Bilanz des Berliner Theatertreffens

Wenige Highlights und viel Bekanntes

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Das Haus der Berliner Festspiele. Hier findet das Theatertreffen statt. Davor Zuschauer.
Die Diskussion um die Frauenquote beherrschte das Theatertreffen in Berlin. © dpa / Schoening Berlin
André Mumot im Gespräch mit Vladimir Balzer · 20.05.2019
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Die Diskussion um die Frauenquote beherrschte das Theatertreffen in Berlin. Die Entscheidung, mehr Regisseurinnen auszuwählen, sei auch eine Chance, abseits des Mainstreams nach herausragenden Inszenierungen zu suchen, findet Theaterkritiker André Mumot.
Die Jury sei zwar zufrieden mit ihrer Auswahl, aber sie sei auch sehr selbstkritisch gewesen, sagt Kritiker André Mumot im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur. Er hat die Abschlussveranstaltung des Berliner Theatertreffens besucht, bei der die Jury traditionell eine Bilanz des Theatertreffens zieht.
Man habe sich Mühe gegeben, besondere Inszenierungen von Regisseurinnen einzuladen, aber die Auswahl der Jury habe gezeigt, dass diese Auswahl noch zu gering sei. Die Jury sei sehr nachdenklich gewesen, sagt Mumot.

Kunst als Suchvorgang

Die Kritik des Publikums habe sich unter anderem gegen rassistische Äußerungen auf der Bühne gerichtet und gegen den Umgang mit Frauen, "auf eine Weise, wie man es doch nicht mehr haben möchte."
Gegen die Kritik, was am Theater erlaubt ist, habe sich Jury-Mitglied Wolfgang Höbel klar gegen Verbote positioniert:
"Ich staune, wie offenbar viele Menschen Bescheid wissen, wie Theater auszusehen hat. Ich glaube, Kunst ist immer ein Suchvorgang und nicht die Ausstellung von einem Wissen, das man schon mit sich herumträgt."

Einigkeit über Quote

Dass künftig fünf der zehn eingeladenen Inszenierungen von Regisseurinnen sein müssen, habe bei der Abschlussveranstaltung keine sehr große Rolle mehr gespielt, sagt Mumot. Darüber habe man während des Festivals vom ersten Tag an diskutiert.
"Man ist sich einig, das muss jetzt durchgezogen werden. Und man ist gespannt auf die Ergebnisse. Die Jury hat nochmal betont, es ist auch ihre Entscheidung und dass es ihr nicht von oben diktiert worden ist."

Highlight aus München

Rückblickend sei die Sensation beim Theatertreffen Dionysos Stadt von den Münchener Kammerspielen gewesen. Der Versuch, die klassischen Dionysien der Antike wiederzubeleben, sei in der zehnstündigen Inszenierung von Christopher Rüping herausragend:
"Das ist auf eine so triumphale Weise gelungen, dass man wirklich den Augen und Ohren nicht trauen wollte."
Im Gegensatz zu langen Inszenierungen – wie beispielweise Frank Castorf, bei dem das Publikum bis zur Erschöpfung physisch herausgefordert werde – sei die Münchner Produktion davon geprägt, dass bis zum Schluss mit Liebe zum Spiel und Poesie zur Freude des Publikums im besten Sinne "gespielt" werde.
"Wir sind dabei gar nicht ermüdet und gehen beschwingt und geistig erfrischt aus diesem Theater raus. Das war für uns alle eine großartige Erfahrung. Das ist eine Inszenierung, die man nur alle paar Jahre – wenn man Glück hat – zu sehen bekommt."

Gleiche Namen und nichts Neues

Mumot kritisiert, dass die Jury zu viele Regisseure vom Vorjahr eingeladen hatte - wie Ulrich Rasche mit Das große Heft . Er habe zwar beeindruckendes Theater geboten, aber im Grunde mit denselben Ästhetiken wie in seinem "Woyzeck" vom Vorjahr. Es fehlten neue Impulse und Ideen.
Die Jury müsse nun andere Wege finden, so Mumot. Er sei nicht davon überzeugt, dass die Frauenquote für das Theatertreffen die beste Lösung ist. Vielmehr müsse viel eher Druck auf die Theater gemacht werden, damit diese eine Gendergerechtigkeit einführten. Dass das Theatertreffen die Quote eingeführt habe, habe eine großen Vorteil:
"Die Jury muss genauer hinschauen. Sie muss jetzt Produktionen von großartigen Regisseurinnen finden und einladen, auch von unbekannteren. Da müssen jetzt neue Stimmen und neuen Ästhetiken gefunden werden."
(mle)
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