Bio-Siegel wird 20 Jahre alt

Orientierungspunkt im Label-Dschungel

10:14 Minuten
Ein Mitarbeiter hält bei der Grünen Woche in Berlin ein Brett mit Häppchen, wobei das deutsche staatliche Bio-Siegel auf seiner Schürze zu sehen ist.
Wohl bekomm's! Das deutsche Bio-Siegel genießt relativ großes Vertrauen bei der deutschen Kundschaft. © picture alliance / dpa / Christoph Soeder
Von Jana Münkel · 22.06.2021
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Es ist grün, sechseckig, und in der Mitte steht in grün und schwarz "BIO". In diesem Jahr wird das deutsche Bio-Siegel 20 Jahre alt. In Berlin wird es als Erfolgsgeschichte gefeiert, doch der Ökolandbau ist noch längst nicht so weit gekommen wie erhofft.
Das deutsche Biosiegel kennzeichnet all jene Produkte, die mindestens die Anforderungen der EU-Öko-Verordnung erfüllen. Diese legt fest, wie Bio-Lebensmittel produziert, kontrolliert, importiert und gekennzeichnet werden. Eine Vorgabe ist zum Beispiel, dass keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutz- und Düngemittel verwendet werden dürfen. Für die Tierhaltung gelten höhere Standards, was Futter und die Stallfläche pro Tier betrifft. Die Tiere dürfen zudem keine Antibiotika, Wachstums- oder Leistungshormone bekommen.
Seit 2010 gibt es allerdings auch ein EU-weites Bio-Logo – ein grünes Logo mit weißen Sternen in Blattform, das genau den gleichen Kriterien entspricht. Es war der Versuch einer Vereinheitlichung – das EU-Logo sollte das deutsche Bio-Siegel, also das grüne Sechseck, eigentlich ablösen. Das hat nur bedingt geklappt: Das deutsche Siegel wird oft trotzdem noch verwendet.
Achim Spiller, Professor für Lebensmittelmarketing an der Universität Göttingen, betont den Aspekt des Vertrauens in solche Logos: "Wir sprechen in der Ökonomie von so genannten Vertrauenseigenschaften, wo die Konsumenten vertrauen oder glauben müssen, dass das auch erfüllt ist. Das kann man ja nicht selber überprüfen. Bei Eigenschaften wie Tierwohl, Umweltfreundlichkeit, Biodiversität brauchen wir solche Label, wenn wir die Kunden am Regal mitnehmen wollen."

Im Dschungel der Labels

Spiller hat herausgefunden, dass das deutsche Bio-Siegel in Deutschland das bekannteste ist – über 90 Prozent der Menschen erkennen es, dagegen fallen alle anderen Siegel ab, auch das europäische. Das habe mit dem kostspieligen, aber erfolgreichen Marketing für das deutsche Logo zu tun und auch mit dem besseren Design, sagt Spiller. Das EU-Siegel sei hingegen "grafisch nichtssagend".
Für Bio-Produkte gibt es in Deutschland viele verschiedene Siegel – zu den staatlichen Siegeln kommen private wie das von "Naturland" oder "demeter" hinzu. Diese haben meist noch strengere Kriterien für die Herstellung von Produkten. Achim Spiller kritisiert den "Labeldschungel" und hat mittels Fake Labels nachgewiesen, dass die Verbraucher*nnen die echten Logos teilweise nicht von frei erfundenen Logos unterscheiden können:
"Man sieht, wenn man ein Pseudozeichen, das es nicht gibt, abfragt, dass 15 bis 20 Prozent der Verbraucher*innen meinen: Das kenne ich auch. Das ist für uns ein Maßstab für die Verwirrtheit auf dem Markt. Wenn dann einige echte Labels auch nur unwesentlich über diesem Wert liegen, zeigt das, dass die Menschen da nicht mehr richtig durchblicken." Diese Unübersichtlichkeit führe auch dazu, dass ein Teil der Verbraucher*innen sich frustriert von Bioprodukten abwende.

Ein Fünftel "Öko" bis 2030

Das Bio-Siegel wurde vor 20 Jahren auch mit dem Ziel eingeführt, den Anteil des Ökolandbaus in Deutschland zu erhöhen. Die damalige Bundesumweltministerin Renate Künast hatte das Ziel "20 Prozent Ökolandbau bis 2010" ausgegeben. Das wurde bei Weitem nicht erreicht.
Jetzt heißt es: 20 Prozent Ökolandbau bis 2030. Bundeslandwirtschaftministerin Julia Klöckner hat neue Zahlen vorgestellt: Der Anteil des Ökolandbaus an der gesamten Landwirtschaftsfläche ist demnach 2020 auf 10,3 Prozent gestiegen, Ende 2019 waren es 9,7 Prozent – ein eher leichter Anstieg um etwas mehr als ein halbes Prozent. Es gibt also noch viel zu tun.
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