Biodiesel

Der Alptraum von der grünen Energie

Illegale Abholzung des Regenwaldes auf Sumatra/Indonesien von November 2011.
Ein gerodetes Stück Regenwald © picture alliance / dpa / WWF-Indonesia
Von Udo Pollmer · 10.06.2016
Speiseöle an der Zapfsäule: Mit dieser Idee wollte die Politik den Umweltschutz in Deutschland voranbringen. Doch der rasant steigende Bedarf an Palmöl führt zu großflächigen Rodungen des Regenwaldes. Sind Soja oder Raps eine Alternative? Udo Pollmer ist skeptisch.
Für jedes komplizierte Problem gibt es bekanntlich eine Lösung, die ist einfach, logisch – und falsch. Wenn in Südostasien tropische Wälder abgefackelt und Moore trockengelegt werden, um Ölpalmen anzupflanzen, geht dadurch der Lebensraum nicht nur von Orang-Utans verloren. Deshalb fordern Umweltschützer die Lebensmittelindustrie auf, endlich auf das billige Palmöl zu verzichten. Schließlich könne sie ja auf andere, wenn auch teurere Öle zurückgreifen, und schon hat die Welt ein Umweltproblem weniger. So einfach, wie logisch.

Massenhaftes Verheizen

Doch woher kommt der enorme Bedarf an Speiseöl? Den verdanken wir den Klimaschützern: Sie hatten vor einem Jahrzehnt die monströse Idee in die Tat umgesetzt, Speiseöl statt Mineralöl in den Tank zu packen und Heizkraftwerke damit zu befeuern. "Mit der Novellierung des Erneuerbaren Energien Gesetzes 2004", konstatieren Regenwaldschützer, "begann das massenhafte Verheizen von Palmöl in Deutschland". Sollen wir nun bei Tisch auf Palmöl verzichten, damit es für Tankstellen und Kraftwerke reicht?
Greifen wir die Forderung der Freunde des malaysischen Regenwaldes auf und ersetzen das Palmöl durch Sojaöl. Schon protestieren Freunde des brasilianischen Tropenwaldes. Sie sammeln Spenden, um dort Rodungen für Sojaplantagen zu verhindern. Die Sojabohne wird wie die Ölpalme zur Gewinnung von Öl angebaut, der billige Rückstand, das Sojaeiweiß kommt, weil für den Menschen ungenießbar, in den Schweinetrog. Ebenso der Rückstand der Ölpalme, er wird an Rinder verfüttert.
Nun können die Zauberlehrlinge ihren wildgewordenen Erneuerbaren-Energie-Besen nicht mehr bändigen. Die Nachfrage nach Ölen ist durch das Gesetz massiv gestiegen und nun muss dieses Öl auch erzeugt werden. Der Hang zum Palmöl kommt daher, dass die Erträge pro Hektar die höchsten sind. Deshalb ist es auch so billig. Würde man auf die Palmen in Südostasien verzichten, so müsste man andernorts weitaus größere Gebiete roden, um unserem Alptraum von der grünen Energie vom fremden Acker ein Stück näher zu kommen.
Falls wir auf Importöle für Biodiesel verzichten, um tropische Wälder zu "retten", dann müssen wir im eigenen Lande Ölpflanzen anbauen. Derzeit blühet ja der Raps so leuchtend gelb auf deutschen Äckern! Diese Flächen sind damit der Nahrungsproduktion entzogen und bewirken einen Preisanstieg für Lebensmittel, was Menschen mit niedrigem Einkommen gar nicht schätzen.
Bei der Gewinnung von Rapsöl zur Herstellung von Biodiesel fallen in Deutschland jährlich Millionen Tonnen Presskuchen an. Sie sind für den Menschen ungenießbar und landen deshalb im Futtertrog der Kühe. Mehr Energie vom Acker erzwingt eine Ausweitung der Tierhaltung, um wenigstens einen Teil der Ernte noch für Nahrungszwecke nutzen zu können.
Je besser die Voraussetzungen für den Rapsanbau, desto höher die Erträge und desto optimaler die Energiebilanz beim Rapsdiesel. Doch die könnte deutlich besser sein. Aufgrund einer Medienkampagne wurden die Neonicotinoide als Beizmittel für Rapssaat verboten. Die Neonicotinoide sind eine Gruppe von Insektiziden, die für Säugetiere und damit auch für Menschen ungiftig sind. Von dem Verbot profitiert vor allem der Rapserdfloh, der seither nur noch schwer zu bekämpfen ist. Dabei sollte das Verbot vor allem die Bienen schützen. Doch die waren nicht gefährdet. Schließlich interessieren sie sich nicht für Saatgut, das im Spätsommer in den Boden eingearbeitet wird.

Gewinner sind die Pflanzenschutzmittel-Hersteller

Bei diesem Spiel gibt es sogar Gewinner wider Willen: Es sind die Hersteller von Pflanzenschutzmitteln: Das Verbot der Neonicotinoide sorgte für eine Vervierfachung des Absatzes an Insektiziden im Rapsanbau. Als Ersatzstoffe kommen nun Pyrethroide zum Einsatz. Und die sind so bienengiftig, dass die Bienen, falls sie noch können, freiwillig das Weite suchen.
Die Folgen einer unbedachten Umweltpolitik können fatal sein – nicht nur für die Regenwälder, sondern gleichermaßen für die edlen Spender, die mit ihren milden Gaben an Umweltschützer die Idee von der grünen Energie vom Acker erst hoffähig gemacht haben. Mahlzeit!

Literatur
Zimmermann M: Jedes zweite Supermarktprodukt enthält schädliches Palmöl. Welt Online 12. Mai 2016
Lehner J: Tolles Produkt mit Nebenwirkungen: Das schmierige Geschäft mit Palmöl. Nachrichten.at 17. Mai 2016
Agrarheute.com: Seit Neonikotinoid-Verbot: Insektizid-Einsatz vervierfacht. Meldung vom 13. April 2015
Keckl G: Mehr Aufwand, weniger Fortschritt. Klargelegt, DLZ vom 22.12.2014
Glas M: Maßnahmen gegen den Rapserdfloh. Haben Insektizide Beizmittel eine Zukunft? 63. Baden-Württembergischer Pflanzenschutztag, Wolpertshausen 16. Februar 2016
Rettet den Regenwald e.V.: Palmöl. Retrieved 1. Juni 2016
Greenpeace: Dauergifte in der Umwelt: Pyrethroide. Wien, ohne Jahr
Holdinghausen H: Energie vom Acker: Potential für Mais und Raps. TAZ vom 15. Februar 2013
Mehr zum Thema