Bonn

Am Rande der Pleite

Von Alois Berger · 17.11.2014
Als Bonn noch Bundeshauptstadt war, bekam die Stadt üppige Bundeszuschüsse. Doch dieser Status ist schon lange weg. Und heute hat die Stadt einen enormen Schuldenberg angehäuft. Trotzdem fällt das Sparen den Bonnern schwer.
Karnevalsauftakt vor dem Bonner Rathaus. Seit dem 11.11. sind sie im ganzen Rheinland wieder unterwegs, die Festausschüsse und die Elferräte, die Funkenmariechen und die Karnevalsprinzen.
"Alaaf zusamme, ich Jürgen Römer, geboren im wunderschönen Bonn am Rhein, ich darf euer nächster Prinz Karneval sein. Super."
Die nächsten drei Monate wird das Bonner Prinzenpaar Tag und Nacht unterwegs sein, denn irgendeiner der 69 Bonner Karnevalsvereine feiert immer und wartet auf die beiden. Seit über 400 Jahren gehört der Karneval in Bonn einfach zum Winter dazu. Die Stadtsoldaten in ihren rot-weißen Uniformen und die Tanzmariechen in ihren kurzen Röckchen sind meist schon vormittags auf dem Weg zu irgendwelchen Terminen und im Stadtbild nicht zu übersehen. Einer der Höhepunkte des Bonner Karnevals wird dann der 12. Februar sein, wenn die Wäscherinnen von Beuel wie jedes Jahr an Weiberfastnacht das Rathaus stürmen.
Doch was sie dort vorfinden werden, das ist gar nicht lustig. Im Bonner Rathaus hat der Kater dieses Jahr lange vor dem Karneval eingesetzt. Bonn hat 1,7 Milliarden Euro Schulden angehäuft, jedes Jahr kommen 100 Millionen Miese dazu. Für eine Stadt mit gerade einmal 320.000 Einwohnern ist das eine gewaltige Summe. Bonn hat viel zu lange über seine Verhältnisse gelebt, räumt Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch ein:
"Bonn XXL, damit ist jetzt Feierabend."
Steuern rauf, Ausgaben runter, fordert Nimptsch, Bonn muss sparen, drastisch sparen. Wenn Bonn nicht in den nächsten Monaten einen konkreten Plan vorlegt, wie die Stadt ihren Haushalt in den Griff bekommt, dann droht die Entmündigung. Dann wird die Landesregierung bald einen Sparkommissar schicken, der bestimmt, wofür Bonn noch Geld ausgeben darf und wofür nicht.
Noch kurz vor dem Karnevalsauftakt hat der Oberbürgermeister eine Giftliste vorgelegt, was alles geschlossen werden müsste, darunter Schwimmbäder, Sportplätze und Büchereien. Außerdem Abstriche bei den Ganztagsschulen, bei Konzerten, bei der Bürgerberatung.
Doch so richtig ernst scheinen das die Bonner nicht zu nehmen. Im Foyer der Kammerspiele, die auf der Streichliste ganz oben stehen, hat noch schnell ein neues Café eröffnet.
Seit gut vier Jahren versucht der Sozialdemokrat Nimptsch die Stadträte zum Sparen zu bewegen. Bislang ohne Erfolg, selbst seine eigene Partei weicht dem Problem lieber aus. Die Sparvorschläge des Oberbürgermeisters werden von allen Parteien abgelehnt. Dabei hat Bonn durchaus Luft im Haushalt. Bonn ist eine wohlhabende Stadt mit vielen wohlhabenden Bürgern. Bonn gibt fast doppelt so viel Geld für Kultur aus wie Städte vergleichbarer Größe. Bonn hat auch mehr Schwimmbäder, mehr Sportplätze, mehr Gymnasien.
