Biografie

Clever und machtbewusst

Undatierte Aufnahme. Selassie wurde am 23. Juli 1892 in Edjersso als Prinz Tafari Makonnen geboren. Am 2. November 1930 ließ er sich zum Kaiser krönen. Nach dem erfolgreichen Abessinien-Feldzug der Italiener floh er 1936 ins britische Exil, kehrte jedoch 1941 mit britischen Truppen zurück und zog am 5. Mai 1941 wieder in Addis Abeba ein. Anfang Juli 1974 übernahmen die Militärs die Macht und setzten ihn am 12. September 1974 formell als Kaiser ab. Die folgenden Jahre verbrachte Haile Selassie unter strengem Hausarrest im Menelik-Palast in Addis Abeba, wo er am 27. August 1975 starb.
Der äthiopische Kaiser Haile Selassie in Galauniform in seinem Palast in Addis Abeba. © picture alliance / dpa
Von Edelgard Abenstein · 09.08.2014
Hier schreibt ein Insider über Aufstieg und Fall des äthiopischen Regenten Haile Selassie. Der Autor Asserate, ein Großneffe des Monarchen, kombiniert Erinnerungen von Zeitzeugen mit seinen eigenen. Die Sympathie für den Großonkel ist spürbar - trotzdem ein erstaunlich kritisches Buch.
Haile Selassie ist auch eine Ikone der Popkultur. In zahllosen Liedern hat ihn der Reggae-König Bob Marley besungen, und bis heute wird er von Jamaicas Rastafaris als "schwarzer Messias" verehrt. Seine historische Leistung: Der 1892 als "Ras" (also: Herzog) Tafari geborene Haile Selassie machte aus Äthiopien das einzige Land Afrikas, das nie kolonisiert wurde. Nelson Mandela nannte ihn "den afrikanischen Giganten".
Asfa-Wossen Asserate, der vor zehn Jahren mit dem Bestseller "Manieren" berühmt wurde und selbst aus äthiopischem Uradel stammt, schildert in seiner Biographie "Der letzte Kaiser von Afrika" plastisch die Stationen des Aufstiegs und Fall Haile Selassies. Eindringlich erzählt er, wie der ehrgeizige junge Mann aus der zweiten Reihe sich durch einen clever inszenierten Staatsstreich an die Schaltstelle der Macht hievte, wie er in der Folge Äthiopien aus dem Mittelalter in die Moderne schoss, indem er die Sklaverei abschaffte und seinem Land die erste Verfassung auf dem Kontinent bescherte. Durch geschickte Schachzüge spielte er Moskau gegen Washington aus und versuchte zeitweise den wirtschaftlichen Anschluss an den Westen, bis er 1974 von einer kommunistischen Kamarilla gestürzt wurde.
Kamele, Elefanten und Ponys für Selassie in Bonn
Seine mitunter allzu detailreiche Erzählung versieht der Autor immer wieder mit kräftigen Farben, wenn er die Reisen des Monarchen schildert, in die junge Bundesrepublik etwa: Dort wurden für das erste ausländische Staatsoberhaupt auf der Bonner Rheinbrücke Elefanten, Kamele und Ponys des in der Stadt gastierenden Zirkus Hagenbeck aufgestellt. Das Besondere an diesem Buch: Asserate ist ein Großneffe Haile Selassies und berichtet als Insider. Sein Großvater wie sein Vater hatten jahrzehntelang wechselnde, hohe Regierungsämter in Äthiopien inne. Trotz unverhohlener Skepsis und vielfach geäußerter Zweifel überwog deren Loyalität, sie waren Afrikas letztem Kaiser treu ergeben.
Neben Studien amerikanischer und britischer Wirtschaftshistoriker stützt sich Asserate auf das Privatarchiv der Familie, auf unveröffentlichte Briefe und Tagebücher seines Vaters und Großvaters, auf Diplomatenberichte sowie auf die Erinnerungen von Zeitzeugen aus dem nächsten Umfeld Haile Selassies, die Asserate im Verlauf der letzten 20 Jahre interviewt hat. So kommen einstige Ministerialsekretäre zu Wort, auch Akteure des Putschversuchs von 1960 sowie des Kaisers letzter Leibdiener. Damit versucht Asserate den Verdacht zu erhärten, dass Haile Selassie 1975 von Mengistu-Handlangern ermordet wurde. Auch eigene Erinnerungen an den "Negus Negast", den "König der Könige" arbeitet der Autor ein. Asserate schreibt unverkennbar mit Sympathie, doch auch erstaunlich distanziert, nüchtern, kritisch.
Kein Diktator
Ein Höhepunkt der Biografie sind die Kapitel über die italienische Invasion, die Flucht des Kaisers nach England, die wie ein Makel auf seinem Leben lastete, seine Rückkehr 1941 - und seine Unwillen, die Macht zu teilen. Dass er trotz Verfassung wie ein absolutistischer Monarch herrschte, dass er nicht zu delegieren verstand, darin sieht Asserate den Sündenfall Haile Selassies. Ein Diktator letztendlich? Bei aller Sachlichkeit: Soweit geht der Nachfahre des äthiopischen Königshauses in seiner Biografie dann doch nicht.

Asfa-Wossen Asserate: Der letzte Kaiser von Afrika. Triumph und Tragödie des Haile Selassie
Propyläen Verlag, Berlin 2014
416 Seiten, 24,99 Euro

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