Bildung, Tierschutz und immer wieder Gorleben

Susanne Schrammar · 15.01.2013
Laut einer Umfrage glaubt jeder zweite Niedersachse, die Bundespolitik spiele die entscheidende Rolle im Landtagswahlkampf. Doch es gibt sie noch, die Themen, die zwischen Küste und Harz beeinflussen können, wer am 20. Januar die Wahl gewinnt. Wir stellen die wichtigsten davon vor.
Bundespolitik oder Landtagswahlkampf?
Wer in diesen Tagen irgendwo zwischen Cuxhaven und Hannoversch-Münden in Niedersachsen unterwegs ist, dem begegnen allerorts Wahlplakate mit den typisch nichtssagenden Slogans: "So machen wir das!" – kündigt die CDU beispielsweise selbstbewusst an, während die Sozialdemokraten "Anpacken. Besser machen" versprechen. Die Wahlstrategen der FDP haben sich "Niedersachsen stimmt" ausgedacht. Die Grünen animieren den Wähler mit "Mach's möglich" und die Linken halten es simpel: "Wir wählen links!".

Thematische Botschaften finden sich hingegen seltener in der Parteiwerbung und wenn, dann sind sie wenig niedersachsenspezifisch: Die CDU kümmert sich um die Wirtschaft, die SPD setzt sich für Mindestlöhne ein, die Grünen wollen mehr Ökolandbau, die FDP hat sich dem Schuldenabbau verschrieben und die Linke sagt der Bankenmacht den Kampf an. Wären auf den Plakaten nicht die Fotos der niedersächsischen Spitzenkandidaten zu sehen, würde kaum jemand auf die Idee kommen, hier handele es sich um Landtagswahlkampf. Die Linke hat sogar auf die eigenen Kandidaten verzichtet: Hier lächeln die Bundespolitiker Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine den Wähler an. Laut einer Umfrage von infratest dimap glaubt jeder zweite in Niedersachsen, Bundespolitik spiele die entscheidende Rolle im Landtagswahlkampf. Doch es gibt sie noch, die Themen, die zwischen Küste und Harz beeinflussen können, wer am 20. Januar die Wahl gewinnt.

Gesamtschulen und Gratisstudium: Wahlthema Bildungspolitik
Bildungspolitik ist Ländersache, daher spielt sie auch im niedersächsischen Landtagswahlkampf klassisch eine zentrale Rolle. Regierung und Opposition führen seit Jahren eine leidenschaftliche Schulstrukturdebatte, ein Schulfrieden ist nicht in Sicht. Eltern wünschen sich weniger Stress für ihre Kinder und mehr Mitspracherecht, vor allem bei der Gründung von Gesamtschulen. Gestritten wird in Niedersachsen auch darüber, ob das Land womöglich das letzte bleibt, in dem es noch Studiengebühren gibt. Und beim Thema Krippenausbau hat das Land noch immer gehörigen Nachholbedarf.

Bernd Althusmann: "Wir haben in den vergangenen Jahren erheblich in Bildung investiert, über 1,2 Milliarden Euro mehr, wir haben eine hohe Abiturientenquote, wir haben die Nichtabschlussquote deutlich gesenkt - um fast 50 Prozent – insofern haben mehr Kinder heute echte Chancen auf Bildung und insofern sage ich: Niedersachsen ist gut aufgestellt."

Kultusminister Bernd Althusmann, CDU, stellt seiner Schulpolitik ein gutes Zeugnis aus. Vor fünf Jahren ist die schwarz-gelbe Landesregierung mit dem Versprechen angetreten, die Bildungsqualität zu stärken. Sie hat die Zahl der Lehrer erhöht, die Unterrichtsversorgung auf 102 Prozent hochgeschraubt, Klassen verkleinert und das Abitur nach 12 Jahren eingeführt. Weil die Schülerzahlen wegen des Geburtenrückgangs immer stärker sinken, hat Althusmann mit einer neuen Schulform reagiert: Die Oberschule, in der die Schüler in den Hauptfächern ab der 7. Klasse getrennt voneinander unterrichtet werden. Das ist der bisherigen Landesregierung wichtig: CDU und FDP pochen in Niedersachsen auf ein gegliedertes Schulsystem.

