Bodo Hechelhammer: "Spion ohne Grenzen"

Smarter Agent in mehrfacher Mission

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Cover von "Spion ohne Grenzen" von Bodo Hechelhammer
Ein "Spion ohne Grenzen" war Heinz Felfe, Untersuchungsgegenstand in der gleichnamigen Biografie von Bodo von Hechelhammer. © Piper-Verlag/Collage: Deutschlandradio
Von Nana Brink  · 11.01.2020
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Er spionierte für die Nationalsozialisten, für die Briten, die USA, die Bundesrepublik, die Sowjetunion und für die DDR. Eine neue Biografie versucht zu ergründen: Wie konnte Heinz Felfe so viele Geheimdienste hinters Licht führen?
Lieben wir nicht alle Spionagegeschichten? Und was klingt spannender, als wenn ein Ex-Agent über einen Kollegen schreibt? Nicht weniger als acht Jahre hat sich Bodo Hechelhammer mit seinem früheren "Kollegen" Heinz Felfe beschäftigt. In einem Interview bekennt der jetzige Chef-Historiker des Bundesnachrichtendienstes (BND), "dass acht Jahre zu viel waren". Denn eines hat der akribisch arbeitende Biograf über den "Spion ohne Grenzen" nicht herausfinden können: Was ist sein Motiv? Und so bekennt Hechelhammer auch ganz freimütig in seinem Vorwort: "Vor allem arbeitete er (Felfe) immer für sich selbst."
Heinz Felfe, geboren 1918 in Dresden, ist ein Phänomen in der deutschen Spionagegeschichte. Er diente nicht weniger als sieben Geheimdiensten. Als überzeugter Nationalsozialist findet er während des Zweiten Weltkrieges beim Geheimdienst der SS eine Anstellung. Noch in der britischen Kriegsgefangenschaft dient sich der ehemalige SS-Obersturmführer dem legendären britischen Geheimdienst MI6 als Zuträger an. Er liefert den Briten Informationen erst über seine Nazi-Verbindungen, dann über die kommunistische Bewegung in der Besatzungszone. Geschickt verschleiert er – wie auch in den Jahrzehnten danach – seine wahre Funktion im NS-Regime und erreicht schließlich, dass die Briten ihm ein Entnazifizierungs-Dokument ausstellen, sozusagen einen "Persilschein".

Ausgerechnet für Gegenspionage zuständig

Über einen Freund aus Nazi-Zeiten, der mittlerweile für den sowjetischen Geheimdienst KGB arbeitet, bietet er sich erfolgreich den Sowjets an. Als die "Operation Gehlen" – der Vorläufer des BND und damals dem US-amerikanischen Geheimdienst CIA unterstellt – an Felfe herantritt, ist er schon in Moskau unter Vertrag. Der BND übernimmt den smarten Informationshändler schließlich, ohne von seiner Doppelagent-Tätigkeit zu ahnen. Es dauert rund zehn Jahre, bis seine Tarnung 1961 auffliegt. Der Skandal ist umso größer, als der Maulwurf des KGB, Heinz Felfe, ausgerechnet für die Gegenspionage beim BND zuständig ist.
Mehr als 100 Agenten-Kollegen soll er verraten haben, ebenso unzählige Operationspläne und Geheimdokumente. Nach acht Jahren wird er 1969 zusammen mit anderen West-Agenten ausgetauscht und arbeitet fortan als "Kundschafter des Friedens" für die Staatssicherheit der DDR. Er wird Professor für Kriminalistik an der Berliner Humboldt-Universität und schreibt unter Aufsicht des KGB seine geschönte Biografie, die vor allem eine Geschichte erzählt: Wie es dem sowjetischen Geheimdienst gelang, einen Spion in der Zentrale des Gegners unterzubringen. Schillernder kann eine Karriere als Agent wohl kaum sein.

Ein aalglatter Pflicht-Erfüller

Wie schafft man es, sich bei sieben Geheimdiensten zu verdingen? Der Autor spart nicht mit Details aus Felfes Leben. Hechelhammer hat nahezu jede Bewegung in diesem Leben dokumentiert, jede Freundschaft, jede Beziehung, jede Korrespondenz oder Tagebuchaufzeichnung. Das macht das Lesen mitunter etwas mühsam, auch weil Hechelhammer in seinem historischen Übereifer zu Wiederholungen neigt. Bei aller Informationsflut bleibt die Figur Felfe jedoch seltsam blass. Vielleicht ist gerade das sein Erfolgsrezept: ein smarter, fleißiger, aalglatter Pflicht-Erfüller, der in jedem System seinen Weg findet. "Dabei hatte er sich nach dem Untergang des Dritten Reichs nur eines vorgenommen: Unter gar keinen Umständen wollte er am Ende noch einmal auf der Seite der Verlierer stehen."
Zu den interessantesten Passagen des Buches gehört allerdings Felfes Zeit bei der "Operation Gehlen" und später beim BND. Der einst überzeugte Nationalsozialist trifft auf viele Gesinnungsgenossen. Seine Nazi-Vergangenheit ist kein Einstellungshindernis, eher das Gegenteil. Die "braune Vorgeschichte" des BND ist zwar keine neue Erkenntnis, aber es ist das Verdienst seines jetzigen Chefhistorikers Hechelhammer, dass er die Fakten schonungslos auf den Tisch legt.

Bodo Hechelhammer: "Spion ohne Grenzen. Heinz Felfe - Agent in sieben Geheimdiensten"
Piper-Verlag, Berlin 2019
409 Seiten, 24 Euro

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