
Bildungsarbeit im GefängnisDrinnen lernen für draußen
Podcast abonnieren- Ein junger Häftling nimmt in einem Gefängnis Klavierunterricht. (dpa / picture alliance / Emily Wabitsch)
Lernen ist anstrengend, das gilt überall: Schüler im Knast haben aber nicht nur strafrechtliche Normen verletzt, viele kommen mit sozialen Regeln und mit sich selbst nicht gut zurecht. Wie motiviert sind Straftäter, einen Schulabschluss nachzuholen?
Spiegeln sich die hierarchischen Strukturen der Gefängnis-Subkultur im Unterricht? Wie verschafft man sich als Lehrer da Respekt? Was bringt ein erfolgreicher Schulabschluss für den Neustart nach langer Haftzeit? Sind am Ende alle froh, wenn sie wieder draußen sind - Lehrer und Schüler?
Ein Blick in den Schulalltag der Justizvollzugsanstalt Duben in Südbrandenburg.
Wie ein Ufo liegt sie da. Einsam. Grau und glatt. Mitten im Niemandsland, ringsherum nur der Wind.
Herr K.: "Also der erste Tag, wo man weiß, man bleibt jetzt lange drinnen, man geht jetzt für zwei Jahre oder länger halt rein, ist Scheiße."
Justizvollzugsanstalt Duben im südlichen Brandenburg. Ein modernes Gefängnis mit Haftplätzen für 83 Frauen und 214 Männer.
Herr K.: "Kein schöner Moment, sagen wir mal so, also, es geht eine Menge durch den Kopf. Wie geht es weiter, wenn man ein Kind hat, spielt die Partnerin mit, macht die Familie mit, regeln die draußen deine Sachen, die du nicht geschafft hast, noch zu klären. Wie ist es den anderen Gefangenen, kommst du mit den Leuten klar?"
Mütter, die ihre Kinder getötet haben, Männer, die Kinder missbraucht haben, Menschen, die geschlagen, geklaut oder mehrfach betrogen haben, sitzen hier ein. Fest im Blick der Überwachungskameras und der Beamten.
Frau H.: "Ansonsten ist es, dass man eigentlich seine Selbstbestimmung mit seinen Privatsachen in der Kammer hier abgibt. Und ein Stückweit sein Menschsein, auch."
Gedicht Frau H.:
Der Felsen wird zum Kieselstein."
Herr N.: "Man hat dann halt nur noch entsprechende Anstaltskleidung und halt private Unterwäsche."
Gedicht Frau H:
Türen aus Stahl
Frau H: "Wochentags 6 Uhr Wecken, dann ist bis 7 Uhr Aufschluss, das heißt die Zellen sind auf, man kann sich auf der Station frei bewegen."
Häftlinge können ihren Schulabschluss nachholen
Hier drinnen sitzt man nicht nur die Strafe ab, die Gefangenen sollen sich auch auf die Zeit danach vorbereiten. Sie können zur Schule gehen oder eine Berufsausbildung machen. In Duben zum Beispiel kann man Facharbeiter für Metalltechnik werden oder die Gesellenprüfung für Gebäudereinigung ablegen.
Viele Häftlinge haben keinen Schulabschluss, hier können sie ihn nachholen. Sie können in der Haftzeit die Berufsbildungsreife oder die Fachoberschulreife machen. Manchmal gibt es mehr Interessierte als Plätze, dann kommen die Kandidaten auf eine Warteliste.
Frau H: "Um zirka 7.45 werden wir zur Schule abgeholt, wo wir dann bis maximal halb zwölf bleiben, dann geht's rüber zum Mittagessen, 2x die Woche geht's dann ab um halb eins noch mal für 2 Stunden in die Schule."
Frau H: "Ich werde wach, mein erster Gedanke gilt jetzt nicht der Schule, sondern eher dem Kaffee und der Zigarette. Es ist schon so, dass ich denke: Klasse, nachher geht es wieder zur Schule. Ich bereite mich dann auch drauf vor, dass ich dann meine Schultasche packe, irgendwie fühlt sich das teilweise an, als wäre ich um 20 Jahre zurückversetzt, aber es ist in Ordnung, also, ja."