"Wir haben nach dem Zweiten Weltkrieg eine schöne Aufgabe übernommen und wurden Bundeshauptstadt, damit war verbunden, dass Geld immer floss. Wenn der Stadtrat sagte, wir hätten gern, wir brauchen noch, ist das durch Zuschüsse des Bundes geregelt worden. So haben wir ganz viele Bauten erhalten und auch eine Infrastruktur, die eine Stadt mit 320.000 Einwohnerinnen und Einwohnern normalerweise nicht hat. Das gilt für die U-Bahn, das gilt für die Verkehrsinfrastruktur, das gilt für die Kulturlandschaft und vieles andere mehr."
Tief sitzendes Gefühl, ungerecht behandelt zu werden
Bonn ging es bestens. Doch dann fiel in Berlin die Mauer, und zwei Jahre später beschloss der Deutsche Bundestag, den Sitz von Parlament und Regierung nach Berlin zu verlegen. Das ist zwar fast ein Viertel-Jahrhundert her, aber der Stachel sitzt immer noch tief.
Die Abstimmung fand in Bonn statt, getroffen von Abgeordneten, die oft einen Großteil ihrer Politikerzeit in Bonn verbracht hatten. Viele Bonner Bürger empfanden das damals als Verrat an ihrer Stadt, die den Abgeordneten doch solange Heimat war, die sie doch so gut bewirtet und die sich doch als Hauptstadt bewährt hatte. Dass die Entscheidung für Berlin damals nur mit hauchdünner Mehrheit fiel, das hat bei vielen Bonnern den Eindruck verstärkt, dass der Regierungsumzug nicht wirklich nötig gewesen wäre. Klaus-Peter Gilles, der Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten im Stadtrat, hadert noch immer mit dem Schicksal:
"Es gab damals gute Kombimodelle, dass man den Apparat in Bonn lässt, dass man bestimmte Funktionen in Berlin wahrnimmt, diese Überlegungen hätte man auch durchaus umsetzen können."
Im Rest der Republik ist das Thema längst Geschichte. In Bonn bluten die alten Wunden weiter. Das liegt auch am Berlin-Bonn-Gesetz, mit dem der Bundestag damals eine faire Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin festgeschrieben hat. Sechs Ministerien haben deshalb nach wie vor ihren Hauptsitz am Rhein. Die Minister, etwa für Verteidigung, für Umwelt oder für Entwicklungshilfe sitzen mit ihren wichtigsten Beamten in Berlin, 7000 Mitarbeiter aber leben und arbeiten weiterhin in Bonn. Das Berlin-Bonn-Gesetz sollte Bonn den Abschied von der Hauptstadtfunktion erleichtern, im kollektiven Bewusstsein der Bonner aber hat es den Anspruch zementiert, auf alle Ewigkeit ein bisschen Hauptstadt zu bleiben.
Für Ministerien ist es nicht besonders praktisch, an zwei weit entfernten Standorten zu arbeiten. Deshalb holen die Minister zunehmend ganze Abteilungen nach Berlin. Rutschbahneffekt nennen die Bonner das, und protestieren. CDU-Mann Gilles pocht auf das Berlin-Bonn-Gesetz:
"Vom Bürger wird Gesetzestreue verlangt, also würde ich das auch von allen anderen Akteuren, insbesondere von Politikern in Berlin verlangen, dass sie gesetzestreu handeln. Darum geht es."
Vielleicht ist es dieses tief sitzende Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, dass es Bonner Politikern und auch Bonner Bürgern so schwer macht, mit der neuen Realität zu Recht zu kommen. Dabei bekam die alte Hauptstadt eine ganze Reihe von Ausgleichsmaßnahmen zugesprochen. Elf Bundesbehörden, vom Rechnungshof bis zum Kartellamt, wurden an den Rhein verlegt. Wichtige Forschungseinrichtungen wurden nach Bonn gelotst und die Konzernzentralen der ehemaligen Staatsbetriebe Post und Telecom wurden gezielt dort aufgebaut, wo die Regierung Lücken hinterlassen hat. In den früheren Abgeordnetenbüros arbeiten zudem heute Mitarbeiter der Vereinten Nationen. Auf Drängen der Bundesregierung hat die UNO mittlerweile 18 Sekretariate nach Bonn verlagert. Mehr als 1000 Mitarbeiter beschäftigen die Vereinten Nationen am Rhein, Bonn gilt offiziell als UNO-City.
