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EU-Digitalstrategie
Hin zur europäischen Datenwolke

In den nächsten Jahren will die EU-Kommission einen digitalen Binnenmarkt verwirklichen - ein ehrgeiziges wie komplexes Vorhaben. Die in Brüssel präsentierte Digitalstrategie soll den Startschuss geben für eine überfällige Aufholjagd, wie Vize-Kommissionspräsident Andrus Ansip einräumen musste.

Von Jörg Münchenberg | 06.05.2015
    "Die Notwendigkeit zur Umsetzung eines europäischen Digitalmarktes liegt auf der Hand", so Andrus Ansip, Kommissions-Vizepräsident.
    "Die Notwendigkeit zur Umsetzung eines europäischen Digitalmarktes liegt auf der Hand", so Andrus Ansip, Kommissions-Vizepräsident. (picture alliance/dpa - Olivier Hoslet)
    "Die Notwendigkeit zur Umsetzung eines europäischen Digitalmarktes liegt auf der Hand. Weil die Kosten für den bislang fehlenden gemeinsamen Markt enorm hoch sind. Wir reden hier von 415 Milliarden Euro. Deshalb wollen wir das jetzt umsetzen - und zwar möglichst schnell."
    Denn trotz der wachsenden Bedeutung der digitalen Wirtschaft für Unternehmen und Kunden ist der europäische Markt bislang vor allem von nationalen Bestimmungen geprägt. Deshalb sollen auch bestehende Regelungen harmonisiert oder zumindest angeglichen werden, nicht zuletzt beim Online-Handel.
    Auf gekaufte Musik und Filme aus ganz Europa zugreifen
    Das gilt für das Vertragsrecht genauso wie für Verbraucherrechte, etwa beim Umtausch. Zudem will die Kommission die bislang intransparente Kostenstruktur der Lieferunternehmen bei der Paketzustellung ebenso unter die Lupe nehmen wie das Urheberrecht europäisieren. Damit, so Digitalkommissar Günther Oettinger, die Nutzer auf bereits zu Hause bezahlte Filme oder Musik überall in Europa zugreifen könnten.
    "Wir wollen, dass auch mehr Bürger grenzüberschreitend und digital Geschäfte betreiben. Bestellungen aufgeben. Sich im europäischen elektronisch-digitalen Binnenmarkt genauso selbstverständlich bewegen wie im nationalen oder regionalen Markt derzeit."
    Blockade des Wettbewerbs verbieten
    Auch gegen das sogenannte Geoblocking will die Kommission vorgehen, zumindest da, wo es nicht gerechtfertigt ist, etwa beim E-Commerce. Je nach Standort können dabei Verbraucher nicht auf andere Seiten im EU-Ausland ausweichen, etwa, wenn dort das gleiche Produkt günstiger angeboten wird als auf dem Heimatmarkt. Aber auch die Unternehmen sollen von einem digitalen Binnenmarkt profitieren, etwa durch die Umsetzung einer europäischen Datenwolke:
    "Wir wollen eine europäische Kultur der Datensicherheit. Gerade unser Mittelstand braucht Cloud-Computing. Braucht die Speicherung und Bearbeitung und Nutzung von Daten außerhalb seines Unternehmens. Aber er wird seine Daten über Kunden, über Entwicklungskosten, über Marktstrategien nur dann in die Cloud geben, wenn er Vertrauen hat, dass sie dort sicher verwahrt sind", betonte Oettinger.
    Ausbau der Breitbandnetze
    Auch die notwendige Infrastruktur bei den Breitbandnetzen will die Kommission in den nächsten Jahren massiv ausbauen und die Vorgaben für den Telekommunikationssektor harmonisieren. Insgesamt gab es heute für die Initiative mehr Lob als Kritik. Die EU-Abgeordnete Constanze Krehl, SPD:
    "Kommt ein bisschen spät. Ist aber ganz wichtig, ohne Zweifel. Gut ist, dass man die digitale Agenda überhaupt so ins Zentrum der Arbeit der Kommission rückt. Das ist, denke ich, absolut notwendig."
    Am Ende werden aber vor allem die Details entscheiden, ob die neue Digitalstrategie ein Erfolg wird. Und ob die Mitgliedsstaaten grundsätzlich bereit sind, nationale Kompetenzen verstärkt nach Brüssel abzugeben.