Freitag, 19. April 2024

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Vogelgrippe, Zika, MERS
Welche Seuche springt als nächste über?

HIV, SARS, Schweinegrippe, MERS, Ebola, Zika. Immer wieder greifen neue Viren auf die menschliche Bevölkerung über. Oft handelt es sich um Erkrankungen, die ursprünglich nur bei Tieren vorkamen. Deshalb ist es wichtig, dass Tierärzte, Humanmediziner und Virologen ins Gespräch kommen.

Von Volkart Wildermuth | 13.10.2016
    Eine Spritze sticht in einen Arm
    Durch sogenannte Impfplattformen könnte bei Virus-Epidemien schneller ein adäquater Impfstoff zur Verfügung stehen (picture-alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Billigflüge rund um den Globus, intensive Tierhaltung, Zerstörung der Ökosysteme, all das zusammen bringt immer wieder Viren aus dem Dschungel in die Großstadt. Sie fallen erst auf, wenn sich die Krankenhäuser füllen. Bis die Ursache gefunden ist, vergeht noch einmal Zeit. Aber dann läuft die internationale Gesundheitsmaschinerie an, versucht die Kranken zu behandeln und ihre Kontaktpersonen zu isolieren. Parallel arbeiten Forscher an Schnelltests und an Impfstoffen - doch das braucht Zeit. Ebola ist für Ab Osterhaus ein gutes Beispiel:
    "Wenn wir jetzt die Impfstoffe haben, brauchen wir die eigentlich nicht mehr. Wir haben mehr als zehn Impfstoffe gegen Ebola. Jetzt aber gibt es noch sehr viele andere Krankheiten, die auch explodieren können wie Ebola."
    Das weiß der Virologe vom Forschungszentrum für neu entstehende Infektionen und Zoonosen in Hannover nur zu genau. Er selbst hat Dutzende von Viren in Tieren isoliert und charakterisiert und für einige für den Menschen wichtigen Krankheiten selbst Impfstoffe mitentwickelt. Doch diese Impfstoffe können im Grunde immer erst beim nächsten Ausbruch eingesetzt werden, und für den ist dann wieder ein neues Virus verantwortlich - ein Hase-und-Igel-Wettlauf. Deshalb schlagen Ab Osterhaus und andere Forscher vor, mit der Impfstoffentwicklung nicht zu warten, bis es wirklich zu einem Ausbruch kommt:
    "Also was wir machen sollten ist wirklich in Friedenszeiten sich vorbereiten auf all diese verschiedenen Krankheiten."
    Das heißt jetzt nicht, dass man für jeden Erreger, der in Borneo eine Fledermaus befällt oder Vögel in Südamerika einen eigenen Impfstoff auf Vorrat produziert. Stattdessen sollte man für die großen Virengruppen Plattformen vorbereiten, mit deren Hilfe sich rasch Impfstoffe für Erreger gewinnen lassen, die konkret für Probleme sorgen. Dass so etwas im Prinzip möglich ist, zeigt die altbekannte Grippeimpfung:
    "Jedes Jahr brauchen wir einen neuen Impfstoff für Influenza und da haben wir ein System entwickelt, um das zu tun. So könnten wir das zum Beispiel für alle Flavivieren machen. Falviveriren sind Viren, die Gelbfieber verursachen. Aber auch Zika, Dengue, die sind alle in derselben Gruppe. Man könnte also einen Impfstoff gegen Viren aus dieser Gruppe machen. Das ist es was wir in einem Europäischen Programm zusammen mit der Industrie machen wir das - um da Prinzipen zu machen um Impfen zu können."
    Baukastenimpfstoffe lösen in der Regel eine schwächere Immunantwort aus als spezifische Impfstoffe
    Mit 20 Millionen Euro, je zur Hälfte aus EU- und aus Industriegeldern, sollen Impfplattformen für drei Virengruppen erforscht werden. Die einzelnen Viren einer solchen Gruppe verfolgen oft ähnliche Strategien, nutzen vergleichbare Wege, um in den Körper zu gelangen. Hier bieten sich Ansatzpunkte für einen Impfstoff, die von einem Virus auf den anderen übertragen werden können. Die Basis bildet ein eigentlich harmloses Trägervirus, etwa das Vaccinavirus, das schon in der Pockenschutzimpfung erfolgreich eingesetzt wurde. In diese Trägerviren werden dann Bruchstücke des neuartigen Virus eingebaut, die eine spezifische Immunantwort auslösen sollen. Stephan Ludwig:
    "Also das ist ein sehr attraktiver Gedanke, so vorzugehen. Da kann man eben die Studien im Menschen schon sehr weit fortführen und dann hinterher einfach nur quasi das Oberflächen-Protein der Wahl einsetzen, was dann eben durch das zirkulierende Virus dargestellt wird. Und so kommt man sehr, sehr schnell zu einem Impfstoff."
    Das ist der große Vorteil eines solchen Baukastenimpfstoffs. Aber Stephan Ludwig vom Institut für molekulare Virologie der Universität Münster sieht ein Problem: Diese gentechnisch hergestellten sogenannten rekombinanten Impfstoffe lösen meist keine besonders starke Immunantwort aus:
    "Das Gute ist hier, dass - wenn man dann mit einem spezifischen Impfstoff hineingeht - im Nachhinein, dass dann der Schutz sehr viel stärker ist. Also man kann schneller so eine primäre Impfung über diese rekombinante Impfstoff-Plattform machen und dann mit spezifischen Impfstoffen später noch einmal reingehen und einen sogenannten Boost-Effekt der Impfung erhalten und da dann einen stärkeren Schutz."
    Impfstoff gegen Coronaviren wird erprobt
    Das Prinzip der Impfplattform haben Ab Osterhaus und seine Kooperationspartner für die Coronaviren erprobt, zu denen etwa die SARS- oder MERS-Viren gehören. MERS-Viren vermehren sich normalerweise in Kamelen, gelegentlich sorgen sie aber auch für Ausbrüche beim Menschen:
    "Und dann haben wir so eine Impfstoff gemacht. Wir haben das ausgetestet bei Dromedaren, wir haben die wirklich nachgewiesen, dass die wirklich gut geschützt sind. Und jetzt haben wir den Impfstoff. Wir wissen jetzt, wie wir einen Impfstoff gegen Coronaviren ziemlich schnell machen können."
    Ob der MERS-Impfstoff auch Menschen schützt, wird gerade erprobt. Dieses Virus löst immer wieder kleinere Epidemien aus, und das auch weit weg von seinem Ursprungsgebiet auf der arabischen Halbinsel. 2015 steckte ein einzelner erkrankter Reisender 185 Personen in Korea an. 36 starben. Die meisten von ihnen gehörten zu den Ärzten und Krankenschwestern, die die Patienten versorgten. In einer ähnlichen Situation könnte in Zukunft die Impfung des medizinischen Personals den Ausbrauche wohl deutlich früher eindämmen.
    Weltgesundheitsorganisation reagiert heute deutlich schneller auf Infektionsmeldungen
    Für Ab Osterhaus ist aber vor allem entscheidend, dass das Prinzip der Impfplattform für die Coronaviren nun etabliert ist. Wenn ein weiterer Erreger aus dieser Gruppe Probleme bereitet, dann sollte es möglich sein, rechtzeitig einen Impfstoff zu produzieren, um zu helfen, den Ausbruch einzudämmen. Entscheidend ist natürlich, dass problematische Viren schnell entdeckt werden, Und auch da hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Osterhaus:
    "Die Weltgesundheitsorganisation, die WHO, die haben jetzt so ein System entwickelt, wo diese Surveillance, wo das gemacht wird. Und auch wenn es nur Gerüchte gibt über Sterblichkeit bei Tieren oder Menschen oder ernsthafte Probleme, dann wird das rapportiert. Und unmittelbar wird eine Gruppe da hingehen, wenn es wirklich seriös ist, um zu gucken gibt es das."
    Wenn es sich tatsächlich um einen neuen Ausbruch handelt, dann liegt es an den Politikern vor Ort und weltweit, die neuen Möglichkeiten der Wissenschaft auch tatsächlich einzusetzen.