Seit dem Abzug der Regierung ist die Zahl der Arbeitsplätze in Bonn sogar gestiegen. Doch all die Ausgleichsmaßnahmen bringen zwar Jobs und Prestige, aber nicht viel Geld, klagt Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch. Selbst Telekom und Deutsche Post würden kaum Gewerbesteuer bringen:
"Weil natürlich jedes Unternehmen, auch die beiden großen, jedes Unternehmen sich steuerlich so aufstellt, wie es für sie vorteilhaft ist. Die haben viele, viele, viele Standorte, auch die beiden großen, die zahlen nicht nur in Bonn, sondern an vielen, vielen, vielen Standorten, deshalb kommt bei uns auch wenig, wenig, wenig an."
Ihren Humor lassen sich die Bonner nicht nehmen. "Es kommt, wie es kommt", sagen sie im Rheinland, und: "Es ist noch immer gut gegangen". Schließlich müsste man schon seit 15 Jahren sparen, solange ist die Regierung nämlich schon weg. Solange schon fehlen die 60 Millionen im Jahr, die früher aus der Bundeskasse kamen. Aber ein bisschen gespart hat man ja, ein paar Millionen bei der Oper, ein paar Hunderttausend im Sport. Außerdem gab's immer noch einige Millionen aus der Bundeskasse an Übergangsgeld, wirklich Schluss mit dem Geldsegen ist erst seit fünf Jahren. Seitdem macht Bonn jedes Jahr 100 Millionen Euro neue Schulden, das sind zehn Prozent des Bonner Haushalts. Tendenz steigend.
Der CDU-Stadtrat Klaus-Peter Gilles hat in diesen fünf Jahren im Rathaus eine schwarz-grüne Koalition angeführt, die jeden Sparvorschlag des Oberbürgermeisters sofort zurückwies. In Nordrhein-Westfalen werden Bürgermeister und Stadträte getrennt gewählt. In Bonn steht deshalb ein sozialdemokratischer Oberbürgermeister einer schwarz-grünen Ratsmehrheit gegenüber. Wenn der Stadtkämmerer warnt, die Finanzen liefen aus dem Ruder, dann zweifeln Schwarz und Grün seine Zahlen an. Wenn der Oberbürgermeister vorschlägt, ein Schwimmbad oder ein Theater zu schließen, dann eiert seine SPD herum, die CDU sagt, das sei unnötig und die Grünen fordern, der OB solle erst einmal eine kreativere Lösung suchen.
CDU-Fraktionschef Gilles auf die Frage, warum er in fünf Jahren Rekordverschuldung nie die Notbremse gezogen hat: "Schauen sie sich um auf anderen Politikebenen. Die Frage können Sie überall an jedem Ort stellen. Und zeigen Sie mir das Bundesland, zeigen Sie mir die Stadt, die vergleichbare Stadt, wo man wirklich schon vor 15 Jahren mit dem radikalen Sparen begonnen hat."
Kulturkampf um die Oper
300 Meter östlich vom Rathaus, unten am Rheinufer, steht der Stolz mancher Bonner – und das größte Problem der Stadt. Knapp 28 Millionen Euro überweist die Stadt jedes Jahr für Oper und Stadttheater, dazu kommen noch 7,5 Millionen für das Beethoven-Orchester, das die Opernaufführungen begleitet.
"Bonn ist die ehemalige Hauptstadt, wir haben noch Diplomaten hier und es wäre eine Schande, wenn wir kein kulturelles Zentrum mehr hätten. Und Bonn ist immer noch Bundesstadt."
"Also für mich ist es schon sehr wichtig, weil die Oper hier in der Nähe ist und ich nicht weit fahren muss."
"In der Beethovenstadt ist es sehr wichtig, ein gutes Opernhaus zu haben."