Björn Försterling: "Unsere Kinder in Niedersachsen sind vielfältig und deshalb brauchen wir auch ein vielfältiges Bildungssystem in Niedersachsen und das haben wir mit Hauptschulen, mit Realschulen, jetzt mit der Oberschule, mit Gymnasien. Und mit diesem Bildungssystem können wir jedem Kind gerecht werden und das ist das Entscheidende: Vielfalt vor Einfalt."

Das sagt Björn Försterling von der FDP, die sich gemeinsam mit der CDU im Landtagswahlkampf als Bewahrer der Gymnasien präsentiert. SPD, Grüne und Linke hingegen wünschen sich mehr gemeinsames Lernen. Im Fall eines Regierungswechsels in Niedersachsen sollen bestehende Schulformen zwar nicht angetastet werden, doch Rot-Grün will die Gründung von Gesamtschulen erleichtern. Hier soll dann auch das Abitur nach 13 Jahren neben dem Turbo-Abi wieder möglich sein. Bislang schreibt das niedersächsische Schulgesetz vor, dass eine Gesamtschule mindestens fünf Parallelklassen in einer Jahrgangsstufe aufweisen muss. Eine hohe Hürde, gerade in schülerarmen ländlichen Regionen, so Frauke Heiligenstadt, Schattenministerin für den Kultusbereich im Team von SPD-Herausforderer Stefan Weil.

"Wir wollen die Gesamtschulen auch vierzügig und in Ausnahmefällen auch dreizügig zulassen. Wir wollen auch Politik für den ländlichen Raum machen, wir wollen halt auch an Standorten, in denen die Schülerzahlen zurückgehen durchaus eine Perspektive für diesen Elternwillen bieten und vierzügige Gesamtschulen haben bewiesen, dass sie gut arbeiten können."

Studiengebühren – Fluch oder Segen?
Auch das Thema Studiengebühren bewegt die Gemüter im niedersächsischen Wahlkampf. Nachdem Bayern angekündigt hat, über eine Abschaffung nachzudenken, wäre Niedersachsen das letzte Land, das noch Gebühren einfordert. 500 Euro müssen Studierende pro Semester an ihre Hochschule zahlen. Doch dafür, sagt Ministerpräsident David McAllister, CDU, erhielten sie hervorragende Bedingungen. Schwarz-Gelb will an den Studiengebühren auch nach der Wahl festhalten.

"Wir haben mehr Professoren, mehr Dozenten, kleinere Tutorien, kleinere Lerngruppen, eine bessere technische Ausstattung, bessere Laborkapazitäten, längere Bibliotheksöffnungszeiten – das heißt, es gibt eine konkrete Gegenleistung und weil das so ist, entscheiden sich eben viele junge Menschen für ein Studium in Niedersachsen: Wir haben 171.000 Studierende, das ist ein neuer Rekordwert."

Auch Hochschulrektoren in Niedersachsen unterstützen die Studiengebühren. SPD, Grüne und Linke hingegen wollen sie abschaffen. Sie seien unsozial und schreckten junge Leute von einem Studium im Land ab. Anja Piel, Spitzenkandidatin der Grünen:

"Ich glaube, wir können es uns nicht leisten, auch nur in einem Fall auf einen jungen Menschen zu verzichten, der studieren möchte und deshalb Abstand nimmt, weil ihm die Finanzierung und weil ihm auch gerade die Studiengebühren zu viel sind. Das ist nicht die richtige Art, auf die Fachkräfteanforderung zu reagieren und das ist auch nicht die richtige Art, mit jungen Menschen umzugehen, wenn man denn wirklich will, dass Herkunft nicht die Frage ist, über die sich das definiert – der Zugang zur Universität."

