"Big Thief": "U.F.O.F."

Das F steht für Freunde

05:23 Minuten
Die Mitglieder der US-amerikanischen Band Big Thief sitzen auf einer Wiese
Band "Big Thief": Sehnsucht nach einem Zuhause, Sehnsucht nach Freunden © 4AD
Von Jessica Hughes · 02.05.2019
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Auf dem neuen Album "U.F.O.F." ergründet die US-amerikanische Folkpop-Band Big Thief Wahlverwandtschaften. Sie schließt sogar Freundschaft mit einem Außerirdischen. Sängerin Adrianne Lenker erklärt, wofür der Alien ein Symbol ist.
"Dieser Moment ist, wie wenn man aus dem Wasser herausgezogen wird. Plötzlich spürst du wieder alles. Da ist dieser Schrei, der aus deinem tiefsten Inneren kommt und dich zurück ins Leben holt." Kathartisch eröffnet das neue Album von Big Thief. Ein Song, auf dem Sängerin Adrianne Lenker ihre Depression abzuschütteln scheint.
Therapeutisch war das Songschreiben für die Musikerin schon immer. Ihre ersten Lebensjahre verbrachte sie mit ihren Eltern in einer Sekte. Mit fünf erlebt sie eine Nahtoderfahrung, als ihr beim Spielen plötzlich ein Bolzen im Kopf steckt. Die Familie zieht häufig um. Lenker wächst isoliert auf. Schon mit acht schreibt sie ihren ersten Song.

Aliens als Metapher für das Unbekannte

Der Tod und alles, was außerhalb unserer Lebensrealität liegt, beschäftigen die Big Thief-Chefin auch auf dem neuen Album. Das heißt nicht zufällig "U.F.O.F." – kurz für UFO-Friend. Im Titeltrack schaut ein außerirdisches Wesen vorbei - eine Einladung.
"Ich meine Aliens als Symbol für das Unbekannte und Mysteriöse und damit Freundschaft zu schließen. Das ist eine Idee, die mich sehr einnimmt. Es ist ziemlich verrückt, wie viel wir wissenschaftlich erforschen können und trotzdem gibt es so vieles, was wir noch nicht wissen. Das meiste sogar. Das Einzige was sicher ist, ist, dass wir sterben werden und damit alles verlieren. Deswegen ist jeder Moment so bittersüß."

"Die Dinge annehmen, wie sie sind"

Tröstlich und intim klingen viele der neuen Songs auf "U.F.O.F.", die fast alle unterschiedlichen Frauenfiguren gewidmet sind. "Du musst nicht wissen, warum du weinst", singt Lenker auf "Cattails", dem Schlüsselsong des neuen Albums. Er beschreibt, was fast in jedem Song durchschimmert: Das Angebot, für jemanden anderen da zu sein. Mal bittet Lenker selbst um Hilfe, mal begleitet sie:
"Schau dir die Welt an, in der wir erleben. Es ist verrückt. Selbst wenn du jeden Tag weinen würdest, wäre das okay. In diesem Gedanken steckt ein Stück Freiheit, wie wenn man die Fenster herunterkurbelt, die Luft einatmet und im Moment ist. Auch wenn es schmerzlich und schwer sein kann, die Dinge so anzunehmen, wie sie sind."

Der magische Moment im Studio

Im Gegensatz zu allen anderen Songs des Albums, die in den letzten zwei Jahren auf Tour geschrieben wurden, entstand "Cattails" erst nach der Ankunft im idyllisch gelegenen Studio, einer umgebauten Scheune in der Nähe von Seattle, und wurde nur zwei Stunden später als One-Take aufgenommen. Ein magischer Moment, wie es Lenker beschreibt. Auch der Rest des Albums wurde live eingespielt: "Ich mag Platten, die als Zeitdokument für ein Happening stehen. Sie sollen nicht perfekt und konstruiert sein, sondern einfach das widerspiegeln, was wir in dem Moment gespürt haben."
Gemeinsam Heimatlos. Auf "U.F.O.F." klingt zwar die Sehnsucht nach einem zu Hause an, das die Bandmitglieder derzeit im gemeinsamen Tourbus finden. In bildhaften Momentaufnahmen beschreibt Lenker im Song "Century" die romantische Seite des Vagabunden-Lebens.

Tod und Abschied sind in den Songs sehr nah

Laute E-Gitarren- und schmetternde Schlagzeug-Sounds treten auf "U.F.O.F." in den Hintergrund. Das Album klingt so wesentlich sanfter, auch Lenkers zarter Gesang sinnlicher. Feine Gitarrenmelodien und ausgefeilte Rhythmen täuschen so häufig über die Schwere der Songtexte hinweg, in denen Tod und Abschied immer sehr nah sind.
Zwei Songs des Albums hat Lenker schon im vergangenen Jahr in reduzierter Folk-Version mit Akustikgitarre auf einem Soloalbum veröffentlicht. Die Versionen mit Band allerdings zeigen, wie gut Gitarrist Buck Meek, Bassist Max Oleartchik und das jüngste Bandmitglied, Drummer James Krivchenia ihre poetischen Texte ergänzen.
Die Entspanntheit beim Spiel und das dazugewonnene Selbstvertrauen ist der Band auf "U.F.O.F." deutlich anzuhören. Ein Album, das das Mysteriöse des Lebens umarmt und neugierig bleibt für alles, was noch da draußen ist, solange man gemeinsam darauf zugehen kann.
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