Doch da sind sich nicht mehr alle Bonner sicher. Um die Oper ist ein Kulturkampf entbrannt. Seit die Stadt angekündigt hat, dass sie überall ein bisschen sparen will, seitdem hat die Bonner Oper viele Feinde. Sportvereine meutern gegen die Kulturlastigkeit, Eltern fürchten, dass die Preise für Kindertagesstätten und Ganztagsschulen steigen, und selbst die kleinen Theater protestieren, dass bei ihnen gestrichen wird, während die Oper zwei Drittel des Kulturetats der Stadt verschlinge.
Die Freunde der Bonner Oper sind zusammengerückt. Die Oper sei nun einmal teuer, meint diese Frau im Opernfoyer:
"Die Oper muss bei einem Opernabend mit mindestens 150 Personen verlebendigt werden. Das ist natürlich kostenträchtig. Aber die Oper ist ein großes Erbe und sie muss ja auch lebendig gehalten werden. Das ist sozusagen eine staatliche, städtische Aufgabe, sie lebendig zu halten."
Seit gut einem Jahr hat die Bonner Oper einen neuen Generalintendanten. Der Vorgänger war zurückgetreten, weil er es als Zumutung empfand, dass er in den nächsten Jahren zehn Prozent weniger Geld ausgeben sollte. Bernhard Helmich sieht sich selbst als Sparintendant. Zweieinhalb Millionen hat er schon weggekürzt, die nächste Million werde er auch noch finden, hofft er. Helmich hat vorher an den Schauspielhäusern in Trier und Bielefeld gearbeitet, in Dortmund, in Leipzig und in Chemnitz, lauter Städte, in denen die Kultur mit deutlich kleinerem Budget auskommen muss als in Bonn. Er mache sich keine großen Sorgen, meint Helmich, auch wegen des Publikums:
"Wir haben ein unheimlich großes und sehr, sehr treues Publikum. Das ist viel mehr als in vergleichbaren anderen Städten. Das liegt natürlich auch daran, dass Bonn eine sehr bürgerliche Stadt ist, eine Stadt mit einem sehr hohen Akademikeranteil."
Der Generalintendant ist sich nicht nur der Unterstützung des Bildungsbürgertums, sondern auch der Stadträte sicher. Als der Oberbürgermeister vor ein paar Monaten wieder seine alte Idee einer Opernfusion auf den Tisch legte, da wurde der sonst so leise Bernhard Helmich laut. Zwar sind es von Bonn nach Köln tatsächlich nur dreißig Kilometer, aber eine gemeinsame Oper mit Köln, das können sich weder die Bonner, noch die Kölner Stadträte vorstellen. In einem Interview nannte der Opernintendant den Bonner Bürgermeister einen "einsamen Sektierer auf einem sinnlosen Kreuzzug". Aus den Kulturkreisen bekam der Intendant dafür viel Beifall und selbst im Stadtrat stand niemand auf gegen diese wohl kalkulierte Unverschämtheit.
Fünf Mal mehr Geld für Kultur als für den Sport
Doch die Gefahr für die Oper geht ohnehin nicht vom Stadtrat aus, sondern von den Bolzplätzen der Stadt:
Sieben Uhr abends an der Wittestraße. Die Mädchenjugend der JSG-Beuel spielt gegen den FC Pech. Das Flutlicht spiegelt sich in den riesigen Pfützen.
Jugendtrainer Willi Bell feuert seine Mädchen an, erinnert sie daran, dass der Ball in den Pfützen hängen bleibt. Er schimpft auf die Stadt, die das Geld lieber für Oper und Beethovenhalle ausgebe.
"Die braucht ja auch jeder. Die sollen mehr für die Jugend machen, bessere Plätze bauen und alles. Guck mal, wie der Platz aussieht hier. Viele gehen weg zu einem anderen Verein, der Kunstrasen hat. Niederkassel, Mondorf. Dat merkt man hier im Verein, ganz klar. Da machen die sich keine Gedanken darüber. So gehen die Vereine kaputt."