Uneins ist sich die Opposition jedoch darüber, wann die Studiengebühren abgeschafft werden sollen. Rund 100 Millionen Euro im Jahr nimmt das Land dadurch jährlich für die Hochschulen ein. SPD und Grüne wollen zunächst ein Konzept zur Gegenfinanzierung entwerfen und peilen das Wintersemester nächsten Jahres an. Die Linke will einen Stopp der Studiengebühren sofort - höhere Steuern sollen den Hochschulen die Einbußen ersetzen.

Eine weitere Herausforderung für die nächste Landesregierung in Hannover: Der Ausbau der Krippenplätze. Ab 2013 haben Eltern bundesweit einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz für Unter-Dreijährige. In Niedersachsen fehlen aber noch rund 10.000 Plätze in Kitas und bei Tagesmüttern, um die erforderliche Betreuungsquote von 35 Prozent zu erfüllen. Zwar hat das Land in den vergangenen zwei Jahren gehörig aufgeholt, dennoch belegt es im bundesweiten Vergleich den drittletzten Platz. Schwarz-Gelb verspricht weiterhin Dynamik beim Ausbau, Rot-Grün möchte im Fall eines Wahlsiegs im Bundesrat das Betreuungsgeld kippen und die Milliarden lieber in Krippenplätze stecken.

Die Folgen von Fukushima: Wahlthema Energie- und Atompolitik
Seit Fukushima bekennen sich alle Parteien in Niedersachsen klar zur Energiewende. Doch Probleme gibt es beim Ausbau der Offshore-Windkraft und den Netzanschlüssen. Bürger wollen Stromtrassen am liebsten komplett unter die Erde legen. Umweltschützer beklagen eine sogenannte "Vermaisung" der Landschaft durch Biogasanlagen. Und: Gorleben bleibt in Niedersachsen ein Zankapfel.

Ob Christ- oder Sozialdemokraten, Grüne, Liberale oder Linke: Alle niedersächsischen Parteien sind für eine Nachhaltigkeit bei der Energieversorgung, alle drängen auf einen weiteren Ausbau für die Gewinnung von Ökostrom. Bis 2020 sollen 90 Prozent des niedersächsischen Strombedarfs aus regenerativen Energiequellen gedeckt werden. Niedersachsen ist Windland Nummer 1. 5500 Windkrafträder drehen sich allein im Landesinneren, produzieren so viel Strom wie fünf Atomkraftwerke. Große Probleme gibt es jedoch bei der Offshore-Technik. Weil die nötigen Stromanschlüsse fehlen, steht erst ein Bruchteil der geplanten Windparks in der Nordsee. Immer mehr Offshore-Unternehmen geraten in die Krise.

Die Kompetenzen eines Bundeslandes sind in der Energiepolitik begrenzt, die großen Entscheidungen – zum Beispiel über die Finanzierung der Netzanschlüsse - fallen auf Bundesebene. Dennoch wird im niedersächsischen Wahlkampf kräftig darüber gestritten. SPD-Herausforderer Stephan Weil wirft Ministerpräsident David McAllister und seiner Landesregierung eine chaotische Energiepolitik vor.

Stephan Weil: "Wenn ich es recht höre, dann sind zwei Drittel der Arbeitsplätze in akuter Gefahr, das ist kein Grund zum Jubeln und wir müssen uns enorm anstrengen, die Chancen, die mit der Energiewende, gerade für uns im Norden verbunden sind, tatsächlich auch zu realisieren. Da liegt vieles im Argen."

David McAllister: "Ich glaube fest an den Durchbruch der Offshore-Windenergie. Wir werden ohne die erneuerbaren Energien überhaupt nicht unsere ehrgeizigen Energie- und Klimaschutzziele erreichen. Es geht mir in Niedersachsen ganz besonders um die Windenergie auf dem Land, die werden wir weiter kräftig ausbauen und zukünftig wird die Windenergie auf der hohen See in der Nordsee eine zentrale Rolle spielen und ich glaube, die Energiewende kann eine Riesenchance für uns im Norden sein, denn hier weht der Wind."

