Bombenspaß mit Schraubenschlüssel

19.10.2010
Vier Naturfreaks lernen sich am Lagerfeuer kennen und beschließen sich einem Ziel zu verschreiben: der Sprengung einer Staumauer. Das ist erstklassige Sabotage im Dienste des Umweltschutzes und die "Monkey Wrench Gang" lässt es dabei ordentlich krachen.
Besser, sie wären sich nie begegnet: Seldom Seen Smith, Wildwasser-Experte und Bigamist, Georg Washington Hayduke, Vietnamveteran und Waffennarr, der zivilisationsfeindliche Doc Sarvis, der immer einen Kanister Benzin im Auto hat, um Reklametafeln am Rand des Highways anzuzünden, und Bonnie Abbzug, die als Teenager zu viel Castaneda gelesen hat. Ausgerechnet diese vier Freaks lernen sich am Rand einer Bootstour auf dem Colorado River kennen.

Am Lagerfeuer schimpfen sie gemeinsam auf die Glen-Canyon-Staumauer, eine 792.000 Tonnen schwere Betonkonstruktion, die den Fluss in ein trauriges Rinnsal verwandelt hat. Sie sind sich einig: "Wir sollten den Damm in Scheißklumpen sprengen." Und beschließen, ab sofort "Unrecht zu tun und Regierungseigentum zu beschädigen".

"Die Monkey Wrench Gang" ist ein Roman des amerikanischen Schriftstellers Edward Abbey aus dem Jahre 1975. Eine gekürzte deutsche Übersetzung erschien vor 20 Jahren ohne Erfolg bei Rowohlt. Jetzt hat der junge Schweizer Verlag Walde+Graf sich der Sache angenommen und eine Prachtausgabe - zum ersten Mal in einer vollständigen Übersetzung auf Deutsch - mit bitterbösen Illustrationen von Robert Crumb aufgelegt.

Der godfather des amerikanischen underground porträtiert darin in bewährter Manier die selbst ernannten Umweltschützer als Bande hormongesteuerter Freizeit-Terroristen. "Die Monkey Wrench Gang" ist ein Bombenspaß: eine explosive Mischung aus anarchistischem Gedankengut, krankem Humor und einem klaren Bekenntnis zur Gewalt gegen Sachen. Wäre Edward Abbey nicht bereits 1989 verstorben, dann wäre er heute ein Fall für das US-Heimatschutzministerium.

Bevor seine wild gewordenen Freaks die Staumauer in Angriff nehmen, wärmen sie sich erst einmal mit ein paar kleineren Aktionen auf. Sie fällen Strommasten, demolieren Öl-Bohrtürme und verwüsten Großbaustellen. Ihre bevorzugte Waffe ist dabei der "monkey wrench", ein verstellbarer Schraubenschlüssel, mit dem sie das Öl aus den Radladern und Raupen ablassen.

Monkey wrenching nennt man darum im Englischen jede Art von Sabotage im Dienste des Umweltschutzes, und das ist nicht das einzige, was Edward Abbey mit seinem Roman bewirkt hat: "Die Monkey Wrench Gang" schlug in den Siebzigern in den USA wie ein Sprengsatz ein und inspirierte unter anderem die Gründer von Earth First!, einer Gruppe radikaler Umwelt-Aktivisten. Save the earth, aber lass es dabei ruhig ordentlich krachen – das ist die frohe Botschaft dieses durchgeknallten amerikanischen Klassikers.

Das Schöne ist, dass Edward Abbey, der sich selbst als "halbherzigen Fanatiker" bezeichnete immer im Auge behält, worum es eigentlich geht. Er hat als junger Mann im Arches-Nationalpark in Utah gearbeitet, und in "Die Monkey Wrench Gang" finden sich immer wieder einige Zeilen zarter Naturprosa, kurze, einfache Sätze über Steppenhexe und Goldaster, die im Wüstensand wachsen, über die Fledermäuse, die im Schatten der Canyons flattern, über den Graureiher, der den Colorado River flussaufwärts fliegt. "Und kühle Flötentöne drangen aus dem Nichts hervor: die Stimme der Drossel". Dafür lohnt es sich doch, Regierungseigentum zu beschädigen? Lass es krachen, damit die Drossel weiter singt…

Besprochen von Kolja Mensing

Edward Abbey: Die Monkey Wrench Gang
Illustriert von Robert Crumb
Aus dem Amerikanischen von Sabine Hedinger
Walde+Graf Verlag, Zürich 2010
469 Seiten, 24,95 Euro