Ein langer Gang führt zu den Klassenzimmern. Die Wände bunt bemalt von den Gefangenen: eine Bibliothek, eine Weltkarte, Che Guevara. Eine Gruppe Gefangener wartet im Pausenraum, bei den Aquarien. Stumm schwimmen die Fische ihre Bahnen. In der Raucherecke stehen auch ein paar Inhaftierte, frieren, unterhalten sich mit einem Bediensteten. Einige Häftlinge sind bereits fertig mit dem Unterricht, warten in einer Schlange stehend auf die Rückführung in die Zellen, durchlaufen die Sicherheitskontrolle.
Und wie in jeder Schule gibt es ein Lehrerzimmer.
"Morgen! Morgen! Und heute geht's an die Noten ..."
Gedicht Frau H:
Kleinkriminelle, Vergewaltiger, Mörder drücken gemeinsam die Schulbank
Hier an der Schule unterrichten fünf Lehrer in Politik und Geschichte, Biologie, Mathe, Deutsch, Englisch und Wirtschaft. Gelernt wird in geschlossenen Räumen, die Lehrer tragen ein Walkie-Talkie, vor der Tür steht ein Beamter.
Wie sind die Schüler heute wohl drauf? Manchmal kommt als Antwort von den Kollegen: geschmeidig. Manchmal heißt es: Herr X macht heute Stress, Frau Y quatscht immer dazwischen. Die haben sich im Unterricht befummelt. Liebesbriefe geschrieben.
Kleinkriminelle, Vergewaltiger, Mörder drücken gemeinsam die Schulbank. Einige haben ein Drogenproblem, andere können nicht mit Frustrationen umgehen, werfen schnell wieder hin. Es gibt Ehrgeizige und Faule.
Unterricht: "Jetzt geht's los, ich grüße sie herzlich. Guten Morgen!"
Gedicht Frau H:
Unterricht:
Neben Herrn K sitzt Frau He, auf der linken Seite Herr L. Vor Herrn L sitzt Herr N links neben ihm Frau H. Frau H schreibt Gedichte.
Frau H: "Wenn man fast den ganzen Tag in der Zelle eingesperrt ist, mit dem Fernseher, irgendwann wird's auch zu viel und dann lese ich oder ich schreibe relativ viel Gedichte, das ist irgendwie mein Ding, um mich ohne Drogen hier ein bisschen wegzubeamen, den Kopf frei zu bekommen, zu meinem inneren Gleichgewicht zu finden, in dem ich einfach mal diese ganze Scheiße von der Seele schreibe."
"Irgendwann hat's halt dann mal geknallt"
Herr K: "Ich war Kanufahrer, also richtig Leistungssportler."
Herr K hatte große Träume, wollte Profi werden, war in den USA.
"Das war das geilste Erlebnis, das es gibt, wenn man mit dabei sein kann, halt. Ich habe immer gesagt gehabt, ich gehöre mit dazu. Man hat einen Tumor bei mir festgestellt, oberhalb des Sprunggelenks, der wurde dann halt entfernt ... und dann nahm alles so seinen Lauf, Probleme beim Sport, Probleme auf Arbeit, Probleme in der Familie, die falschen Leute dann kennengelernt gehabt, durch die Ausbildung und man zählt hat eins und eins und eins zusammen und dabei kommt nichts Gutes bei raus."
"Ich würde nicht unbedingt sagen, dass es jetzt nicht ein einzelnes Delikt ist, sondern, dass es schon zusammengehört, das was ich gemacht habe. Und das über Jahre, elf Jahre, zwölf Jahre. Das ist meine erste Inhaftierung jetzt, sonst war ich immer in U-Haft gewesen, ein Monat, eine Woche aber nie länger. Ja und irgendwann hat's halt dann mal geknallt."
Gedicht Frau H:
Herr N war mal bei der Bundeswehr, dort hat er gut verdient, in den Jobs danach wurde er schlecht bezahlt, erzählt er. Schließlich fand er gar keine Arbeit mehr.
