle im Kreis auf:
"Und als erstes beginnen wir unser Sprunggelenk zu lockern, dafür stellen wir uns auf einen Fuß. Den anderen heben wir an und drücken uns mal hoch auf die Zehenspitzen und senken uns wieder ab."
Auf der unebenen Wiese ist es gar nicht so einfach, auf Zehenspitzen die Balance zu halten.
Kristi und Britta tragen dünne Sport-Handschuhe als Schutz gegen Kronkorken, Kot oder Kälte. Julian steuert mit seinem Smartphone den Lautsprecher an, die 15-minütige Aufwärmphase ist noch nicht vorbei.
Kniehebelauf, Mountain-Climber, Ausfallschritte: acht verschiedene Übungen, jede 20 Sekunden lang, dazwischen jeweils 10 Sekunden Pause. Die sechs Frauen zwischen 30 und Anfang 50 lachen und schnaufen. Zwei bis drei Mal die Woche trainieren sie hier oder in anderen Berliner Parks.
"Seid ihr warm?"
Durstig sind auch die Mücken, die die erhitzten Sportlerinnen jetzt umschwirren.

Militärischer Drill ist nicht so cool

"Das war ja letzten Sommer so mega, da hat es ja so viel geregnet, ohne Mückenspray konnte man eigentlich kein Camp durchführen".
"Camp" oder in der langen Version: "Bootcamp" – damit meint Julian das Training hier. Den Namen assoziiert man eigentlich mit US-amerikanischem Militär oder Strafvollzug. Julian nickt:
"Daran hab ich auch gedacht, als ich es zum ersten Mal gehört hab, was mich persönlich eher abschreckt, weil ich diesen militärischen Drill gar nicht so cool finde, nee, es ist high intensity und bisschen motivieren und sowas tun wir auch, aber schreien und Kopf in Schlammpfützen stecken – passiert mal, wenn das Wetter nicht so gut ist, dass man bisschen schmutzig wird, aber das hat mit dem Knastding nichts zu tun."
Bootcamps werden via Internet offeriert und organisiert. Es gibt eine ganze Reihe von kommerziellen Anbietern, ihnen allen ist gemein: Trainiert wird in Parks oder auf anderen Grünflächen. Genutzt wird das eigene Körpergewicht oder transportable Fitnessgeräte. Eine Stunde kostet um die zehn Euro. Julian erklärt kurz die einzelnen Stationen des Zirkels, dann geht das eigentliche Training los, immer zu zweit an einer Station.
Auf der Matte sitzen sich Britta und Katrin gegenüber und machen Situps, bei denen sie einen schweren Ball mit ausgestreckten Armen halten und übergeben. An der Koordinationsleiter springen Kristie und Nicky aus der Kniebeuge heraus durch die Kästchen der Leiter. 60 Sekunden extreme Belastung, 15 Sekunden Pause für den Stationswechsel. Das ist der Rhythmus.
Von einer Parkbank aus beobachtet ein älteres Paar das Training. Katrin stört sich nicht an den Zuschauern. Sie trainiert seit zwei Jahren hier im Park.
"Manchmal sind es auch so ältere Herrschaften, die einen so ein bisschen verwirrt anschauen, weil die denken: Was machen die denn da? Aber an sich – ich finde, das nimmt man auch nicht mehr so wahr."
Alle Teilnehmerinnen wohnen gleich um die Ecke. Das Training liegt quasi auf dem Nachhauseweg vom Büro.
"Es ist auch schöner, draußen zu sein, wenn man irgendwie den ganzen Tag gearbeitet hat. Weil man ist so wenig draußen und ich finde auch im Winter ist es okay, man muss sich kurz überwinden, aber wenn man es gemacht hat und man genug an hat, dann ist das fein. – Andere: Erst fluchst du, aber wenn du da bist, dann hinter sagst du: Ach, das war echt gut. – Katrin: Und eigentlich ist einem nie kalt, man muss nur genug anziehen. Das einzige ist, wenn es richtig regnet oder mal ein Gewitter kommt jetzt im Sommer. Aber in zwei Jahren war's vielleicht drei Mal so richtig wüst und einmal haben wir abgebrochen wegen Gewitter. Das geht echt. Das regnet gar nicht so viel in Deutschland."
Die Teilnehmerinnen vermissen weder Spind noch Dusche.
"Das einzige, was man sich wünschen könnte, dass die Leute ein bisschen mehr auf den Park achten. Weil man irgendwie schon sehr zu schätzen weiß, wenn da keine Kronkorken auf der Wiese liegen und man nicht in Scherben fasst und nicht in Hundekacke."

