Bird Berlin - ein Mann trotzt allen Klischees

Glitzer-Amor mit fröhlicher Botschaft

05:51 Minuten
Bernd Pflaum ist Bird Berlin und ziert mit nacktem Oberkörper und ausladendem Bauch das Cover seiner aktuellen Platte.
Bird Berlin heißt eigentlich Bernd Pflaum und liebt Schlager. © Cris Civitillo
Von Alba Wilczek · 13.05.2019
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Radlerhose, rosa Stulpen und jede Menge Glitzer: Damit verwandelt sich Bernd Pflaum in sein Alter Ego Bird Berlin. Mit kitschigen Popschlagern bespielt er als schillernde Kunstfigur die Bühnen im Land. Doch nach 15 Jahren ist nun (fast) Schluss.
Ein Mann mit Glitzer-Bart steht vor einem Spiegel und beäugt sich kritisch selbst. Sein rundlicher Körper nur bedeckt von einer goldenen Radlerhose. Dann setzt ein poppiger Elektro-Beat ein. Der selbe Mann setzt jetzt sein schönste Lächeln auf und beginnt zu tanzen.
Der Mann im Video ist Bernd Pflaum. Als glitzernder Sänger und Alleinunterhalter "Bird Berlin" mischt er seit geraumer Zeit die Bühnen der Republik auf. Birdi - so sein Spitzname - hat Fans in ganz Deutschland. Er gilt als die wohl schillerndste Kunstfigur, die Nürnberg jemals hervorgebracht hat.
Trotz großem Erfolg soll damit jetzt Schluss sein. Anfang des Jahres verkündete Bernd Pflaum, sich von seinem Musik-Alter-Ego verabschieden zu wollen. Keine Glitzer-Orgien und kein süßtriefender Schlagerpop mehr. Sag, Birdi! Pourqoui? Warum verabschiedest du dich?

Lust auf Feierabend

"Durch die vielen Konzerte und die wundervollen Begegnungen hatte ich gefühlt das letzte Jahr keinen Abend dabei, wo ich abends um 8 oder 9 Feierabend hatte. Ich bin aufgestanden, ich bin irgendwann ins Bett gegangen und zwischendrin gabs nur Birdie. Deswegen sehne ich mich grad sehr danach. Mal mit Freunden noch ein Bier trinken gehen und nicht in den Terminkalender gucken zu müssen. Darauf freue ich mich sehr."
Der Paradiesvogel ist müde. Verständlich. Seit fast 16 Jahren steht Pflaum immerhin schon auf der Bühne. Zwar nicht die ganze Zeit als Bird Berlin. Aber als Sänger: Mit der Rockband "The Audience" hat Pflaum über 10 Jahre Konzerte und Festivals in ganz Europa gespielt und drei Alben herausgebracht. Die Band gibt es heute nicht mehr.
Aber Bernd Pflaum hat weitergemacht und wurde zu Birdi. Denn da war immer irgendwo eine Lust auf mehr:
"Währenddessen hab ich gemerkt dass so viel mehr aus mir rauskommt, so viel bunteres und dann hab ich am Computer zuhause angefangen, Musik zu machen. Und Chöre übereinander zu stapeln, mit meinen kitschigen Ideen rumzuspielen."

Verwandlung in Birdi

"So hab ich aber gemerkt: Ich bin sehr dick und schwitze sehr stark. Und da sind Jeans das total falsche! Zu der Zeit habe ich viel Speerwerfen und Kugelstoßen gemacht. Und da hatte ich noch meine Speerleggings, in der ich mich immer sehr wohl gefühlt hab. Deswegen hab ich mit der begonnen. Und dann kamen irgendwann diese Radler- bzw. Badehosen, und dann kamen irgendwann die Stülpen dazu und der Glitzer. Ich kann es gar nicht mehr genau festmachen, wann es passiert ist. Aber es war ein natürlicher Prozess, der sich ganz harmonisch angefühlt hat."
Mit seinem Charakter ist Bird Berlin absolut einzigartig. Ein kugelrundes, behaartes Glitzerbonbon, das wild herumtanzt und dabei Schlagerpop-Hymnen über die Liebe singt.

Fat-Shaming-Kommentare von rechts

Meistens kommt das gut an. Manchmal nicht. Nachdem der Künstler letztes Jahr auf einer Anti-AfD-Demo performte, hagelt es reihenweise böse Kommentare. Sätze wie "Ih, voll dick und eklig!" oder "Wer solche Feinde hat, der hat alles richtig gemacht". Birdi kennt das schon. Und nimmt’s gelassen. Er weiß ganz genau, wofür er steht.
"Also ich weiß, dass ich dick bin. Und ich weiß, dass ich schwitz. Und ich weiß, dass ich auf der Bühne glitzere. Und deswegen mach ich es ja. Ich glaube, dass ich durch meine Figur ganz viel dazu beitrage, dass dicke oder unförmigere Körper, oder Körper abseits der Norm, wahrnehmbar sind. Zum Beispiel im Stadtbild von Nürnberg, wo ich oft mit Plakaten hänge, die von der Stadt gefeatured sind, die aber nicht den Auftrag haben, gegen dieses Bodyshaming oder dieses Schönheitsideal zu kämpfen. Ich glaube, es ist einfach schön, eine Pluralität aufzuzeigen!"

Konzerte voller Happy Hours

Body Positivity, Pluralität, Toleranz – aha. Ein bisschen Agenda steckt hinter der Kunstfigur und dem ganzen Glitzer dann also doch. Wenn es aber etwas ist, was Bird Berlin besonders verkörpert, dann eines: jede Menge Liebe. Wenn der Glitzer-Amor live auftritt, regnet es gute Laune und positive Energie für alle.
Was nach seiner Abschiedstour "Immer Birdi Alles Forever" passiert, weiß Pflaum selbst noch nicht genau. Ganz Schluss soll aber nicht sein. Als Kolumnist und Moderator wird er weiter arbeiten. Und vielleicht eröffnet er auch eine Kneipe. Die Musik wird aber definitiv nicht aus seinem Leben verschwinden. Gut so. Macht halt eben doch zu viel Spaß.
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