"Ich habe mich nicht mal mehr bewegt. Ich hatte Außenrollos, und zum Beispiel wollte ich einkaufen gehen und dann war es schon dunkel oder ich wollte ins Bett und da war es schon hell, ich hatte wirklich die Zeit völlig vergessen. Nur gespielt, gespielt, gespielt.
Zum Beispiel habe ich verkauft, Sachen, die ich nicht habe, Handys, Münzen, und das sehr oft wiederholt, ich glaube, Anklageschrift 56 Mal Betrug und einmal versuchter Betrug."
Frau H: "Ich hab vom Amt Gelder bekommen, also Hartz IV, Erziehungsgeld, Kindergeld. Das war ok, damit konnte man gut leben. Ich hätte es nicht nötig gehabt, es wäre nicht notwendig gewesen, ich kann nicht sagen, ich musste klauen, um meinem Sohn was zu essen zu besorgen. Nein, das war's nicht."
Herr K: "Dann habe ich mich halt ins Internet begeben und bei den Versandhäusern halt Bestellungen aufgegeben, hochwertige Bestellungen, Telefon, Fernseher, halt alles was man halt gut zu Geld machen kann, auf Teufel komm raus, wenn ich zehn Sachen bestellt habe, kamen fünf an und die Sachen, die habe ich dann verkauft gehabt, sodass ich dann halt Geld hatte, dass ich meine Kosten damit decken konnte, dass ich meiner Tochter Klamotten kaufen konnte, dass ich uns Essen holen konnte oder, dass wir halt irgendwelche Rechnungen davon bezahlen konnten."
Frau H: "Ganz oft war es wirklich so, dass wir just for fun geklaut haben, es war irgendwie ein Reiz und nicht zuletzt war ich scharf auf die Sachen, die wir so haben konnten, die wir uns nie hätten leisten können, ich bin in sehr ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Und musste eigentlich immer gut zurückstecken, es soll keine Entschuldigung sein, vielmehr eine Erklärung, ja."
Herr N: "Kriminell war ich nie, ich habe niemanden was getan, niemanden geschlagen, habe durch das Alleinsein angefangen zu spielen. Mit der Zeit hatte ich mehr die Sucht zu spielen, man wollte manchmal gar nicht, hatte Kopfschmerzen, hat trotzdem gespielt, zum Beispiel im Kasino. Hat wirklich sein Hab und Gut irgendwie verzockt."
Gedicht Frau H:
Politische Diskussionen im Unterricht
Anfangs saßen in dieser Klasse mehr Schüler. Herr H ging, er macht jetzt eine Ausbildung zum Gebäudereiniger. Herr E ging ebenfalls, die Schule ändere sein Leben nicht, Schulden hat er sowieso und keinen Job. Frau B wurde entlassen, will ein neues Leben starten. Herr A wurde verlegt.
Unterricht:
Frau H: "Ich hab keine abgeschlossene Schulausbildung, ich hab keine Ausbildung gemacht, ich hab eigentlich sehr, sehr wenig gemacht, weil ich ein ziemlich derbes Drogenproblem hatte. Ich hab 2 oder 3 Anläufe gehabt, wo ich meinen Schulabschluss nachholen wollte, und da muss ich ehrlich zugeben, da hat die Faulheit gesiegt."
Herr K: "Da habe ich erfahren, dass ich hier Schulabschluss machen kann, also Realschule, hatte ich gedacht, ok, in ein paar Jahren geht deine Tochter zur Schule, dass du nicht ganz so hinterherhängst, machste deine Schule."
Frau H: "Mir wurde angeboten ein Zertifikat bei der Gebäudereinigung, aber ich habe das so ein bisschen realistisch gesehen, ich würde draußen nie in diesem Job arbeiten, das soll jetzt nicht irgendwie überkandidelt klingen, aber ich weiß, das ist nicht mein Job, da wäre ich unglücklich. Deshalb möchte ich irgendetwas machen, um später eine reelle Chance zu haben, einen Job zu machen, der mir auch nur halbwegs Freude macht."