Beim Yoga störte die Musik

Dass andere Park-Besucher sich beschweren, weil sie sich gestört fühlen durch das sportliche Treiben, hat Trainer Julian bislang erst einmal erlebt.
"Da hat sich eine Dame – und die Wiese war sonst leer – neben uns gesetzt und hat dann nach zehn Minuten gefragt, ob wir nicht die Musik ausmachen könnten, weil sie jeden Morgen dort sitzt und Yoga macht. In dem Fall fand ich's nicht so gut, weil die Wiese so groß war und wir vorher da waren und ich das Camp schon seit anderthalb Monaten gegeben habe, immer zur selben Zeit und sie noch nie da war."
Im Triftpark im Berlin-Reinickendorf verteilt Trainer Jens Hockey-Schläger, an jedes Paar einen. Dazu einen kleinen Gummiball.
"Ihr stellt euch gegenüber, Abstand fünf Meter, der eine schlägt, der andere wirft. Das Spannende an der Geschichte, es funktioniert nicht …"
Hockey- und Badminton-Schläger, Feder-, Gummi-, Gymnastikbälle – all das hat Jens in den Park geschleppt. Aber nicht, um Feldhockey oder Federball zu spielen:
"Wir sind ein bisschen kreativer, die Leute sollen gefordert werden, das soll ein anderer Anspruch sein, als immer nur das Gleiche zu machen. Sie sollen einfach die Herausforderung haben, was Neues auszuprobieren, neue Bewegungen auszuprobieren und vor allem: Keiner kann das."
Spaß und Bewegung statt Regeln und Punkte. Sport im Park, für Trainer Jens bedeutet das aber auch: flexibel sein. Das Training an die aktuellen Witterungsbedingungen anpassen. Gerade auch mit Blick auf das Alter der Teilnehmer:
"Das heißt für uns definitiv, wenn's regnet, dann machen wir Dinge, wo wir nicht so viel laufen, weil wir sonst ausrutschen. Wenn es zu heiß ist, dann laufen wir auch nicht so, aber dann können wir auch bisschen Koordination reinbringen. Und wenn das Wetter perfekt ist, dann machen wir alles."
Der 76-jährige Balthasar lüftet seine weiße Schirmmütze, wischt sich die Schweißperlen ab. Er will auch am nächsten Tag wieder dabei sein. "Fit & gesund light" heißt der Kurs am Dienstag früh auf der Wiese vorm Reinickendorfer Rathaus:
"Morgen ist das in meiner Nachbarschaft! Morgen kann ich vom Balkon runtergucken, da ist es auf der nächsten Wiese, da bin ich sowieso da. Das ist mehr Gymnastik, mehr Strecken, mehr Dehnen, mehr für den Bauch und so 'ne Sachen."

Vereine wollen die Schiene nicht verpassen

"Wir finden halt auch, dass die Vereine sich weiter entwickeln müssen. Und wir glauben, dass wenn wir jetzt nicht aufsteigen und diesen Trend mitnehmen, draußen Sport zu machen, dann werden wir als Verein einfach diese Schiene verpassen, also da stehen wir und schauen zu, wie die kommerziellen Anbieter dieses Gebiet übernehmen, und das wäre ja schade, wenn wir als Vereine da nicht eingreifen würden."
Elke Duda, die Managerin des TSV Wittenau. Deshalb bietet der Sportverein in diesem Jahr wieder 21 verschiedene Draußen-Kurse an. Sport im Park, für Elke Duda ist das ganz klar auch eine Möglichkeit, den TSV Wittenau bekannt zu machen:
"Und im letzten Jahr haben wir ungefähr – also man kann es nicht so 100-prozentig sagen, ob die Leute auch ohne 'Sport im Park' zu uns gekommen wären, aber wir schätzen, dass wir 50 bis 60 neue Teilnehmer in unseren Kursen hatten, die durch 'Sport im Park' aufmerksam auf uns geworden sind."
Zielgruppe sind ganz klar jene, die auf der Couch sitzen und gar nichts machen, sagt Duda. Deshalb sind alle Angebote niedrigschwellig, als "Ausrüstung" reichen Turnschuhe und legere Kleidung. Die Parksport-Kurse auf die Beine zu stellen, das war für den Verein schon eine kleine Herausforderung:
"Wir haben die Teilnehmer versichert, über eine Generalversicherung eine Unfallversicherung. Wir haben mit den Grünflächenämtern Genehmigungen eingeholt und Absprachen, wie Wiesen gemäht werden und solche Dinge, getroffen. Wir haben mit den Übungsleitern kleine Pläne gemacht, wer welche Geräte wann übergibt. Wir haben erstmal die Geräte alle bestellt, dass wir eben so einen Fundus haben. Das war im letzten Jahr ein ganz guter logistischer Aufwand, aber das spielt sich ein."
Die Zusammenarbeit mit dem Bezirk und insbesondere dem Grünflächenamt, das für die Pflege der Parks zuständig ist, klappe hervorragend, betont Duda. Sie weiß aber auch: Das ist nicht überall so. Andernorts gibt es durchaus Bedenken, dass der Nutzungsdruck zu groß wird. Die Erfahrungen des TSV Wittenau sind jedoch so gut, dass man jetzt noch einen Schritt weitergehen will:
"Wir denken auch gerade darüber nach, ob wir so eine Outdoor-Abteilung eröffnen, wo wir ganz viele Outdoor-Angebote das ganze Jahr über anbieten, aber für unsere Mitglieder."

