Bildband

Opulenter Einblick in die Welt des Sehens

Eine Libelle der Art Blaugrüne Mosaikjungfer fliegt über einem Teich in Weimar.
Eine Libelle der Art Blaugrüne Mosaikjungfer: Auch die Facettenaugen der Insekten werden vorgestellt. © picture alliance / dpa / Candy Welz
Von Susanne Billig · 12.04.2014
In insgesamt zehn Kapiteln präsentieren die Autoren in ihrem Bildband die vielfältigsten Augen-Bautypen und ihre Entwicklungsgeschichte - und versetzen ihre Leser immer wieder in Erstaunen.
Mit metallisch-grün schimmernden Flügeln sitzt eine räuberische Libelle im hohen Gras und streckt ihre riesigen, kugelförmigen Facettenaugen dem Betrachter entgegen. Die 30.000 Einzelaugen darin nehmen jede Regung in der Umgebung blitzschnell und kristallklar wahr.
Der neue Bildband "Die Evolution des Auges" bietet einen opulenten Einblick in die Welt des Sehens und der Lichtwahrnehmung. In zehn Kapiteln, mit Text und Bild reichlich ausgestattet, präsentieren die beiden Autoren die vielfältigsten Augen-Bautypen und ihre Entwicklungsgeschichte - von den einfachsten Seh-Pigmenten bis hin zu komplexen Linsenaugen oder den Facettenaugen der Insekten, bei Libellen zu höchster Präzision vollendet.
In die Tiefen des Meeres tauchen die Autoren ein, wo das Licht anderen Brechungsgesetzen unterliegt als an Land, zoomen sich in das Erbmolekül DNA, um die Gene der Augenentwicklung unter die Lupe zu nehmen, und unternehmen Ausflüge in benachbarte Themen. So untersuchen sie das Zusammenspiel von Sehen, Riechen und Hören und widmen ein ganzes Kapitel dem "Sprechen mit den Augen", auf das sich neben dem Menschen auch Affen und Wölfe bestens verstehen.
Sehsinn der Tiefseefische
Was Georg Glaeser und Hannes F. Paulus an Details erzählen, versetzt immer wieder in Erstaunen. Zum Beispiel die skurrilen Stielaugen der Fangschreckenkrebse - ein Querband aus sechs Reihen von Einzelaugen, das zu den effektivsten Sensoren im gesamten Tierreich gehört. Es kann nicht nur über 100.000 Farben wahrnehmen, sondern auch ultraviolettes und sogar polarisiertes Licht, in dem die Lichtwellen sich zu besonderen Schwingungen synchronisieren.
Der Krebs kann seine Stielaugen unabhängig voneinander bewegen und bei Bedarf mit einem Auge ausschließlich die Form eines Objektes abtasten - und sich derweil mit einem anderen auf die Farben konzentrieren.
Nicht weniger beeindruckend geht es beim Sehsinn der Tiefseefische zu. Um das wenige Licht am Meeresgrund optimal zu nutzen, haben einige Tiefseeorganismen "Tubulus-Augen" entwickelt: riesige Kugeln mit extralanger Brennweite und transparenten Seitenwänden, die letzte Lichtreste einfangen können. Hier hat die Evolution das Optimum herausgeholt, erklären die Autoren - mehr Auge geht kaum.
Die falschen Augen
Highlight des Buches sind natürlich die farbigen Tierfotografien auf jeder Seite. Da zeichnen sich die glänzend-schwarzen Knopfaugen eines Weberknechtes auf einem ganzseitigen Bild scharf und präzise ab, während der rötliche Körper im weichen Hintergrund versinkt. Auf einem anderen Bild öffnet eine Muschel im weißen Sand ihre Schale - und aus dem pechschwarzen Inneren leuchtet ein Band knallroter Punktaugen hervor.
Und dann hat die Evolution auch noch falsche Augen entwickelt. Auch davon berichten die Autoren: Schein-Augen sitzen zum Beispiel auf den Flügeln vieler Schmetterlinge. Hungrige Vögel picken danach - in der irrigen Meinung, hier den Kopf des Falters zu treffen. So können sogar Augen, die gar nicht existieren, Tiere im Kampf ums Dasein unterstützen.

Georg Glaeser und Hannes F. Paulus: "Die Evolution des Auges - Ein Fotoshooting"
Springer Verlag
214 Seiten, 19,99 Euro