Billiges Öl

Konjunkturspritze mit Nebenwirkungen

Anzeige einer Tankstelle in Hamburg
Die Anzeige einer Tankstelle zeigt am 03.12.2015 in Hamburg einen Dieselpreis von 99,9 Cent an. © picture alliance / dpa / Foto: Daniel Reinhardt
Von Stefan Wolff · 12.01.2016
In Deutschland sind mehr als 54 Millionen Kraftfahrzeuge zugelassen, die auch betankt werden müssen. Dank des derzeit billigen Öls, sparen viele zurzeit bares Geld. Aber hilft billiges Öl auch langfristig? Wer sind die kurzfristigen Gewinner und wer trägt die Risiken?
Finanzminister Schäuble kann sich freuen. Die Wirtschaft läuft, die Steuereinnahmen sprudeln. Da fällt es ein Stück leichter, das Mantra vom ausgeglichenen Haushalt immer und immer wieder zu wiederholen, wie zum Beispiel vor kurzem auf einem Bankenkongress in Frankfurt:
"Wir können vielleicht im nächsten Jahr ohne Defizite auskommen. Die schwarze Null wird verteidigt, denn wenn sie erst einmal weg ist, ist es viel schwerer zu verhindern, dass die Dämme wegbrechen."
Dass es die "Schwarze Null" gibt, liegt auch ein bisschen am schwarzen Gold. Der niedrige Ölpreis wirkt wie ein Konjunkturprogramm. Unternehmen und Verbraucher müssen für Energie weniger Geld ausgeben. Und was nicht fürs Tanken draufgeht, kann anderweitig ausgegeben werden. Der Konsum hat sich im vergangenen Jahr so stark entwickelt wie seit 15 Jahren nicht mehr.
Firmen sparen Transport- und Produktionskosten. Unterm Strich bleibt mehr Gewinn hängen. Und das bedeutet mehr Steuern für den Bundeshaushalt. Dora Borbely, Energieexpertin der Deka Bank rechnet mit einem spürbaren Wachstumsschub:
"Also gerade für die Länder, die Öl verbrauchen, rechnet man damit, dass das Wachstum wegen des niedrigen Ölpreises um ein paar Zehntel angestiegen sein könnte, also das schiebt auf jeden Fall das Wachstum."
Saudi-Arabien schreibt rote Zahlen
Ganz anders sieht das natürlich in jenen Ländern aus, die vom Ölverkauf leben. Saudi Arabien schreibt rote Zahlen. Die gefallenen Ölpreise haben ein Loch im Umfang von fast 100 Milliarden Dollar in den Haushalt gerissen. Auch für das kommende Jahr wird ein Defizit erwartet. Saudi Arabien bräuchte einen Fasspreis von 104 Dollar für einen ausgeglichenen Haushalt. Die Vereinigten Arabischen Emirate kämen mit 81 Dollar je Barrel aus, Kuweit mit 78 Dollar, doch der Preis für Opec-Öl ist kürzlich sogar unter 30 Dollar gefallen. Saudi Arabien hat bereits Steuern erhöht, Subventionen gestrichen. Russlands Wirtschaft steckt in einer tiefen Krise. Venezuela sowieso. Experten sehen über manche Länder schon den Pleitegeier kreisen. Martin Güntner von der Fondsgesellschaft Swisscanto relativiert:
"Existenzbedrohend glaube ich nicht. Staatseinnahmen sind ja nur geschmälert. Und wie lange die geschmälert sind, das lasse ich mal dahingestellt, denn Erdöl ist nach wie vor die Hauptenergiequelle weltweit. Die Staaten müssen halt Alternativen überlegen wie sei Einnahmen erzielen über andere Geschäftsfelder."
Die Staaten auf der arabischen Halbinsel setzen auf Tourismus, sie bauen Handels- und Konferenzzentren, bauen eigene Finanzmärkte auf. Die Fluggesellschaften der Golfstaaten wachsen stetig. Dubai hat sich als internationales Drehkreuz etabliert. Auch Norwegen plant für die Zeit nach dem Öl. Die staatlichen Öleinnahmen fließen in einen Fonds aus dem in der Zukunft unter anderem Sozialausgaben finanziert werden sollen. Das Geld aus dem an sich schmutzigen Ölgeschäft wird dabei sogar gewaschen, denn es fließt nur in Unternehmen, die nachhaltig wirtschaften. Öl, Kohle, Gas und Atom sind tabu. Die niedrigen Ölpreise belasten den Staatsfonds, erklärt Markus Güntner:
"Bei dem norwegischen Staatsfonds hat natürlich im Hinblick darauf, dass der Ölpreis verfallen ist, das Problem, dass er weniger Einnahmen hat. Aber der Bestand des Staatsfonds ist ja nach wie vor vorhanden und dort wird ja nach dem Kohleausstieg in nachhaltige Unternehmen investiert. Das bleibt also beibehalten, das heißt: Das verändert sich nach wie vor positiv, denn wenn der Staatsfonds positiv wirtschaftet, sprich Zinsen, Erträge, wird er diese wieder anlegen, somit geht’s weiter."
Die Weichen sind also gestellt. Doch die meisten Förder-Staaten warten auf teureres Öl.
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