Bischof Huber: Toleranz bedeutet, dass man den anderen wahrnimmt und kennt

22.04.2006
In der Debatte um den Überfall in Potsdam einerseits und den Ehrenmord-Fall der Familie Sürücü andererseits hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber, gefordert, nicht mit unterschiedlichem Maß zu messen.
Klar sein müsse, dass die Würde eines Menschen nicht abhängig von seiner Hautfarbe ist, sagte Huber am Samstag im Deutschlandradio Kultur. Aber es dürfe auch nicht verboten werden, über Fremde kritisch zu reden. Gewalt müsse verurteilt werden, unabhängig von wem sie verübt werde.

Huber verteidigte seine Worte, an dem Ehrenmord sei die ganze Familie Sürücü beteiligt gewesen. Diese Aussage unterstütze auch der Leiter des Zentrums für Türkeistudien, Faruk Sen. Er, Huber, wolle keine Vorverurteilung damit verbinden. Doch müsse sich eine Familie mit einem solchen Verhalten prüfen, "ob sie ihren Ort in unserer Gesellschaft hat". Das setze wiederum voraus, dass sich die deutsche Gesellschaft über ihre Werte klar sei.

Gesprochen werden müsse beispielsweise über Toleranz, was bedeute, den anderen wirklich wahrzunehmen und zu kennen. "Da hapert es bei uns." Der Satz von Berlins Schulsenator Böger über die Rütli-Schule, die Schüler dort seien "auch unsere Kinder", sei richtig und gelte sinngemäß auch für die Familie Sürücü.

Integration sei stark abhängig von der sozialen Situation der Menschen und dem Zugang zu Bildungsmöglichkeiten. "Da muss die Weichenstellung sehr früh erfolgen." Ein Schlüssel für die Zukunft der Gesellschaft sei es, Kindern aus bildungsfernen Schichten, egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund, den Zugang zu Bildung zu ermöglichen.