Und weil der Windstrom vom Norden in den Süden gebracht werden muss, sind in Niedersachsen viele zusätzliche Kilometer Stromleitungen geplant, vor allen im Hochspannungsnetz. Bürgerinitiativen haben Angst vor Elektrosmog und fürchten eine Verschandelung der Landschaft durch hohe Strommasten, deshalb fordern sie eine Erdverkabelung entlang der gesamten Trassen. Das hält Umweltminister Stefan Birkner, FDP, für illusorisch. Die Kosten würden Milliarden verschlingen.

Stefan Birkner: "Wir sind schon froh, dass wir in Niedersachsen drei von vier Pilotprojekten, die es überhaupt bundesweit gibt, haben, bei denen eben eine Teilverkabelung möglich ist und bei diesen Trassen ist es eben auch eine Initiative der Landesregierung Niedersachsen gewesen, dass ein solches Bundesgesetz kommt und wir sind damit schon in einer privilegierten Situation und ich erwarte davon auch eine höhere Akzeptanz, dass da wo Siedlungsannäherungen sind, wir tatsächlich dann Erdkabel werden anordnen können."

Für eine teilweise Verkabelung unter der Erde setzen sich auch CDU, SPD und Grüne ein. Letztere wollen die Energieversorgung und damit die Stromnetze stärker dezentralisieren. Das ist auch Anliegen der Linken in Niedersachsen. Landtagskandidatin Kerstin Rudek:

"Weil dann muss man nämlich noch mal neu überdenken, wie viele von diesen Trassen man wirklich bauen muss. Wir sind, wenn Trassen gebaut werden müssen, dafür, die unterirdisch zu bauen, da muss man natürlich auch die Konzerne beteiligen, weil der Gewinn ist ja da – es gibt immer das Kostenargument. Und ansonsten muss man die berechtigten Bedenken der Bürgerinnen und Bürger sich anhören, einplanen und immer zusammen mit den Menschen entscheiden."

Auch die Errichtung von immer mehr Biogasanlagen im Land zeigt in Niedersachsen ihre Schattenseiten: Umweltschützer klagen darüber, dass auf den Feldern überproportional viel Mais angebaut wird – als Rohstoff für die Biogasanlagen. In Folge dessen, so Naturschutzverbände, leide die Artenvielfalt, würden Böden überdüngt und ausgezehrt. Die "Vermaisung" des Landes ist auch allen niedersächsischen Landtagsparteien ein Dorn im Auge. Sie wollen Monokulturen durch Fruchtfolgen ersetzen und vermehrt landwirtschaftliche Nebenprodukte wie Gülle oder andere Reststoffe zur Stromgewinnung einsetzen. SPD, Grüne und die Linken möchten dies ins Erneuerbare-Energien-Gesetz schreiben.

Windkraft- und Solaranlagen bei Bitterfeld-Wolfen
Windkraft- und Solaranlagen© dpa / Jan Woitas
"Atomklo" Niedersachsen
Das Desaster des Atommülllagers in der Asse, wo 126.000 Fässer Atommüll in einem maroden Salzbergwerk einfach abgekippt wurden und die jahrzehntelange Diskussion um den Standort Gorleben haben Niedersachsen den Ruf eines "Atomklos" eingebracht. Seit fast vier Jahrzehnten wird der Salzstock Gorleben im Wendland auf seine Tauglichkeit als atomares Endlager überprüft, ein Erkundungsbergwerk ist hier entstanden. Gegenwärtig jedoch ruhen die Erkundungsarbeiten, denn der Bund will einen Neustart in der Endlagersuche und erstmals auch Alternativen zu Gorleben untersuchen. Bei einem dafür geplanten nationalen Endlagerkonsens wäre auch die jetzt zu wählende niedersächsische Landesregierung gefragt. Daher ist der Streit um Gorleben auch im Wahlkampf erneut Thema. Die zentrale Frage dabei: Soll der umstrittene Salzstock im Suchverfahren bleiben? Die schwarz-gelbe Koalition in Niedersachsen ist mit ihren Parteien im Bund voll auf einer Linie: Gorleben soll in den Vergleich mit anderen möglichen Standorten einbezogen werden.