Herr N: Also mir ist zum Beispiel wichtig, dass man über die Politik redet. Geschichte ist sehr wichtig, Mathe, kommt immer drauf an, was man gerade macht, viele Sachen sehe ich nicht als lebensnotwendig. Deutsch, dass sie vielleicht auch mal einen Brief schreiben können an die Familie, manche können einfach nicht schreiben. Englisch find ich wichtig, wenn man weiterkommen will im Leben. Wirtschaft ist wichtig, für Leute, die sich zum Beispiel selbständig machen möchten.
Unterricht: "Jetzt lassen wir uns Luft rein."
Herr N: "Die Frühstückspause finde ich mit 20 Min. zu lange, weil man sitzt nur rum, kann nichts machen, muss in einen Raum, alle zusammen. Den einen oder anderen stört das schon, sehr, weil doch nicht jeder mit jedem klarkommt, ist klar."
Vor allem Herr D hat einen schweren Stand, steht in der Hierarchie ganz unten. Sie nennen ihn den Kinderficker. Einmal schoss ihm einer die Brille vom Kopf, mit einem Ball, ein zusammengepresstes Frühstückssandwich, mitten im Unterricht.
Geld für die Ausbildung
Unterricht:
Herr N: "Man könnte zum Beispiel Friseure ausbilden. Das wäre zum Beispiel ein Punkt, wo ich sage, warum machen das nicht Gefangene für Gefangene und verdienen damit ihr Geld anstatt, dass man das von außen macht. Da kommt jemand rein und das kostet für nen normalen Männerhaarschnitt 12 Euro und ich weiß, draußen kostet das 5-6 Euro ein normaler Haarschnitt, Trockenhaarschnitt. Kochkurs zum Beispiel, was man hier lernt, Fertigzeug einrühren. Fertiggerichte, ich steh darauf gar nicht. Bah, ne. 3-4 Berufe mehr zur Ausbildung, wär nicht schlecht."
Wer arbeitet, eine Ausbildung macht oder zur Schule geht, bekommt dafür Geld.
Herr K: "Der Schulbereich ist B3, steht für die Bildung, Lohnstufe B3 sind 12,25 am Tag. Davon gehen Ende des Monats 3/7 auf die sogenannte Brücke, das ist, wenn man entlassen wird, dass man ein Startkapital hat. Der Rest ist das sogenannte Hausgeld, damit kann man hier in der Anstalt einkaufen."
Herr N: "Es kann mal sein, dass jemand Tabak braucht und nichts mehr hat, dann kann's schon mal sein, dass jemand fragt, wenn du Tabak haben willst, kann ich dir ne Büchse geben, die kostest 15/16 Euro und dann gibst du mir halt 18 oder 19 Euro wieder, sodass man 2-3 Euro dabei Gewinn macht, das ist ja ok, also wenn mir jemand dabei hilft."
Frau H: "Es ist halt auch so, dass sehr viele hier, denen ich meine Gedichte gezeigt hab, die das unheimlich klasse fanden und mich bestärkt haben weiter zu machen oder auch ankamen, Mensch, meine Schwester hat Geburtstag, oder mein Kind, ein Liebesgedicht für meinen Freund, kannste nicht mal was schreiben. Mach ich gern, wenn ich die Leute mag. In Haft ist es eigentlich so, dass man aus allem Geschäfte macht, aber ich bin nicht so ein Typ. Wenn jemand was gibt, dann sag ich nicht nein, aber ich sage nicht, ok dafür krieg ich aber das und das."
Küssen verboten
Gedicht Frau H:
Frau H: "Küssen ist hier auch verboten, da bekommt man die rote Karte und wird für eine gewisse Zeit von der Schule suspendiert, nicht dass ich das nicht schon mal gehabt hätte, also natürlich nicht."
"Seit einem ¾ Jahr ungefähr bin ich jetzt beim Klavierunterricht, da haben wir 1x die Woche Praxisunterricht, angeleitet, mit dem Lehrer und dann haben wir noch 1x in der Gruppe Theorieunterunterricht, ansonsten Übung ohne Anleitung, drei Mal die Woche."
