"Bingewatch", das Serienquartett (2/4)

Vier Serien mit Provokationspotential

44:40 Minuten
Szenenfoto aus "Euphoria": Zwei Mädchen stehen eng voreinander und gucken sich in die Augen, ihre Stirne berühren sich.
Von der HBO-Serie "Euphoria" sind unsere vier Kritiker und Kritikerinnen alle überzeugt. © imago images / Prod.DB/ HBO
Von Susanne Burg, Jörg Taszman, Anna Wöllner und Patrick Wellinski · 27.07.2019
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Von "Chernobyl" bis "Good Omens" - es gibt kaum eine Fernsehserie, die nicht irgendeine gesellschaftliche Gruppe provoziert. Ein guter Zeitpunkt, sich diese Serien genauer anzusehen. Unsere vier Kritikerinnen und Kritiker geben ihr Urteil ab.

Jugendlicher Nihilismus in HBOs "Euphoria"

Bereits mit der ersten Folge, löste die HBO-Serie "Euphoria" eine Welle der Empörung aus. Gerade die recht expliziten Nacktaufnahmen der Darsteller wurden kritisiert. Dabei handelt die Serie von Jugendlichen, die im digitalen Zeitalter aufwachsen und sich ständig mit Pornographie umgeben sehen.
Basierend auf der gleichnamigen israelischen Serie stehen auch hier drei Mädchen im Mittelpunkt, die in einer Kleinstadt inmitten Sex- und Drogenexzessen aufwachsen. In rauschhafte Bilder getaucht und mit einem großartigen Soundtrack des kanadischen Rappers Drake versehen, entfaltet die Serie ein trauriges Panorama einer ziellosen Jugend.
Modern, Mutig und Smart: Das Quartett hat eine eindeutige Meinung. Bewertung: 4 x Top.

Okkultismus und Apokalypse in "Too Old To Die Young" (Amazon Prime)

Der dänische Autorenfilmer Nicolas Windn Refn gilt als Skandal-Filmemacher. Er provoziert in seinen Kinofilmen wie "Pusher"; "Drive" oder "Only God Forgives" mit roher Gewalt in schönen, Neonlicht gefluteten Bildern und Geschichten, denen man gerne frauenverachtende Tendenzen vorwirft. Mit seiner knapp 16 Stunden langen Serie "Too Old To Die Young" setzt er diese Handschrift nahtlos fort. Er schildert darin den Aufstieg eines mexikanischen Gang-Bosses, der den Tod seiner Mutter rächen will. Der Täter, ein Cop, begibt sich auf eine Rachejagd gegen Pädophile und Schwerverbrecher.
Die Serie entzieht sich allen gängigen Erzähl- und Deutungsmustern. Ekelhafte Gewaltschlacht oder ist Refn ein düster-poetisches Bild der Apocalypse gelungen? Das Quartett war gespalten. Bewertung: 2 x Top und 2 x Flop

Blutige Vampirorgie in "Tokyo Vampire Hotel" (Amazon Prime)

Seit Jahrhunderten kämpfen der rumänische Dracula-Clan gegen die gewalttätige Abspaltung, den Corvin-Clan. Letzter gewinnt die Oberhand und verbannt den Dracula-Clan in den Untergrund. Ihre einzige Hoffnung ist ein Baby, das am 9. November 1999 um 9:09:09 geboren wurde. Dieses Mädchen ist Manami und wird gerade 22 Jahre alt, als die Hölle ausbricht. Sowohl der Corvin-Clan wie auch der Dracula-Clan brauchen ihr Blut um den Weltuntergang zu überleben. Ganz nebenbei erfährt eine Gruppe von japanischen Singles, die ins luxuriöse Requiem Hotel eingeladen wurden, dass sie als lebende Blutkonserve für die Vampire dienen sollten. In seiner grell-lauten Genre-Groteske mischt der japanische Cyberpunk Sion Sono alles zusammen, was der Vampirmythos hergibt. Das Blut spritzt literweise.
Ist das ganze vulgär und sinnlos oder vielleicht doch eine konsequente und teilweise poetische Annährung an japanisch-europäische Vampirgeschichten? Das Quartett war großenteils eher gelangweilt. Bewertung: 1 x Top und 3 x Flop

Kriegsbürokratie als Satire in "Catch 22" (StarZ Play)

Bereits die erste Verfilmung von Joseph Hellers Anti-Kriegsroman "Catch 22" sorgte 1970 für einen Skandal. Wie der Roman erzählt nun auch die von George Clooney produzierte Serie von John Yossarian, der 1942 mit einem US-Bombengeschwader auf einer italienischen Insel stationiert ist. Sein großes Ziel ist, möglichst schnell nach Hause geschickt zu werden. Doch nach jedem Einsatz wird die Flugquote im Krieg weiter erhöht. Daraufhin versucht Yossarian alles, um als wahnsinnig diagnostiziert zu werden, damit man ihn vom Dienst entbindet. Allerdings kommt ihm immer wieder der Wahn der Kriegsbürokratie dazwischen. Die Weltkriegssatire thematisiert Kriegsmüdigkeit und die absurden Befehlsketten des Militärs. Aber kann die Serie mit ihrem ausgestellten Retro-Charme dem als unverfilmbar geltenden Roman etwas Neues abgewinnen?
Das Quartett ist sich sehr uneins, ob dies, trotz Star-Power, gelungen ist. Bewertung: 2 x Flop und 2 x Top
Weitere Serientipps in der Sendung:
Jörg Taszman empfiehlt die belgische Serie "Undercover" (ZDFNeo)
Anna Wollner empfiehlt "Big Little Lies II" (Sky Atlantic / HBO)
Susanne Burg empfiehlt die Miniserie "The New Pope" (Sky)
Patrick Wellinski empfiehlt die dritte Staffel der Beziehungs-Serie "Easy" (Netflix)
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