"Black Swan"

Von Waltraud Tschirner · 16.01.2011
In "Black Swan" trifft eine junge Ballerina auf eine Konkurrentin, die sie abstößt und fasziniert zugleich. Sie driftet in eine Welt zwischen Wirklichkeit und Wahn. Nach "The Wrestler" ist Darren Aronofskys neuestes Werk wieder höchst Golden-Globe- und Oscar-verdächtig.
"Okay, Veronika, die Variation des weißen Schwans, bitte! Also Maestro: zwei, drei."

Für Nina könnte ein Traum in Erfüllung gehen. Sie ist für die heiß begehrte Doppelrolle in Schwanensee besetzt und übt besessen für den weißen und den schwarzen Schwan – aber der Ballettmeister ist nicht zufrieden und die junge Ballerina verkrampft unter seinen kritischen Blicken immer mehr.

"In den vier Jahren, die du hier tanzt, seh ich, wie besessen du darauf bist, jede Bewegung perfekt zu machen. Aber ich sehe nie, dass du dich ganz hingibst. Niemals! All die Disziplin, wofür?" – "Ich will eben perfekt sein." – "Du willst was?" - "Ich will eben perfekt sein!" – "Hm, Perfektion ist nicht nur eine Frage der Kontrolle. Es ist genauso wichtig, sich fallen zu lassen. Überrasch dich selbst und du überraschst das Publikum."

Nina weiß allerdings gar nicht, wie das gehen soll: Fallenlassen. Sie tanzt schon ewig unter den strengen Augen ihrer Mutter und sie kennt nur das Leben in ihrer Ballettwelt. Auch als junge Frau schläft sie noch in einem Kinderparadies in Pink, umrahmt von ihren Plüschtieren. Keine Zeit für die Liebe, für kleine Fluchten in den normalen Alltag, geschweige denn in irgendwelche Bars. Nina ist in jeder Hinsicht clean und damit die Idealbesetzung für den jungfräulich-unschuldigen weißen Schwan. Aber mit der dunklen Seite hapert es.

"Georgina?" – "Ja." – "Ich bin Lily. Wir müssen Deine Maße nehmen! Für Deine Schwanenköniginnenkostüme."- "Was macht sie denn hier?" – "Ich bin die Zweitbesetzung." – "Das ist nur zur Sicherheit!"

Thomas Lerôy, der Choreograph, hat Lily zur Kompanie geholt. Sie kennt offenbar auch einen Teil vom "richtigen” Leben, sie sprüht geradezu vor Sinnlichkeit und Vitalität.

"Sieh mal, wie sie sich bewegt: Ungenau , aber mühelos. Nichts ist vorgetäuscht. Hinreißend! Okay, das war wunderbar. Wir beginnen noch mal von vorne!"

Für Nina ist Lily zunächst das Böse schlechthin: Die Konkurrentin, die ihr die Traumrolle wegnehmen will. Sie wehrt sich gegen diese Vorstellung mit noch mehr Disziplin und trainiert, bis die Füße bluten.

"Na schön, komm mit! Komm, wir zwei gehen tanzen!"

Gleichzeitig ist sie von der Konkurrentin fasziniert. Fest entschlossen, zu ihrer abgründigen Seite vorzudringen, lässt sie sich von Lily sogar zu einem Besuch in einem Club überreden. Aber sie ist eben nicht Lily, sondern die obsessive, sich ständig kontrollierende Nina.

"Nicht so kontrolliert! Verführ uns! Nicht nur den Prinzen! Den Hof, die Zuschauer, die ganze Welt!"

Ihre Besessenheit und ihre Angst, die Rolle zu verlieren, stürzen Nina in eine tiefe Identitätskrise. In einer Welt zwischen Wirklichkeit und Wahn bewegt sie sich auf die Erfüllung ihres großen Tanztraums zu. Die Geschichte der jungen Ballerina mutiert zum Psychothriller.

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