Bei Auswärtsspielen in den Dörfern und Kleinstädten rund um Bonn lernen die Bonner Mannschaften schöne Fußballfelder kennen, oft Gras, noch öfter Kunstrasen. Zuhause dagegen spielen viele Vereine auf schlammigen Ascheplätzen wie in der Wittestraße. Bis vor drei Jahren haben sie das klaglos akzeptiert, aber dann kündigte die Stadt an, für diese Äcker auch noch Nutzungsgebühr zu verlangen. Das war dann zu viel. 13 Vereine schlossen sich zur Initiative "Pro Sportstadt Bonn zusammen". Und die hat ausgerechnet, dass Bonn fünfmal so viel Geld für Kultur ausgibt wie für alle Schwimmbäder und Sportplätze zusammen, und dass jede einzelne Opernkarte mit 170 Euro von der Stadt bezuschusst wird.
Achim Dehnen von "Pro Sportstadt Bonn": "Tatsache ist, dass die Oper von rund 200.000 Besuchern im Jahr genutzt wird. Das heißt, bezogen auf die Region: Jeder fünfte Einwohner dieser Region geht einmal im Jahr in die Oper. Wenn Sie im Vergleich dazu den Sport sehen, dann haben wir allein in Bonn etwa elf Millionen Nutzungen im Sportbereich. Es kann nicht sein, dass in einem Bereich mit so geringer Nachfrage eine gigantische Transferaktion an Steuersubventionen jedes Jahr erforderlich ist."
Die Manager der Hochkultur waren erst fassungs-, dann hilflos. Die Vorsitzende der Theatergemeinde zeterte gegen die "Sport- und Banalunterhaltungsfreunde" die den kommerziellen Flachsinn gegen die Tiefen der wahren Kunst in Stellung brächten. Und der Vizepräsident der Opernfreunde verstieg sich zu der Behauptung, die Sportinitiative würde, wie in braunen Zeiten, Jugendliche gegen die Kunst aufhetzen.
Inzwischen hat sich der beißende Rauch wieder verzogen. Doch die Konfliktlinien bleiben und auch die gegenseitige Abneigung ist immer wieder zu spüren. Man müsse aufeinander zugehen, meint Generalintendant Bernhard Helmich, und um Akzeptanz werben:
"Ganz viele öffentliche Angebote wenden sich zwar an grundsätzlich alle Menschen, werden aber nicht von allen Menschen genutzt. Da gibt es jede Menge Beispiele, ich habe zum Beispiel noch nie die Feuerwehr gebraucht, bin aber ganz froh, dass es die gibt. Und genauso, denke ich, ist es unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass auch diejenigen, die nicht in die Oper gehen, auf die Oper stolz sind. Das ist in vielen Städten durchaus so."
In Bonn ist es mit dem Stolz auf die Oper nicht mehr so weit her, da hat der Intendant sicher Recht. Als es vor kurzem bei einer Podiumsdiskussion im Rathaus wieder mal ums Sparen ging, da platzte einigen Bürgern ganz schnell der Kragen:
"An das Kunstmuseum geht man nicht dran und an die Oper geht man nicht dran. Und da mach ich ganz bewusst die Politik für schuld, alle Parteien, wie sie da sind, von den Linken angefangen über SPD, CDU, Grüne, dass die da nicht einmal den Mumm haben, zu sagen:Macht die Oper in Bonn weg und habt eine Vision, an der Stelle wo die Oper steht, macht man ein Kulturzentrum für Jung und Alt. Dann hätte Bonn einen Anziehungspunkt, dann wäre Bonn die Beethovenstadt, dann würde es mit Bonn auch wieder aufwärts gehen, dann bräuchte man auch nicht am Sportplatz oder an Kindertagesstätten oder an OGS zu sparen, dann geht das von ganz alleine."
Bonn und Beethoven, das ist ein weiteres Kapitel in diesem Kulturkampf. In sechs Jahren hat Beethoven seinen 250. Geburtstag und den will man in seiner Geburtsstadt angemessen feiern. Deshalb träumt die Stadt seit langem von einem neuen Festspielhaus, ein Traum, den selbst der sonst so nüchterne Oberbürgermeister für vernünftig hält.
