Bob Marley

Vom Fahrradmechaniker zum Reggae-Gott

04:58 Minuten
Bob Marley auf der Bühne am Mikrofon, streckt die rechte Faust in die Höhe.
Bob Marley auf der Bühne, ca. 1970. © Getty Images / Michael Ochs Archives
Von Sky Nonhoff · 06.02.2020
Audio herunterladen
Fast 40 Jahre nach seinem Tod ist Bob Marley noch immer der jamaikanische Superstar schlechthin. Mit seiner Band "The Wailers" prägte der Soul Rebel den Reggae wie kein anderer. Heute wäre er 75 Jahre alt geworden.
Es fing alles mit einem Song an, der 1964 überall auf Jamaika aus den Soundsystemen dröhnte und an die Rude Boys gerichtet war, die smarten Hipster der Insel, von denen so mancher wie eine geladene Waffe herumlief. "Simmer Down" hieß der Song, zu Deutsch "Bleib cool". Die Musik nannte sich Ska, und am Mikro stand ein 19-Jähriger namens Bob Marley - noch ganz ohne Dreadlocks -, der sich sein Geld hauptberuflich als Fahrradmechaniker verdiente.
Seine Ehefrau, Rita Marley, beschreibt ihn damals so: "Man sah Bob an, dass er mit der Welt auf Kriegsfuß stand. Entspannt war er nur sehr selten, immer mit seiner Gitarre zugange, seiner Musik, und dem, was er zu sagen hatte."
Reggae als klanggewordene Naturgewalt
Jamaika, die ehemalige Kolonie in der Karibik war im Sommer 1962 unabhängig geworden - und der energetisch zuckende Ska die erste emanzipatorische Zündstufe einer eigenen jamaikanischen Popmusik, aus der bald darauf der Reggae entstand.
Bob Marley erklärt, was den Klang ausmacht: "Reggae ist ein von Rastafari kreierter Sound, eine klanggewordene Naturgewalt. Wir spielen unsere Musik nicht, um Kritikern zu gefallen. Wir spielen, was wir wollen, wir spielen es so, wie wir wollen, und wir haben auch einen Grund, warum wir genau diese Musik spielen."
Rastafari war die religiöse Erwartung von Heil und Erlösung in Gestalt des äthiopischen Kaisers Haile Selassie, und Reggae ein radikal entschleunigter Rhythmus, der dem nach wie vor britisch geprägten Postkolonialismus mit geradezu aufreizendem Schulterzucken begegnete. Und Bob Marley war die Stimme des Ghettos, die Überlebenskampf und schwarzes Bewusstsein, Revolutionäres und Spirituelles zusammenbrachte. "Wir sind nicht gegen das System", so seine Botschaft, "sondern das System ist gegen uns."
1973 schrieb ein BBC-Reporter: "Selbst wenn man den dauerbekifften jamaikanischen Musiker am liebsten auslachen würde, lässt sich Bob Marleys Ansichten über die Misere der Schwarzen schwerlich widersprechen." Und so prangte Marley im selben Jahr auf die Titelseite des "Melody Maker", der ältesten britischen Musikzeitschrift. Er hatte es fast geschafft.
Durchbruch dank eines Monsterjoints
Den wahren Durchbruch brachte aber erst der Relaunch seines Albums "Catch a Fire" mit neuem Cover, das ihn mit einem Monsterjoint zwischen den Lippen zeigte und in der Alternativkultur einschlug wie zuvor wohl nur das berühmte Che-Guevara-Poster - in einem Europa, in dem man seinerzeit nur im niederländischen Amsterdam legal kiffen durfte. Marley erklärte dazu: "Gras ... Gras ist eine Pflanze, die einem gut tut. Und wenn die Regierungen doch so viel Gutes tun wollen - wieso verbieten sie uns dann, Gras zu rauchen?"
"I Shot the Sheriff", "No Woman No Cry", "Get Up Stand Up", "Could You Be Loved" – das Rollenmodell des Ganja-Gottes verfeinerte Marley mit erstklassigen Songs, einem Sound, den er nicht als karibische, sondern als afrikanische Musik verstand - seine politischste Hymne heißt "Africa Unite" vom Album "Survival", dessen ursprünglicher Titel "Black Survival" seiner Plattenfirma zu heikel war.
Man muss nicht zwingend auf Jamaika gewesen sein, um Bob Marleys Reggae zu verstehen, aber es hilft, das wiegende Schlendern der Jamaikaner mit eigenen Augen gesehen zu haben, die schlenkernden Schritte, die federnde Lässigkeit. Und genau davon handelt seine Musik: von Würde - und vom aufrechten Gang.
Mehr zum Thema