"Interessenten konnten einen Antrag stellen, es gab Kriterien, man musste eine Mindesthaftstrafe von 1 Jahr haben, in bin da reingefallen, in dieses Raster und hab das große Glück gehabt, einen Platz zu bekommen. Und es lenkt ab vom Haftalltag. Er ist auch ein sehr geduldiger Lehrer, er kann sich sehr gut auf die verschiedenen Gemütszustände einstellen, mal bin ich euphorisch, da muss er mich bremsen, mal häng ich durch und da kriegt er es hin, mich zu motivieren."
Gedicht Frau H:
Herr K: "Den Kriegsrückkehrern von der Bundeswehr sagt man, die erzählen, jedes Mal, wenn es irgendwo knallt,erschrecken die, schmeißen sich auf den Boden oder sonstiges, es gibt Leute hier drinnen, die, wenn man mit dem Schlüssel klappert, also man hat ja einen eigenen Schlüssel, selbst wenn man mit dem Schlüssel schon irgendwie rumhantiert, haben die schon so ein Ding weg, weil die nur den Haftschlüssel kennen und sagen, oh Gott, jetzt schon wieder ein Beamter, oh Gott, jetzt schon wieder ne Zellenkontrolle oder so was."
Gedicht Frau H:
Unterricht:
Herr K nutzt die Möglichkeiten des Internets, wenn er Freigang hat. Sucht nach Informationen über die Lehrer. Er hofft, bald entlassen zu werden, seine Tochter wiederzusehen.
"Was haben Sie denn für ein komisches Hobby? Wenn Sie Freizeit haben, googlen Sie Ihre Lehrer? Echt?"
Herr K: "Ich habe alle meine Auflagen hier drinnen erfüllt, also ich habe Straftataufarbeitung gemacht, ich sollte zu einer Suchtberatung, weil ich angeblich Alkoholiker bin, was aber überhaupt nicht stimmt. Die Anstalt hat mir halt unterstellt, ich bin Alkoholiker, und also bin ich noch zur Suchtberatung für ne halbe Stunde, und die hat dann auch gleich gesagt, ich brauche nicht wieder kommen. Ja, ich mach meine Schule ganz gut, so gut ich kann."
Gedicht Frau H:
Suchtprobleme
Frau H. hat den ersten Termin für das Interview verpasst. Sie war weggeschlossen, aus disziplinarischen Gründen. Frau H. träumt von einer befriedigenden Arbeit da draußen. Sie hat mal als Verkehrslotsin in einer Schule gearbeitet, das fand sie gut. Am liebsten würde sie Übersetzungen machen. Vor allem aber kämpft sie mit ihrer Sucht.
"Meine Drogenzeit, das war schon, dass ich damals viel von Heim zu Heim ging, weil ich die Heime wechseln musste, aufgrund meiner renitenten Art und auch meiner Suchtproblematik. Ich denke, das erste Mal war ich 14, 15, als ich keinen Heimplatz hatte, mal wieder aus 'nem Heim rausgeflogen bin auch nicht wirklich wusste wohin, hab mich dann halt so durchgeschlagen."
Gedicht Frau H:
Frau H:
"Es ist nicht wirklich ein Problem, hier an Drogen jeder Art ranzukommen. Hier werden durchaus Urinkontrollen durchgeführt, mindestens alle 4 Wochen einmal, wenn man erwischt wird, eine positive UK abgibt, hat man mit Sanktionen zu rechnen, das heißt Einschluss, zwischen 2 und 10 Tage. Wenn man auf 'ner gelockerten Station ist, heißt das der Umzug, der sofortige, auf die geschlossene Station, wo man 2 Stunden am Tag Aufschluss hat. Ich muss leider sagen, trotz all der guten Gründe, die dafür sprechen, bei mir ist es immer wieder vorgekommen, dass ich konsumiert hab, einfach, weil ich das Gefühl hatte manchmal ich kann die ganze Situation, und wahrscheinlich auch am meisten mich selbst, nüchtern in diesem Moment einfach nicht ertragen. Ich muss mich in eine andere Sphäre beamen und da war mir jedes Mittel recht."