"Wir haben nicht richtig investiert in diesen Giganten, so wie das Bayreuth oder Salzburg oder andere tun. Da haben wir die Schätze noch nicht gehoben. Deswegen bin ich dankbar, dass es private Investoren für eine neue Konzerthalle gibt. Man braucht auch solche architektonischen Anker und dann gibt Beethoven nicht nur jeden Euro zurück, sondern das wird auch zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Das ist ein kluger Invest und nicht eine Frage, mag ich Kunst, mag ich Musik, mag ich Beethoven, sondern nur: Mag ich Jobs. Ja, ich mag Jobs."
Schlechte Erfahrungen mit privaten Investoren
30 Millionen Euro will die Deutsche Post dafür lockermachen, knapp 40 Millionen hat die Bundesregierung als Zuschuss für dieses Festspielhaus zugesagt. Bei so viel fremdem Geld bekommen Verwaltungen überall auf der Welt glasige Augen. Weil es sich um eine private Investition handelt, so das Mantra der Stadt, sei das Risiko überschaubar. Bonn müsse lediglich die Erschließungskosten und einen Teil der späteren Betriebskosten übernehmen. Was jetzt noch fehlt, sind ein paar weitere Investoren, um die fehlenden 40 Millionen zu stemmen. Aber der Bauplatz wird schon mal ausgemessen, der Architektenwettbewerb läuft.
Dabei hat Bonn mit privaten Investoren nicht die besten Erfahrungen gemacht. Das World Conference Center Bonn sollte auch von einem privaten Investor gebaut werden. Das Konferenzzentrum war eine Bedingung dafür, dass die Vereinten Nationen ihren Bonner Standort weiter ausbauen. Nachdem die ersten Investoren nach kurzer Prüfung der Lage abwinkten, stürzte sich die Stadt auf einen Koreaner, der Interesse bekundete.
Wie die Sparkasse rasch herausfand, hatte dessen SMI Hyundai nichts mit dem koreanischen Autokonzern zu tun hat, wie alle dachten. Der Investor sei auch nicht kreditwürdig, befanden die Banker. Doch so einfach wollte die Stadt ihre schöne Zukunft als UNO-City nicht aufschreiben . Sie bedrängte die Sparkasse, dem Koreaner einen Kredit über 74 Millionen Euro zu gewähren. Wie man heute weiß, unterschrieb die Stadtverwaltung in einer Geheimklausel eine entsprechende Bürgschaft für den koreanischen Investor. Der sitzt inzwischen im Gefängnis, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Gott und die Welt wegen Betrugs und Untreue und die Stadt Bonn ist unfreiwilliger Eigentümer eines voraussichtlich stark defizitären World Conference Center. Ob Bonn alle Schulden des Investors übernehmen muss, oder ob die Sparkasse auf einem Teil sitzenbleibt, darüber entscheiden die Gerichte. Aber das ist auch nicht so wichtig, weil die Sparkasse ohnehin zur Hälfte der Stadt gehört.
Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch: "Für die Übernahme des Konferenzzentrums gehe ich mal davon aus, dass wir im besten Falle unter der 100 Millionen-Grenze bleiben können, vielleicht auch ein bisschen drüber. Das ist dann so, das war zu schultern, weil sonst der internationale Standort eklatant gefährdet worden wäre, das können wir nicht machen. Deutsche Stadt der Vereinten Nationen, das ist unser neues Markenzeichen. Das war zu erfüllen, aber das wird sich am langen Ende auch rechnen."
Die Bonner schauen nach vorne. Wat fott es, es fott, heißt es im rheinischen Grundgesetz, was weg ist, ist weg. Im Mai soll das Welt-Konferenz-Zentrum Bonn eröffnet werden, im Juli sollen die ersten Bagger für das Festspielhaus anrücken. Bis dahin wird sich der Schuldenstand der Stadt Bonn um weitere 50 Millionen Euro erhöht haben. Ab wann die Stadt mit dem Sparen anfangen will, das ist noch offen. Die nächsten drei Monate passiert sowieso erst mal gar nicht viel. Da ist in Bonn Karneval.
Das Motto des diesjährigen Karneval: Bonner im Glück, damals wie heute.
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