Der Mama-Lauf mit Kinderwagen

Der organisierte Sport muss sich dem Draußen-Bedürfnis der Menschen öffnen, unterstreicht auch der Präsident des Landessportbunds Berlin, Klaus Böger:
"Auch wir können daraus etwas lernen: Mehr Flexibilität bei Sportvereinen, mehr Angebote im Park machen. Was machen die denn? Heute hab ich gelesen: Mama-Lauf. Das ist nicht von mir, ja. Da treffen sich Mütter mit Kinderwagen und joggen durch den Park. Dann stellen die ihre Wagen ab und dann ist eine Fitness-Trainerin da und macht Gymnastik. Ist doch toll."
Doch als – wie er selbst formuliert – "geplagter Sportpolitiker" möchte Böger auch warnen. Die Park-Sport-Angebote der Kommunen sollten die Politik nicht verleiten, weniger in die Sport-Infrastruktur zu investieren:
"So positiv diese Bewegung ist – alles toll, nur das kann nicht wegwischen die Unterausstattung in städtischer Infrastruktur. Die teuerste Infrastruktur sind Schwimmbäder, man braucht auch Hallenbäder, man braucht auch Sporthallen für Schulen und Vereine, die brauchen Sie nach wie vor."
Derzeit finden die meisten Parksport-Angebote in bestehenden Grünanlagen statt. Wie aber ein Park aussehen könnte, der von vornherein als Bewegungspark angelegt ist, das zeigt der Hamburger Stadtteil Wilhemsburg.

Toben auf der Parksportinsel

"Phillip, nicht bei uns bitte, geh mal weiter zurück, nicht hier."
Phillip und sein Bruder planschen im knietiefen Wasser eines trapezförmigen Beckens. Ihre Mutter ermahnt die Jungs, lehnt dann wieder entspannt an einer Betonstufe und schiebt die Sonnenbrille zurück ins Haar.
"Das ist wirklich wie kleiner Urlaub, also wirklich, glauben Sie mir… Wenn ich jetzt in Altona wohnen würde oder Barmbek, Spielplätze gibt's da, aber nicht so etwas."
"So etwas" – damit meint die Mittdreißigerin nicht nur das Becken mit den kleinen Fußballtoren, den sogenannten Wasser-Fußballplatz, durch den ihre Jungs toben, sondern die gesamte Parksportinsel hier in Hamburg-Wilhelmsburg:
"Also Hochseilgarten hat Phillip ausprobiert, das ja, er war heute schon drauf, am Wochenende gibt es im ommer ja diese Angebote. Dass hier so Frisbee et cetera, das machen wir auch gerne. Wir waren noch nicht die Kletterwand, das ist einfach noch nicht so unsers, aber ansonsten, das was so mehr im Freien ist, das machen wir auch."
Angebote wie Yoga oder Laufgruppen konnte sie bisher nicht wahrnehmen, bedauert die Mutter. "Ich bin mit den Jungs allein", fügt sie erklärend hinzu. Trotzdem: Ihre kleine Familie liebt den Park und seine sportlichen Angebote.
Beate Wagner-Hauthal zieht ein Schlüsselbund hervor. Die Geschäftsführerin des Vereins "Parksportinsel" steuert auf eine Art überdimensionierte Blechdose zu. Das Häuschen steht gleich neben einem großen Spielfed. Über dessen roten Tartan-Boden treibt ein Dutzend Jugendlicher einen Basketball. Hinter der Tür ein Raum voller Regale. Darin stapeln sich Sportgeräte:
"Wir haben hier Mini-Tore, wir haben Disc-Golf-Körbe. Wir haben Wikinger-Schach, wir haben alle möglichen Formen von Bällen, die man nutzen kann. Wir haben hier eine große Tasche mit Rückschlag-Spielen. Wir haben Frisbee, wir haben Longboards mit Schutzausrüstung und wir haben hier sechs Lernräder, sechs Lernroller, sodass wir auch hier unsere Radfahrschule laufen lassen können. Fitness-Geräte. Wir haben jetzt Yoga-Matten."

