Bildungspolitik

Löhrmann will mehr Vergleichbarkeit bei Abschlüssen

Sylvia Löhrmann im Gespräch mit Marietta Schwarz · 15.01.2014
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Sylvia Löhrmann, sieht die Vergleichbarkeit des Bildungswesens als "eine der Kernfragen, an der wir arbeiten". Wichtig seien für sie außerdem Inklusion und Erinnerungskultur.
Marietta Schwarz: Mehr als ein Dutzend verschiedene Schulformen gibt es in Deutschland. Grundschulzeiten, Lehrpläne und Abiture sind je nach Bundesland ganz unterschiedlich. Dabei sollen die Politiker ihre Bildungspolitik untereinander abstimmen.
Das Gremium hierfür ist die Kultusministerkonferenz, die sich aus den zuständigen Landesministern zusammensetzt. Heute übernimmt Sylvia Löhrmann, grüne Bildungsministerin von Nordrhein-Westfalen, offiziell die Präsidentschaft der KMK für ein Jahr. Guten Morgen, Frau Löhrmann!
Sylvia Löhrmann: Guten Morgen, Frau Schwarz!
Schwarz: Was haben Sie sich denn als erste grüne KMK-Präsidentin vorgenommen?
Löhrmann: Ich hab' mir mehreres vorgenommen, und bezogen auf das, was Sie anmoderiert haben, ist natürlich die Daueraufgabe, und das schafft man nicht in einem Jahr, aber das ist wichtig, dass wir daran weiter arbeiten, die Mobilität und die Vergleichbarkeit des Bildungswesens in Deutschland zu sichern. Das ist eine der Kernfragen, an der wir arbeiten. Und wichtig ist ja, dass wir gleiche Ziele vereinbaren, die Kompetenzorientierung ist verankert worden nach Pisa.
Wir haben jetzt erste Erfolge auch beim Aufholen, um besser zu werden in der Breite und in der Spitze, und das ist eines der Dauerthemen. Da gibt es die Planung, dass wir neben dem Feststellen, wo stehen die einzelnen Länder und die Schülerinnen uns Schüler in den Ländern und das System – dass wir genauer herausfinden, warum sind die Ostländer in den Naturwissenschaften weiter vorne.
Wie schaffen wir es, die Kinder mit Zuwanderungsgeschichte besser zu fördern mit Blick auf Bildungsgerechtigkeit? Dass wir stärker herausfinden, woran liegt es denn. Weil es an den Landesregierungen in dem Sinne so intensiv gar nicht liegt an den Farben, weil die ja auch häufiger schon mal wechseln, um hier insgesamt voranzukommen. Daneben steht das Thema Inklusion auf der Tagesordnung, und persönlich habe ich das Thema Erinnerungskultur auf die Tagesordnung gesetzt, was ich gerade in diesem Jahr, was so reich ist an wichtigen historischen Daten, anbietet.
"Alle Länder wollen besser werden"
Schwarz: Bleiben wir noch mal kurz beim ersten Punkt. Sie haben Chancengleichheit und Vergleichbarkeit der Leistungen genannt und sagen dann auch gleich, wir müssen uns fragen, woran liegt es denn. Da wird Ihnen ja eigentlich keiner widersprechen in der KMK, dass man das will. Woran hakt es denn? Was haben Sie denn für eine Antwort darauf.
Löhrmann: Na, erst mal ist es ja gut, dass mir keiner widerspricht, weil vielleicht, unbeobachtet von der Öffentlichkeit wir in vielen, vielen Fragen wir mehr Übereinstimmung haben, als manchmal die Schlachten in der Öffentlichkeit zum Ausdruck bringen. Alle Länder wollen besser werden, und natürlich liegt es daran, dass wir gucken müssen, welche Faktoren spielen bestimmte Ergebnisse möglicherweise eine Rolle, und welche Steuerung, welche Ansatzpunkte haben die Länder.
Schwarz: Ist es das Geld?
