Binoculers - Kammerpop aus Hamburg

Gesang von den Sonnen- und Schattenseiten

Schatten einer Frau
Auch das neue Album mag es dunkel, das "Adapted to both shade and sun" heißt. © picture alliance / dpa / Foto: Daniel Reinhardt
Von Olga Hochweis · 18.06.2015
Die Binoculers sind die Hamburger Eleltromusiker Nadja Rüdebusch und Daniel Gädicke. Nach ihrem Album "There is not enough space in the dark“ wird in „Adapted to both shade and sun“ wieder über Licht, Dunkelheit und Lebensängste gesungen.
"Unsere Eltern machen sich manchmal ein bisschen Sorgen um uns, weil unsere Musik so dunkel ist. Also es gibt auch sehr viel Licht in unserem Leben. Sie müssen sich keine Sorgen machen."
Man muss sich keine Sorgen machen um Nadja Rüdebusch. Die 35-Jährige, lange dunkle Haare, Rehaugen, mag auf den ersten Blick zart wirken, in Sachen Musik verfolgt sie ihre Ziele mit zäher Beharrlichkeit. Gesungen hat sie schon mit 15 in Schulbands. Als es ihr so richtig ernst wurde mit ihren Songs, gab sie an die einhundert Konzerte im Jahr. Mit Daniel Gädicke, ihrem Duo-Partner seit 2007 und noch länger Mann fürs Leben, gründete sie vor drei Jahren das Label "Insular" – die musikalische Insel, von der aus ihre Alben in die Welt ziehen
"Anfänge waren zwar immer Gitarre und Stimme, weil das eben etwas war, was ich allein machen konnte, aber ich hatte immer schon ´ne Loop-Station. Ich hab immer schon größer gedacht und auch größer geschrieben , als nur Gitarre und Stimme, da war dann auch schon ganz viel Technik-Kram dabei."
Mittlerweile teilen sich Nadja Rüdebusch und Daniel Gädicke den Technikkram. Im Zentrum steht der Gesang, oft geflüstert, mit und ohne Hall, manchmal verdoppelt. Noch komplexer die Arrangements: Effekte und uneindeutige Klänge, übereinandergelegtes Harmonium und Orgel. Verfremdete Sounds mit E-Gitarre und Piano, aber auch analog eingespieltes Mellotron oder eine Spieluhr, die dank Verstärker nach riesigem Glockenspiel klingt. Binoculers, das sei vor allem Nadjas Projekt, sagt Daniel Gädicke, der Mann fürs Schlagzeug und die Regler. Sein Job sei es, die Songs in Szene zu setzen:
"Wir haben die Aufnahmen in einem ganz alten Haus in der Nähe von Bremen gemacht, in einem alten Bauernhaus, aus dem Jahr 1904 glaub ich, mit vielen verschiedenen Räumen, großer Flur, großes Treppenhaus und mit diesen Räumen haben wir auch experimentiert, wir haben also das Schlagzeug im einem Raum aufgenommen, die Mikrofone dazu in andere Räume gestellt, wir haben genau diese Effekte benutzt, und genau dadurch entsteht dann dieser Raum und diese Tiefe in der Musik."
Licht und Dunkelheit
"There is not enough space in the dark“ hieß das vorangegangene Album der Binoculers aus dem Jahr 2012. Auch das neue Album mag es dunkel. "Adapted to both shade and sun" heißt es, wobei Schatten und Sonne ziemlich ungleich verteilt sind. Den eher düsteren Sounds entsprechen die Inhalte. Innere Bildbeschreibungen nennt Nadja Rüdebusch ihre Texte, keine Geschichten, sondern Momentaufnahmen von Bildern und Gefühlen: ob es die Ängste sind, die man im Laufe seines Lebens entwickelt oder eine letzte Reise durchs All – im Titel "Agravic" – Schwerelos.
"Ich hab in letzter Zeit sehr viel von Ray Bradbury gelesen, der schreibt auch viele abgründige Kurzgeschichten, die mich sehr inspiriert haben, für das letzte Album. Hintergründig hat mich das schon beeinflusst, diese Stimmung im Weltall zu schweben und verloren zu sein, in einer Geschichte geht es darum, dass man als Astronaut verloren geht im Weltall, und diese letzten Gedanken kommen, wenn man weiß, man stirbt gleich und ist sozusagen verewigt, wie ein kleines Stück Masse, das sich im Weltall verliert."
Bildlich gesprochen mit dem Fernglas in der Hand haben die "Binoculers" das Weltall und die Dinge des Lebens im Auge. Ernsthaft und klug und voller Poesie. Auf gewisse Weise sogar philosophisch.
"Wir haben das am Anfang so interpretiert, dass wir Dinge näher ran holen, Kleinigkeiten, Details, die man sonst übersieht, sieht, vergrößern oder näher ran holen, darum geht es auch ganz oft in unserer Musik und in den Texten, dass wir so Dinge, die wir sonst übersehen und näher ran holen, näher beleuchten."
Die Sterne leuchten am hellsten dort, wo das Wasser schwarz ist, singt Nadja Rüdebusch. Womit wir wieder bei Schatten und Sonne vom Albumtitel wären: "Adapted to both shade and sun". Die Botschaft: es kommt nur darauf an, wie wir die Dinge betrachten.