Relaxen mit der ganzen Familie

All das kann sonntags kostenlos gegen ein Pfand bei den sog. "Parksport-Piloten" ausgeliehen werden. Das sind eine Handvoll junger Leute, die die Parkbesucher animieren sollen, sich zu bewegen. Beate Wagner-Hauthal schließt wieder ab. Blickt dann über das Basketballfeld hinweg auf die Außenwand der Kletterhalle. In schwindelerregender Höhe hangelt sich eine Frau die letzten Griffe nach oben. Beobachtet von Kindern und Erwachsenen, die ein Stück weiter auf einer Decke picknicken.
"Gerade dieses Relaxte, dass die ganze Familie sich hier aufhalten kann, also, dass nicht nur der Sporttreibende zwei Stunden Sport macht und nach Hause geht, sondern man kommt hier, die Familie ist mit und danach geht man hier nochmal hin – so einen sportiven Tag gemeinsam zu verbringen, das ist eigentlich der Spirit, den wir hier haben".
Geplant im Rahmen der Internationalen Gartenschau 2013 soll der Inselpark den Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg aufwerten. Zuvor war das Gelände eine Industriebrache. Wo früher Schiffscontainer vor sich hin rosteten, sprießt heute das Grün.
Wagner-Hauthal führt weiter durch die sogenannte "Welt der Bewegung", den sportiven Teil des Inselparks. Familien schieben Buggys, an denen Schwimmreifen, Bälle und Picknicktaschen hängen. Kinder fahren Laufrad, Scooter oder Skatboard. Erwachsene sind auf Rennrädern oder Rollerblades unterwegs. Die Wege sind fünf Meter breit und gut asphaltiert. Beate Wagner-Hauthal biegt nach rechts, deutet auf einen Hügel hinauf, auf eine schiefe Ebene, auf der unterschiedlich dicke Seile auf dem Boden vertäut sind.
"Das ist hier ein Garten, der heißt "In Balance" und das ist ganz niedrigschwellig einfach eine Gelegenheit, um sein Gleichgewicht herauszufordern, für kleine Kinder, aber auch für ältere, kann man hier eben auf den Seilen und den verschiedenen schiefen Ebenen balancieren, das ist die Idee von dem ganzen Garten."
Ein Stück weiter findet sich eine kleine Zirkusmanege und eine Skater-Anlage. Der Inselpark wird vom Bezirk Hamburg Mitte verwaltet. Und vom Verein "Parksportinsel" e.V. "bespielt". Es sind sowohl Sportvereine als auch kommerzielle Anbieter wie die Kletterhalle, der Hochseilgarten oder die Schwimmhalle vertreten.
"Ich nenn sie immer gewerblich, weil man bei kommerziell immer denkt – oh, die verdienen eine Mörder-Mark! Also, es sind gewerbliche und es sind Vereine und das gemeinsame Ziel ist eben, möglichst niedrigschwellig und leicht zugänglich Sport zu machen für die Menschen, die hier im Stadtteil wohnen und die aus Hamburg kommen."
Sport-Angebote, die man sich auch ohne dicken Geldbeutel leisten kann, denn der Stadtteil Wilhelmsburg gilt als eher sozial schwach. Der Verein "Parksportinsel" ist deshalb auch auf Sponsoren und Spender angewiesen.
"Und wenn man sagt: Öffentlicher Park, dann heißt das, das ist für alle Menschen zugänglich und genau das Gleiche wünsche ich mir auf der Ebene des Sports, dass das für alle zugänglich ist und das heißt auch bezahlbar. Und sehr hochpreisige, kommerzielle Angebote, die wir in den Parks haben, sind eben nicht für alle zugänglich. Und wir versuchen sozusagen, dieses Spektrum anzubieten, nämlich zugänglichen, bezahlbaren Sport für alle."

Räume, wo man seine Ruhe haben kann

Natürlich kommt es im Park manchmal zu Nutzungskonflikten. Grillen etwa ist auf einen bestimmten Bereich beschränkt. Und dass mancher Hundebesitzer die Beachsport-Anlage mit einem Hundeklo verwechselt – da kann Wagner-Hauthal nur fassungslos den Kopf schütteln. Für sie ist "Sport im Park" ein Trend, der sich weiter durchsetzen wird:
"Ich finde, in jedem Park muss es auch Räume geben, wo man einfach seine Ruhe haben kann. Wo man auch das Grün einfach genießt. Und gleichzeitig muss man diesem anderen Anspruch aktiv seine Freizeit zu gestalten, auch nachkommen. Dieser Park zum Beispiel ist so groß, dass es hervorragend auch möglich ist. Und da, wo Räume kleiner sind, glaube ich aber, ist es auch gut, wenn es Akteure gibt wie uns oder andere, die das auch moderieren und versuchen, ordnend in diesem Raum zu sein, weil es einfach nun mal so ist: Wir sind immer mehr Menschen in den Ballungsräumen und das geht darum, mit den Flächen, die wir haben, auch gemeinsam vernünftig umzugehen."
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