Löhrmann: Es ist nicht nur das Geld, aber es ist natürlich das Geld. Und viele Länder nutzen ja auch die demografischen Effekte, um in Schule und Bildung zu investieren. Wir bauen überall die frühkindliche Bildung aus, die oft ja im Schatten der Schule gestanden hat, weil wir wissen, dass wir die frühkindliche Neugier, die Freude am Lernen, ja auch schon in den Kitas, ohne sie zu verschulen, auch nutzen müssen und die Kita als Bildungseinrichtung ausbauen in qualitativer Hinsicht.
Und, was, glaube ich, ganz, ganz wichtig war, wegzukommen allein von einer Input-Orientierung hin zur Frage, was sollen Jugendliche am Ende der Grundschulzeit, am Ende des mittleren Bildungsabschlusses, was sollen sie können? Die Vergleichbarkeit des Abiturs ist eine weitere Frage, um dann gezielt darauf hinzuarbeiten und genauer hinzuschauen.
Schwarz: 2014 ist ein Jahr der historischen Gedenktage, sie haben es bereits angesprochen. Sie wollen daraus ein Jahr der Erinnerungskultur an deutschen Schulen ausrufen. Was hat man sich genau darunter vorzustellen?
Löhrmann: Viele, viele verschiedene Dinge. Und natürlich geht es nicht nur darum, das nur für dieses Jahr zu tun, sondern dauerhaft sich zu verständigen. Ich habe sehr, sehr gute Erfahrungen gemacht, außerschulische Lernorte auch zu nutzen für ganzheitliche Bildungsprozesse. Ich habe zweimal Jugendliche nach Auschwitz begleitet, im letzten Herbst bin ich in Flandern gewesen anlässlich des Waffenstillstandstages des Ersten Weltkriegs.
Und ich war sehr bewegt und beeindruckt, wie unmittelbar und nachhaltig diese Erfahrung, der Blick auf Soldatenfelder, der Besuch von Auschwitz, Jugendliche aufgerüttelt hat und ihnen natürlich einen anderen Zugang ermöglicht, als es allein im Unterricht vermittelt zu bekommen und zu lernen.
"Man muss nicht immer weit reisen"
Schwarz: Das heißt, es geht Ihnen um den Besuch von Gedenkorten?
Löhrmann: Zum Beispiel, aber man muss nicht immer weit reisen. Es gibt "Aktion Stolpersteine", wir haben "Schulen gegen Rassismus", "Schulen mit Courage". Wir haben Netzwerke, bundesweit auch. Und ich glaube, das wollen wir bündeln, da wollen wir Empfehlungen erarbeiten innerhalb dieses Jahres, die dann natürlich dauerhaft wirken sollen in den Ländern. Und diese Initiative ist begrüßt worden von Herrn Spaenle aus Bayern, von Frau Kurth aus Sachsen, die die nächste Präsidentin sein wird. Also, wir legen unsere Pläne auch längerfristig an, um wegzukommen von aktionistischen Aktivitäten.
Schwarz: Kommt das Gedenken an historische Ereignisse an deutschen Schulen zu kurz, oder warum machen Sie das?
Löhrmann: Ich glaube, wir können einen neuen Anlauf nehmen, um es intensiver und systematischer zu machen. Es gibt, ganz, ganz, ganz viele Schulen, bundesweit, die das schon jetzt zu ihrer Sache machen, etwa durch die Namensgebung. Geschwister-Scholl-Schulen nennen sich viele Schulen.
Und ich glaube, wir können mehr mit den Möglichkeiten, die wir jetzt schon haben, machen, und gerade das Projektarbeiten, das fächerübergreifende Arbeiten, löst dann intensivere, nachhaltigere Lerneffekte aus, weil wir ja ganzheitlich junge Menschen auch in ihrer Persönlichkeit, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stärken und entwickeln wollen.
Schwarz: Sylvia Löhrmann, grüne Bildungsministerin in Nordrhein-Westfalen, und ab heute offiziell Präsidentin der Kultusministerkonferenz. Danke, Frau Löhrmann!
Löhrmann: Gerne, Frau Schwarz!
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