Blue Crime - Der Kriminalfall Vera Brühne

Nr. 989, Aichach - Vera Brühne. Mitschnitte. I-III

Der Hammer eines Richters
Hammer eines Richters vor Gericht © Ronald Wittek/dpa
11.04.2020
„Genickschuß in der Kellerbar“ titelten die Gazetten Anfang der 1960er Jahre. Der unter dieser Schlagzeile berühmt-berüchtigt gewordene Mordfall am Starnberger See an Otto Praun und Elfriede Kloo gilt bis heute als einer der spektakulärsten Kriminalfälle der deutschen Justizgeschichte.
Der Frauenarzt Dr. Praun, ein Mann mit einem eher undurchsichtigen Leben, war im April 1960 zusammen mit seiner Haushälterin Elfriede Kloo in seinem Haus in Pöcking am Starnberger See ermordet worden. Die Schuldigen waren bald gefunden und verurteilt. Der Indizienprozess gegen Vera Brühne und Johann Ferbach vor dem Schwurgericht beim Landgericht München II endete am 4. Juni 1962 nach 22 öffentlichen Sitzungen mit der Verurteilung der Angeklagten. Vera Brühnes Tochter Sylvia war die wichtigste Belastungszeugin. Erst 1979 unterzeichnete der bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß ihre Begnadigung. Der Mitangeklagte Johann Ferbach war bereits 1972 in der Haft verstorben. Vera Brühne starb 2001 in München.
Das Gericht war ausschließlich mit Männern besetzt, von denen über die Hälfte Mitglieder der NSDAP gewesen waren und/oder in der Wehrmacht gekämpft hatten. Rund drei Jahre nach der Urteilsverkündung tauchte ein Brief des Vorsitzenden Richters Seibert auf, in dem er schrieb: "Dabei sind sich alle Beteiligten selbstverständlich im Klaren, dass ein zweites Verfahren nur mit einem Freispruch enden könnte." (Prof. Dr. Dr. Christoph Nix)
"Herr Staatsanwalt, es ist unmöglich, was Sie mir da zutrauen! Das ist entsetzlich, es geht zu weit!"
Das Frauenbild jener Zeit wird transparent – und dessen männliche Bestimmtheit. Auch die komplexen Beziehungen zwischen Mann und Frau, Mutter und Tochter. Und es leben alte Verschwörungstheorien wieder auf, üble Spekulationen um Nachrichtendienste, Geheimagenten, Waffenhändler und deren dolce vita. Dunkle Mächte werden lebendig, Ängste und Lüste einer Gesellschaft im Umbruch. Vera Brühne wurde, fast ohne ihr Zutun, zur Projektionsfläche, auf der sich vieles spiegelte, was die Gesellschaft der 1960er Jahre an Träumen und Wünschen, an Begehren und Nöten in sich trug. Und schon bald ging es gar nicht mehr um ihre Person: Vera B. wurde schnell zu einer anderen, frigid und Sexbombe zugleich, habgierig und grande dame – ein Katalysator.
Es bleiben die Mitschnitte, Protokolle und Bandaufzeichnungen der Gerichtsverhandlung, es bleibt eine vehemente und Stimme, die jede ihrer Aussagen mit einem störrischen Klopfen auf den Zeugenstand unterstreicht.

Nr. 989, Aichach - Vera Brühne Mitschnitte
Teil II: Vera und Johann
Von Michael Farin
Regie: der Autor

Mit Corinna Harfouch, Peter Lohmeyer, Lilith Stangenberg
Produktion: BR 2017