Stefan Birkner, FDP:

"Uns sagt das Bundesamt für Strahlenschutz und die Experten, dass bisher eben keine Erkenntnisse da sind, die Gorleben ausschließen. Dann muss man auch – weil wir ja das sicherste am Ende haben wollen – auch diesen Standort in die weiteren Betrachtungen mit nehmen. Alles andere wäre eine politische Entscheidung und würde dazu führen, dass man auch an anderen Standorten eben nicht erfolgreich und mit der nötigen Akzeptanz wird suchen können, weil auch dort die Argumentation kommen wird, auch dieser Standort hier wird politisch nicht akzeptiert werden."

SPD, Linke und Grüne in Niedersachsen hingegen halten Gorleben für geologisch ungeeignet und politisch verbrannt. Sie lehnen es ab, den mit Mängeln behafteten Salzstock in die Suche nach einem Endlager in Deutschland mit einzubeziehen. Die Parteispitzen von SPD und Grünen im Bund sind da anderer Auffassung. Zwar halten auch Sigmar Gabriel und Jürgen Trittin Gorleben für nicht geeignet, doch um einen parteiübergreifenden Konsens und damit nach einem jahrzehntelangen Streit einen Durchbruch bei diesem Thema zu erzielen, haben sich die Chefs von SPD und Grünen mit Bundesumweltminister Peter Altmaier auf den Kompromiss geeinigt, Gorleben dennoch im Topf zu lassen – in der Hoffnung, dass der Salzstock im Verfahren ausgeschlossen wird. Die Grünen in Niedersachsen haben einen entsprechenden Beschluss auf dem Bundesparteitag Ende vergangenen Jahres zähneknirschend mitgetragen. Der SPD-Landesverband mit McAllister-Herausforderer Stephan Weil an der Spitze jedoch hält an seiner ablehnenden Haltung fest.

Stephan Weil: "Für mich gilt der Grundsatz: Erst kommt das Land, dann die Partei. Ich vertrete die niedersächsischen Interessen, das tue ich mit allem Nachdruck und deswegen werde ich auch in Sachen Gorleben von dieser Position nicht abrücken. Wenn es zu einem solchen Kompromiss kommt, den ich persönlich nicht mittrage, dann gilt Recht und Gesetz auch für die nächste niedersächsische Landesregierung, aber bei jeder sich bietenden Gelegenheit werden wir immer wieder darauf dringen festzustellen: Gorleben ist ein falscher Standort, ungeeignet, muss raus aus der Diskussion."

Interessant in der Debatte ist die Position des aktuellen Ministerpräsidenten David McAllister. Seine Partei, die CDU, hatte sich jahrelang für Gorleben als atomares Endlager stark gemacht. Nach Fukushima ist der 42-Jährige deutlich auf Distanz zu dem Salzstock gegangen. Jetzt setzt sich die CDU in Niedersachsen bei der Endlagerfrage für eine Rückholbarkeit von Atommüll ein. Auf diesem Weg könnte Gorleben ausgeschlossen werden.

David McAllister: "Die deutsche Politik hält bisher am Prinzip fest, der Atommüll müsse nicht rückholbar endgelagert werden. Wir bitten als Niedersachsen, dieses Kriterium kritisch zu überprüfen, ob nicht die Rückholbarkeit doch eine Option sein könnte. Wenn die Rückholbarkeit ein ganz entscheidendes Kriterium wird, dann scheidet Salz als Endlagermedium wohl aus. Und damit eben auch Gorleben."

