Böse Geschichte, charmant erzählt

08.11.2010
Eine böse Geschichte wird noch böser, wenn man sie charmant erzählt. So wie John le Carrés neuester Roman "Verräter wie wir" es tut: Der Maestro der Geldwäsche, der Virtuose der Verwandlung von Schwarzgeld in solides Kapital, der Paganini der Finanzmanipulation möchte aussteigen.
Dima, das Finanzgenie von der kolossalen Gestalt, arbeitet für ein russisch-internationales Konglomerat in der Grauzone zwischen organisiertem Verbrechen und legalem Wirtschaften mit dem Ziel bedenkenloser Profitmaximierung. Mafia-interne Diadochenkämpfe in Russland, denen schon seine engsten Mitarbeiter zum Opfer gefallen sind – sie wurden in aller Öffentlichkeit massakriert, was, mit Rückendeckung der offiziellen Politik, zynisch als LKW-Unfall deklariert wurde –, zwingen ihn zum Handeln, wenn er mit Familie und Clan überleben will. Dima bändelt also mit dem britischen Geheimdienst an: Schutz und eine neue Identität gegen detaillierte Informationen darüber, wie die Legalisierung von gigantischen Mengen Schwarzgeldes läuft und wie das westliche Bankensystem daran beteiligt ist. Denn nach der Finanzkrise ist der Bedarf an und die Gier nach Geld nicht nur an den Finanzplätzen London und Zürich ungeheuer. Wie es von wem mit was erwirtschaftet wurde, will kein Mensch wissen ...

Seinen moralischen Furor kleidet le Carré in diesem Buch nicht mehr in grobschlächtiges Wüten, was seinem letzten Roman "Marionetten" nicht gut tat. In "Verräter wie wir" bedient er sich einer sehr artifiziellen, aber wirkungsvollen Inszenierung: Ein junges britisches Pärchen, ein sportlich-schlurfiger Oxford-Dozent mit Herz und eine hübsche, aufstrebende Anwältin mit entsprechendem Empathie-Quotient, vermitteln, scheinbar zufällig, zwischen dem Geldwäscher Dima und dem Geheimdienst. Die beiden sind so frisch, so sympathisch, so bedacht und sensibel, dass sie den Romanen von Somerset Maugham oder P.G. Wodehouse (den le Carré prompt zitiert) entsprungen sein könnten. Auch die hartgesottenen Geheimdienst-Profis, die berufsmäßigen Verräter (oder Retter ihrer Ideale, das kommt auf den Standpunkt an), agieren hier heiter und plaudern leichthin in meisterhaften Dialogen, die nur so funkeln vor Witz, Esprit und Anspielungsreichtum.

Der Kontrast zwischen Stil und Inhalt lässt die Ungeheuerlichkeiten, die uns le Carré vor Augen führt, umso deutlicher hervortreten. Wenn er die Finanzjongleure, die Top-Anwälte für die allerschmutzigsten Interessen, die Mittler und Makler der internationalen Geldströme, die Statthalter der diversen Mafien und die Regierungsvertreter unserer westlichen Demokratien, die nichts dringlicher brauchen als Geld für ihren "Kampf gegen den Terror" – wenn le Carré also alle diese gepflegten, gebräunten und kultivierten Lemuren einfach nur vorführt und sie mit dem netten und bald doch sehr ahnungsvollen Pärchen konfrontiert, dann wissen wir, dass auch der heiterste Roman über den Lauf dieser Welt nicht wirklich heiter ist. Sondern zum Schreien blutig.

Besprochen von Thomas Wörtche

John le Carré: Verräter wie wir,
Aus dem Englischen von Sabine Roth,
Ullstein Verlag, Berlin 2010, 412 Seiten, 24,95 Euro

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