Biologin über "Was hat die Mücke je für uns getan?"

Warum Artenvielfalt nicht egal ist

08:53 Minuten
Buchcover "Was hat die Mücke je für uns getan?" von Frauke Fischer und Hilke Oberhansberg, daneben orange Farbflächen.
„Ohne Mücke keine Schokolade“: Frauke Fischer und Hilke Oberhansberg über den Sinn der Artenvielfalt. © oekom Verlag / Deutschlandradio
Frauke Fischer im Gespräch mit Maike Albath · 12.12.2020
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Welche Auswirkungen hat das menschliche Treiben auf unseren Planeten? Was bedeutet das für die Vielfalt? Es habe durchaus seinen Sinn, dass es so viele Arten gibt, sagt die Biologin Frauke Fischer. Und erklärt, was Mücken mit Schokolade zu tun haben.
"Was hat die Mücke für uns geleistet?", fragen Frauke Fischer und Hilke Oberhansberg. Die Antwort überrascht. "Ohne Mücke keine Schokolade", sagt Frauke Fischer im Gespräch. "Mücken sind die einzigen Bestäuber von Kakao". Es gebe nur zwei ganz kleine Mückenarten, die das könnten. Die Kakaoblüte sei sehr kompliziert gebaut, jede Honigbiene sei "zu dick und zu riesig" dafür.
Diversität sei wichtig für das Fortbestehen der Welt. Aber Artenvielfalt sei nur ein Teil, den wir betrachten müssten. Sehr wichtig seien sogenannte Ökosystemleistungen, also das, was die Natur für uns leiste. Dazu zählten etwas die Bereitstellung fruchtbarer Böden, das Reinigen von Luft und Wasser oder das Bereitstellen natürlicher Ressourcen wie Holz oder Fische.

Biologische Vielfalt sorgt für unsere Sicherheit

"All diese Leistungen der Natur brauchen biologische Vielfalt", sagt Fischer. "Denn ohne biologische Vielfalt funtionierten diese Leistungen nicht." Wir seien von diesen Leistungen abhängig und könnten sie gar nicht, nur mangelhaft oder zu einem sehr hohen Preis selber leisten.
Mangroven und Korallenriffe etwa seien Ökosysteme, die eine große Bedeutung für die Sicherheit von uns Menschen hätten. Sie schützten dahinterliegende Küstenbereiche vor Sturmfluten, Wirbelstürmen oder Tsunamis. Sie böten zudem wertvolle Rohstoffe.
Das am stärksten wirksames Schmerzmittel stamme von der marinen Kegelschnecke und sei tausend Mal so wirksam wie Morphium, der Organismus gewöhne sich zudem nicht an den Wirkstoff.
Die Autorin und Biologin Frauke Fischer lächelt in die Kamera.
Die Biologin und Autorin Frauke Fischer zeigt, warum wir ohne den Reichtum der Natur nicht überleben könnten.© Frauke Fischer
Ein weiterer wichtiger Aspekt sei die Erholungsfunktion von Natur. "Menschen, die ins Grüne blicken, können sich besser konzentrieren", sagt Fischer. Menschen, die im Krankenhaus ins Grüne blickten, würden schneller gesund. Biodiversität werde so zum Wirtschaftsfaktor: Je schöner die Umwelt, umso seltener würden Mitarbeiter krank.
Das Bewusstsein für die Bedeutung sei in Ländern mit höherem Bildungsgrad zwar auf der rationalen Ebene höher. "De facto versteht ein Mensch, der in den Tropen in einer ländlichen Region lebt, das viel besser", sagt die Forscherin. Das Ausbreiten von Samen sei dann eben nicht eine rationale Sache, sondern etwas, das für das Überleben wichtig sei.
Auch beim Thema Abholzung hofft Fischer auf ein Umdenken: Der Amazonas sei zwar wichtig für die Stabilisierung des Weltklimas, diese Leistung werde bislang aber von kaum jemandem bezahlt. Die Folge: "Länder mit viel Tropenwald müssen ihn zerstören, wenn sie Geld verdienen wollen."
In den vergangenen zweihundert Jahren hätten Länder meist für Holz bezahlt oder für die Fläche, die darunter liege. Norwegen sei indes gerade sehr aktiv dabei, Länder dafür zu bezahlen, dass sie Tropenwald stehenließen.
Auch beim Reisen sollten wir uns unserer Verantwortung bewusst sein. "Für einen nicht unerheblichen Teil von Reisen ist der Besuch von Natur der Grund, die Reise anzutreten", sagt Fischer. Die Natur sei für den Tourismussektor auch ein Wirtschaftsfaktor.
Dabei wirken wir auch auf die Biodiversität ein, wenn wir reisen. Ein Hummer werde bis zu 90 Jahren alt, bevor er auf dem Teller lande. "Wir finden in vielen Tourismusdestinationen, dass Menschen es mal richtig krachen lassen wollen", sagt Fischer. Wenn das in einer verschwenderischen Art und Weise geschehe, hätten wir durch diese Reisen negative Effekte.

Frauke Fischer, Hilke Oberhansberg: "Was hat die Mücke je für uns getan?"
Oekom / München 2020
224 Seiten, 20 Euro

(ros)
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