Ein Castor-Behälter wird im Verladebahnhof in Dannenberg umgeladen.
Ein Castor-Behälter wird im Verladebahnhof in Dannenberg umgeladen.© AP
Tierschutzreform oder radikale Ökowende? Wahlthema Agrarpolitik
Im Agrarland Nr. 1 tut sich was. Alle Parteien in Niedersachsen wollen mehr Tierschutz in den landwirtschaftlichen Betrieben. In den vergangenen Jahren war die industriell geprägte Landwirtschaft in Niedersachsen immer stärker in die Kritik geraten. Bei Umfang und Zeitraum der angedachten Maßnahmen allerdings gehen die Positionen stark auseinander.

In Niedersachsen wachsen im Schnitt jährlich 36,5 Millionen Masthühner auf und es brüten elf Millionen Legehennen. Auch mit neun Millionen Schweinen liegt das Land an der Spitze, hinzu kommen jede Menge Rinder. Doch mit Mega-Ställen und Riesenschlachthöfen, dem Einsatz von Antibiotika und zunehmenden Verstößen gegen das Tierschutzgesetz bringen Landwirte Anwohner und Tierschützer zunehmend gegen sich auf. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat darauf mit einem 42 Maßnahmen umfassenden Tierschutzplan reagiert: Schrittweise bis 2018, so haben es CDU und FDP bereits vor fast zwei Jahren beschlossen, sollen Landwirte bei Geflügel zum Beispiel auf das Schnäbelkürzen verzichten oder Ferkel ohne Betäubung nicht mehr kastrieren dürfen. Niedersachsens Agrarminister Gerd Lindemann, CDU, versucht im Land der industriellen Landwirtschaft den Spagat zwischen Ökonomie und Tierschutz.

"Wir wollen auf der einen Seite eine hoch effektive Landwirtschaft beibehalten, auf der anderen Seite eine nachhaltige, ressourcenschonende, vorsichtig mit den Tieren umgehende Landwirtschaft. Und wir kriegen das in Niedersachsen auch hin, da bin ich fest von überzeugt."

Von Tierschützern hat es für die geplanten Maßnahmen viel Lob gegeben, doch der Zeitraum bis 2018 ist Kritikern zu lang. SPD und Grüne wollen die Belange des Tier- und Umweltschutzes stärker und schneller berücksichtigen. Sollten sie an die Regierung kommen, haben die Sozialdemokraten angekündigt, einen unabhängigen Tierschutzbeauftragten einzusetzen. Betriebsumstellungen auf ökologischen Landbau sollen gefördert werden, konventionelle Stallbauten dagegen nicht mehr. Die Grünen in Niedersachsen fordern eine radikale Agrarwende. Christian Meyer, agrarpolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion:

"Wir werden dafür sorgen, dass die Förderung nicht mehr in die Massentierhaltung, in die Riesenschlachthöfe geht, sondern in eine landschaftsschonende, in eine umweltschonende artgerechte bäuerliche Tierhaltung in Familienbetrieben geht, dass wir mehr Arbeitsplätze, mehr Wertschöpfung im ländlichen Raum kriegen, die Ökolandbauprämien erhöhen. Und wir werden dafür sorgen, dass die Kommunen auch die Freiheit bekommen, große Mastställe, die sie nicht wollen, auch zu verhindern, indem wir einheitliche und hohe Umwelt- und Tierschutzstandards in Niedersachsen verbindlich machen."

Die FDP sieht die Landwirte in erster Linie als mittelständische Unternehmer. Diesen sollen so wenige Vorschriften wie möglich gemacht werden, um sie in ihrem Handlungsspielraum nicht einzuschränken. Das privilegierte Stallbaurecht wollen die Liberalen erhalten. Die Linken kündigen in ihrem Wahlprogramm ein steuerlich gefördertes "Bio für alle" an und wollen das Landwirtschaftsministerium eng mit dem Umweltressort verzahnen.

Braune Legehennen drängen sich in Pless bei Memmingen in einem Hühnerstall für Legehennen. Im Vordergrund liegen Eier auf einem Transportband.
Legehennen in einem Hühnerstall© Joerg Koch/dapd
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