Gedicht Frau H:
Frau H: "Ich geh jetzt regelmäßig zur Drogenberatung, welche alle 14 Tage stattfindet, für jeweils eine Stunde, das ist eine kleine Hilfestellung, aber letztlich liegt die Verantwortung in jedem selber."
Gedicht Frau H:
Schule als Ablenkung
Frau H: "Ich hab jetzt in der Schule das erste Mal das Gefühl bekommen, hey so dumm, wie du eigentlich immer dachtest, bist du ja gar nicht. Eigentlich, wenn du willst, dann kannst du durchaus auch etwas erreichen. Allein das ist schon unheimlich viel wert."
Herr N sagt von sich, er sei nationalbewusst. Er interessiert sich für Politik. Ungerechtigkeiten stören ihn. Zum Beispiel, dass der Laden in der Justizvollzugsanstalt eine Monopolstellung hat und so die Preise diktiert, dagegen will er kämpfen.
Herr N: "Ich habe mich in dem Sinne jetzt nicht verändert, ich bin ja kein böser Mensch oder sonstiges."
Frau H: "Hab hier in der Schule letztes Jahr einen total tollen Mann kennengelernt, der hat die 10. Klasse gemacht. Jetzt ist es so, dass wir seit dem 11.4., ich nenn's mal Knastbeziehung, was beziehungsähnliches irgendwie haben. Er ist ein toller Mann, er hat wirklich fast den gleichen Sinn für Humor wie ich, er bringt mich zum Lachen, er ist charmant und was ich toll fand, wie er auch die Beamten auf sympathische Art verarscht hat, irgendwie ist mir da das Herz aufgegangen. Jetzt ist es schade, weil er nicht mehr in der Schule ist, aber wir schreiben. Er ist im anderen Haus, wenn wir eine Brieftaube hätten, hätte die es nicht weit zu fliegen. Wir haben aber keine."
Herr N: "Ich glaube, das wäre irrelevant, ob Schule, Arbeit oder Ausbildung, weil man halt weg ist. Ablenkung, der Tag vergeht schneller, man hat etwas zu tun. Man hat Kontakt mit anderen Gefangengen, schon ganz gut, gerade für die soziale Kompetenz."
Herr K: "Die Resozialisierung hat mit der Bildung überhaupt nichts zu tun. Derjenige lernt was, natürlich, aber kann trotzdem mit dem Gedanken da rangehen, jetzt mache ich hier meinen Schulabschluss, aber trotzdem verdiene ich, wenn ich wieder draußen bin, als Dealer oder Betrüger, weitaus mehr und schneller mein Geld. Das ist eine Lebenseinstellung, die man ändern muss."
Frau H: "Ich bin jetzt 35 Jahre, ich möchte nicht behaupten, dass ich die super Chancen auf dem Arbeitsmarkt habe, aber schmälern wird diese Ausbildung hier meine Chancen garantiert nicht. Es kann nur besser werden und das Halbjahreszeugnis, was ich jetzt hatte, da stehe ich auf 2 und denke, da würde schon noch was gehen, wenn ich mich anstrenge und deshalb denke ich, die Chancen können nur besser werden."
Es sieht so aus als würden Herr K., Herr N. und Frau H. die Schule erfolgreich abschließen. Aus dem Zeugnis wird ersichtlich sein, dass der Abschluss auf dem zweiten Bildungsweg erworben wurde, aber nicht wo.
Gedicht Frau H:
Frau H: "Das krasse ist eigentlich, jetzt, da erfreu ich mich schon an dem Tau, der auf dem Gras glänzt und glitzert. Weil das ein Bild ist, das man nicht ständig hat oder die Sonnenaufgänge oder Sonnenuntergänge, da steh ich am Fenster und denk wow. Hammer. Schon strange, dass einem die Freiheit entzogen werden muss, dass man die Freiheit empfindet, sich wieder an den schönen Dingen zu erfreuen."
Gedicht Frau H: