Big Brother 2.0

Ilija Trojanow und Jan-Hinrik Schmidt im Gespräch mit Claus Leggewie · 06.09.2009
Der Schriftsteller Ilija Trojanow und seine Co-Autorin Julie Zeh warnen in ihrem Pamphlet "Angriff auf die Freiheit" vor der Datensammel-Wut von Staat und Wirtschaft. Und der Medienwissenschaftler Jan-Hinrik Schmidt setzt sich mit dem Buch "Was würde Google tun?" von Jeff Jarvis auseinander.
Claus Leggewie: Heute kommt die Lesart wieder aus dem Café Central im Schauspiel Essen in Zusammenarbeit mit dem KWI, dem Kulturwissenschaftlichen Institut Essen, der Buchhandlung Proust und unser Medienpartner ist die Westdeutsche Allgemeine Zeitung. Ich bin Claus Leggewie, begrüße Sie herzlich hier im Theater und an den Radiogeräten.

Wir haben sehr illustre Gäste heute. Beginnen wir mit dem Schriftsteller und Weltensammler Ilija Trojanow, der eben zusammen mit seiner Schriftstellerkollegin Julia Zeh ein bereits viel beachtetes politisches Buch verfasst hat. Titel: "Angriff auf die Freiheit. Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte". Das ist auch das Generalthema der heutigen Lesart. Herzlich willkommen, Herrn Trojanow.

Ilija Trojanow: Danke schön.

Claus Leggewie: Der andere Gast ist Jan-Hinrik Schmidt, wissenschaftlicher Referent für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation an einem sehr renommierten Institut in Hamburg, nämlich dem Hans-Bredow-Institut, das sich mit der Medienforschung beschäftigt. Herr Schmidt befasst sich seit Längerem mit Entwicklungen des sogenannten Web 2.0 oder der Social Software, den Blogs und deren Auswirkungen auf Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft. Darüber hat auch er gerade ein neues Buch geschrieben, das in 14 Tagen erscheinen wird - Titel: "Das neue Netz". Auch Ihnen herzlich willkommen.

Jan-Hinrik Schmidt: Danke schön.

Claus Leggewie: Fangen wir mit Ihrem Buch an, Herr Trojanow. Ich habe Sie nach dem Titel eines Ihrer Romane einen "Weltensammler" genannt. Sie sind ein weitgereister Mann, in Bulgarien geboren, in Kenia aufgewachsen und in Essen, in Wien ansässig, nach Mekka und Medina gepilgert, in Deutschland und der deutschen Sprache zu Hause, vermutlich einer der besten lebenden Schriftsteller. Ihre Romane, Geschichten, Reportagen zeichnen sich üblicherweise durch einen wunderbar relaxten und entspannten und gelassenen Tonfall und eben Gelassenheit aus. Jetzt haben Sie einen auf 140 Seiten einen ganz flammenden Aufruf verfasst, der die Leser mit einem ganz dramatischen Appell entlässt. Ich zitiere: "Wehren Sie sich. Noch ist es nicht zu spät." Was besorgt Sie so?

Ilija Trojanow: Das ist ja wie bei der Erziehung von Kindern. Wenn man mit der leisen Stimme nicht vorankommt, muss man irgendwann mal auf den Tisch hauen. Das ist bei diesem Thema auch tatsächlich nötig. Wir, also Juli Zeh und ich, haben festgestellt, dass es bei uns fast keine Sensibilitäten mehr bei uns gibt bezüglich des Themas Freiheit. Freiheit ist eigentlich auch aus den allgemeinen Diskursen fast verschwunden. Es scheint nicht mehr im Mittelpunkt unseres Interesses zu stehen. Es ist fast so, als sei Freiheit ein nebensächliches Produkt einer demokratischen Gesellschaft. Das müssen wir weder erkämpfen, noch müssen wir uns darüber groß Gedanken machen.

Dem ist natürlich nicht so. Freiheit muss in jeder Generation neu erkämpft, verteidigt werden. Jede Generation braucht auch bestimmte Kampffelder, wo sozusagen die eigentlich dem Staat inhärente Kontrollzwangsmaschine zurückgeschlagen wird. Bei uns ist es genau das, worüber wir heute Abend diskutieren werden. Es sind zwei Elemente. Eins ist, dass seit ungefähr zehn Jahren kontinuierlich ganz zentrale Bürgerrechte, Freiheitsrechte per Gesetz eingeschränkt werden, in anderen Ländern teilweise auch ohne gesetzliche Grundlage. Das Zweite ist, dass es jetzt eine ganz große Diskussion gibt: Wie kann man das Internet kontrollieren? Das geht auch in Richtung Zensur, zumindest perspektivisch.

Diese zwei Themen haben wir verknüpft in der Form eines Pamphlets, aus dem ganz einfachen Grund, dass wir als Schriftsteller das Pamphlet als Form sehr mögen. Das war ja im 18. Jahrhundert, dem Jahrhundert der großen Aufklärung, war das ja das bevorzugte Mittel der Intellektuellen, weil man einerseits diskursiv genau und gut recherchiert argumentieren muss, andererseits aber wirklich mit lockerem Säbel auch auf den Putz hauen kann.

Claus Leggewie: Wenn man mal von der Zensur, speziell die neuen Medien betreffend, absieht, könnte man sich vorstellen, dass Sie diese Rede auch 1984 gehalten haben und zwar nicht, weil das das Orwell-Jahr ist, sondern weil auch damals eine große Diskussion über den Sicherheitsstaat gelaufen ist. Man könnte sich diese Rede meinetwegen auch 1967/68 vorstellen, als die Notstandsgesetze verabschiedet wurden. Was ist es, wo Sie glauben, dass heute die Freiheit in besonderem Maße bedroht ist?

Ilija Trojanow: In den anderen zwei Epochen, die Sie benannt haben, wurde das Thema ja tatsächlich viel mehr diskutiert als heute, wobei die Bedrohungen viel geringer waren. Die Bedrohungen sind jetzt größer, aus zwei Gründen: Das eine ist die rasante technische Entwicklung. Wenn man sich vorstellt, dass ein totalitärer Staat, sagen wir mal die Gestapo, die Stasi, über die heutigen technischen Möglichkeiten verfügt hätte, würde einem ganz schlecht werden. Diese technischen Möglichkeiten entwickeln sich ja mit einer Rasanz, dass es selbst Spezialisten schwer fällt, am Ball zu bleiben.

Claus Leggewie: Was ist ein Beispiel? Die Überwachungskamera in der Innenstadt?

Ilija Trojanow: Es sind viele Sachen, zum einen natürlich die sichtbare visuelle Überwachung. Es gibt ja inzwischen kaum noch einen Ort, der nicht von Kameras erfasst wird, übrigens in England viel, viel mehr als bei uns. Das ist eine interessante Folge der Recherchearbeit, dass wir festgestellt haben, dass England, was ja quasi das Mutterland der Demokratie ist, auch absolut Avantgarde ist beim Abbau von Demokratie. Das fand ich eine ironische Wendung.

Dann gibt es ja eine wachsende Zahl von Möglichkeiten der Behörden, kommunikative Vorgänge zu speichern bzw. dann zu kontrollieren. Es wird jetzt sehr intensiv über die sogenannte "Online-Durchsuchung" geredet. Es gab die Rasterfahndung, die ja dann vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig verboten wurde. Das ist ja eine der wirklich perversen Entwicklungen, dass wir seit uns seit zehn Jahren als demokratische Gesellschaft nur noch auf das Verfassungsgericht verlassen können. Das heißt, in den Parlamenten werden diese Gesetze übereilt, oft schlampig formuliert, oft ohne Diskussion verabschiedet. Und dann ist es dem Verfassungsgericht überlassen zu sagen: "Leute, das ist einfach nicht vereinbar mit unserer Verfassung".

Claus Leggewie: Herr Schmidt, sind Sie auch so besorgt? Wie haben Sie das Buch gelesen?

Jan-Hinrik Schmidt: Das Buch habe ich gelesen mit einer Mischung aus Freude und Schaudern. Schaudern, weil es noch mal sehr präzise und sehr kompakt tatsächlich die ganze Reihe von bedrohlichen Entwicklungen aufzeigt, mit Freude aber deswegen, weil es so kämpferisches ist, ein kämpferisches Pamphlet. Was aus meiner Sicht auch noch mal ganz klar auch die Verantwortung von uns Bürgern herausarbeitet oder aufzeigt und auch anmahnt, dass wir es letztlich sind, die diese Freiheitsrechte auch verteidigen müssen, uns dagegen wehren müssen, wenn im Namen einer vermeintlichen Sicherheit Freiheitsrechte eingeschränkt werden.

Ich habe mich auch deswegen gefreut, weil es auch ein Buch ist, von dem ich glaube, dass es die Möglichkeit hat, einen breiteren Kreis von Leuten zu erreichen als die Stimmen, bei denen ich sonst solche Töne höre, die kritische Blogosphäre zum Beispiel oder die kritische Gemeinschaft der Internetnutzer, die sich natürlich auch gegen all diese Prozesse wehren, denen aber dann oft so ein bisschen das Etikett angehängt wird: "Na ja, das ist die Internet-Szene, die machen das ja nur, weil ihnen ihr Spielzeug sonst weggenommen wird". Darum geht es nicht. Das macht das Buch in meinen Augen sehr deutlich sichtbar.

Claus Leggewie: Kann es nicht auch sein, dass wir tatsächlich ein Sicherheitsproblem haben, dass es ein Problem gibt Terrorangriffe, dass es ein Problem gibt im Bereich der organisierten Kriminalität? Ist es nicht tatsächlich so, dass Herr Schäuble und vorher sein Vorgänger Schily recht haben, wenn sie sagen, wir haben eine Sicherheitslücke, wir müssen etwas tun? Wir können weder die Mafia noch Al Kaida einfach hier schalten und walten lassen.

Ilija Trojanow: Wir haben viele Sicherheitsprobleme. Wir haben 5000 Tote jedes Jahr im Autoverkehr. Wir haben zwischen 2001 und 2006 50.000 Leute, die gestorben sind, weil sie medizinisch falsch behandelt wurden in Krankenhäusern. Wir haben ich weiß nicht wie viel tausend Grippeopfer. Aber der größte Draufgänger in unserer Gesellschaft ist ja der Heimhandwerker. Denn das ist die mit Abstand gefährlichste Sache, die wir machen. Das heißt, ich bin voll für Sicherheit. Ich würde aber sagen, lassen Sie uns dort beginnen, wo es wirklich gefährlich ist, bei der ungesicherten Leiter im Hobbykeller, die - ich weiß nicht wie viel - tausend Leuten jährlich das Genick bricht. Das ist eigentlich ein skandalöser Zustand, der nicht geduldet werden kann.

Claus Leggewie: Aber Herr Schmidt, wenn jetzt tatsächlich die Sauerland-Gruppe nicht entdeckt worden wäre, dann hätten wir doch ein großes Sicherheitsproblem. Irgendwo zwischen Köln - ich weiß nicht, wohin die gefahren sind - und dem Ruhrgebiet wäre ein Zug explodiert, ähnlich wie in Spanien. Man kann das doch nicht abtun.

Jan-Hinrik Schmidt: Man kann es nicht abtun, aber ich denke, dass wir da letztlich - jeder für sich als Bürger, aber auch als Gesellschaft - die Abwägung treffen müssen. Es geht ja tatsächlich um die Balance zwischen Sicherheitsrechten und Freiheitsrechten. Ich teile die Einschätzung, die im Buch ja zum Ausdruck kommt, dass seit einiger Zeit, seit zehn Jahren etwa das Pendel zu stark in Richtung ausgeschlagen ist und wir uns deswegen letztlich als Gesellschaft dem Vorzug der zivilisatorischen Errungenschaft berauben, die wir eigentlich verteidigen möchten, nämlich genau diese Freiheit.

Ilija Trojanow: Das Hauptargument in diesem Buch ist ja, dass die Terroristen nicht unsere Freiheit bedrohen können. Sie können natürlich das Leben einzelner Menschen bedrohen, ganz klar. Sie können aber nicht generell unsere Freiheit bedrohen. Die Einzigen, die unsere Freiheit bedrohen können, sind wir selber, indem wir zulassen, dass die Politik unsere Freiheit einschränkt.

Claus Leggewie: Ist unsere Sicherheit seit zehn Jahren gewachsen?

Jan-Hinrik Schmidt: Die Frage, ob wir in einer sicheren Gesellschaft leben oder nicht, hängt sehr stark davon ab, was wir als Maßstab nehmen. Dieser Maßstab, dass wir nämlich in einer vermeintlich unsicheren Gesellschaft leben, die Latte wird immer höher gelegt bzw. immer alarmistischer diskutiert, und zwar aus einer - vielleicht auch unwissentlichen - Koalition von Politikern, von Juristen, wie Sie im Buch auch schön zeigen, von Journalisten, die im Prinzip dieses Meinungsklima oder dieses Klima "es gibt eine Bedrohung, die irgendwie diffus da ist", dieses Klima aufrecht erhalten.

Ilija Trojanow: Wir haben noch nie so sicher gelebt wie heute. Wir können ja messen, wie viele Gewaltverbrechen es gibt. Wir können messen, wie viel Leute nicht am Alter sterben. Und wir können uns vor allem die Lebenserwartung angucken. Nach all diesen Indikatoren haben wir noch nie so sicher gelebt wie heute.

Claus Leggewie: Ich habe Ihr Buch sehr spannend gefunden, vor allen Dingen ab S. 73. Da kommt "Achim Angepasst". Wer ist Achim Angepasst?

Ilija Trojanow: Achim Angepasst ist sozusagen der kleine, untertänige Teufel in uns allen drin. Gerade deswegen haben wir eine Figur erfunden, weil wir gesagt haben, es ist ja nicht so, dass bestimmte Menschen naiv sind und andere sich korrekt verhalten, sondern es ist ja wirklich ein Massenphänomen. Dass wir uns irgendwelche Payback-Karten, Kundenkarten ausstellen lassen. Dafür verschenken wir unsere Daten. Die meisten Bürger wissen nicht oder verstehen nicht, dass diese Daten richtig Geld wert sind. Die werden gehandelt im Internet. Das sind teilweise stolze Summen. Und dafür kriegen sie nach zehn Einkäufen eine Teflonpfanne oder so. Also, das ist ein wirklich absurder Tausch. Da sind wir ja wirklich fast alle nicht sensibel genug. Das hat natürlich einen Grund.

Es gibt ein wunderschönes philosophisches Werk von Günther Anders, "Die Antiquiertheit des Menschen". Wir hinken ja immer der technischen Entwicklung hinterher - in unserer Mentalität, in unserer Verhaltensweise. Das stimmt natürlich umso mehr jetzt bei den digitalen Medien und im Internet, weil wir natürlich überhaupt nicht so schnell reagieren können, wie die sich entwickeln.

Claus Leggewie: Es gibt eine Bereitschaft, sich ausspionieren zu lassen. Es gibt auch so etwas, wie einen ganz frivolen Exhibitionismus, also sich im Netz zur Schau zu stellen, und einen sensationsgeilen Voyeurismus, sich das anzuschauen. Ich finde das hochuninteressant, was da abläuft, aber ganz offenbar ist es faszinierend. Woher kommt das? Sie sind, Herr Schmidt, ein Experte für neue Medien, digitale Medien, vor allen Dingen das Web 2.0, und haben ein bisschen auch die Gewohnheiten der Mediennutzung, insbesondere bei jüngeren Leuten, Jugendlichen verfolgt. Woher kommt dieser frivole Exhibitionsdrang, also, alles von sich preiszugeben? Kürzlich haben ja die Verbände davor gewarnt, nicht zu viel in studiVZ oder schuelerVZ zu publizieren, weil das könnten künftige Arbeitgeber sehen. Und dann sieht man einen Besoffenen irgendwo liegen und das kommt nicht gut an, wenn man sich bewirbt. Woher kommt dieser Drang, etwas von sich preiszugeben?

Jan-Hinrik Schmidt: Der kommt aus den Menschen selber heraus, weil es für die Nutzer von Anwendungen, wie studiVZ oder von Weblogs oder auch von YouTube, nicht darum geht, sich zu entblößen oder exhibitionistisch tätig zu sein. Es geht darum zu kommunizieren in einem erweiterten sozialen Netzwerk.

Was wir erleben, ist ein relativ tiefgreifender Wandel des Verständnisses von Öffentlichkeit. Öffentlichkeit ist nicht mehr das, was gesellschaftsweit relevant ist, wie zum Beispiel die Öffentlichkeit der Tagesschau oder die Öffentlichkeit der WAZ, der Titelseite. Sondern Öffentlichkeit, sozusagen persönliche Öffentlichkeit, wenn ich die Möglichkeit habe, mich im Netz auf einer Plattform in meinem Weblog für - sagen wir mal - 50 Personen, oder mein erweitertes Netzwerk von 150 Freunden, Bekannten und auch engen Freunden, dann erleichtert das die Pflege von sozialen Netzwerken, von sozialen Beziehungen. Soziologisch gesagt: Sozialkapitalpflege. Man hat ja einen Wert davon in unserer Gesellschaft, wenn man ein möglichst breit gefächertes soziales Netzwerk hat. Da kommen diese Anwendungen ins Spiel.

Aus Sicht der Nutzer ist es erklärbar, dass man dort zum Beispiel Fotos einstellt, weil sich der Nutzer oder die Nutzerin eben an dieses erweiterte soziale Netzwerk wendet. Was in der Kommunikationssituation verborgen bleibt, ist, dass die Reichweite auch über diese 150 Freunde bei Facebook hinausreichen kann, dass Dinge googlebar sind, dass Dinge auch nach Jahren noch gefunden können, dass Informationen verkettbar, Identitäten über verschiedenen Informationen verkettbar sind. Das ist tatsächlich noch nicht angekommen, weil wir im Moment auch gerade erst lernen, mit diesen neuen technischen Möglichkeiten, die ja teilweise erst ein, zwei Jahre alt sind, umzugehen.

Ilija Trojanow: Was auch noch nicht wirklich bekannt ist, ist der Verlust von Kontrolle. Ich glaube, das ist ganz zentral, dass die Leute meinen, sie könnten sozusagen diese Tür des Exhibitionistischen und des Intimen beliebig öffnen und schließen. Das können sie nicht. Was einmal entwichen ist, ist für alle Zeiten öffentlich.

Claus Leggewie: Möglicherweise haben wir es also zu tun mit einem Staat, der - um vermeintlich Sicherheit zu garantieren - Freiheiten aufgibt. Wir haben dann die Symbolfiguren Schäuble, Schily und andere, die dafür stehen. Sie haben eine ganze Reihe von wunderbaren Zitaten. Wir haben aber dann auch eben jenen Achim Angepasst, der da wunderbar bei diesem Spiel mitspielt. Was kann man, wenn man jetzt über die Wiederherstellung von Freiheit - darum geht es Ihnen ja - durch die Bürgerinnen und Bürger selber redet, gewissermaßen an Empfehlungen geben? Wie soll das passieren? Sollen wir uns jetzt bei Zensursula alle auf der Plattform versammeln? Sollen wir die Piratenpartei wählen? Was tun wir?

Ilija Trojanow: Wir haben das ja absichtlich offen gelassen. Der Grund, dass wir es absichtlich auch offen gelassen haben, ist ja, dass wir in der Tradition der Aufklärung schreiben. Das wäre ja dann Gängelung, dass wir dem Leser sagen, das musst du tun oder jenes musst du tun.

Ich glaube, dass wir noch nicht so weit sind, dass die Leute nicht wissen, wie sie politisch aktiv werden können. Wenn man sich im Netz umguckt, merkt man ja, es sind ja viele Leute aktiv. Es gibt inzwischen Demos zum Beispiel "Freiheit statt Sicherheit", die in Berlin jetzt seit einigen Jahren laufen. Es gibt, glaube ich, eine wachsende Bewegung. Und es gibt natürlich das, was wir immer wieder in dem Buch anregen, die Frage: Wie verhält man sich im privaten Leben? Ich habe jetzt schon von einigen Lesern Emails oder Briefe bekommen, die sagen, ich werde nie wieder eine Kundenkarte oder irgendwelche anderen Datenoffenlegungsangebote wahrnehmen.

Zentral ist aber erst mal die Haltung. Sie haben einmal gesagt "Freiheit aufgeben", das andere mal "Freiheit wieder erobern". Ich glaube, das Zentrale ist wirklich, dass wir alle begreifen: Freiheit ist etwas, was inhärent jedem einzelnen Menschen innewohnt. Er kann sozusagen diese Freiheit eigentlich nur von sich aus abgeben. Er kann sie sich nicht nehmen lassen, wenn er seine eigene Menschenwürde ernst nimmt. Ich glaube, dass das Buch im Endeffekt ein Appell ist, wirklich unsere freiheitliche Menschenwürde wieder ernst zu nehmen. Wo sich der einzelne Bürger dann engagiert und wie er sich dagegen verteidigt, muss wirklich ihm selber überlassen bleiben.

Claus Leggewie: Herr Trojanow, googlen Sie?

Ilija Trojanow: Natürlich google ich. Denn wie Jeff Jarvis uns ja im Vorwort klar macht, gibt es ja fast nichts anderes. Er spricht von über 80 Prozent Anteil an den Suchmaschinen. Das ist fast ein Monopol.

Claus Leggewie: Damit ist das Zweite Buch, womit wir uns beschäftigen wollen, schon genannt worden. Herr Schmidt, würden Sie es kurz vorstellen?

Jan-Hinrik Schmidt: Gerne, ja. Es handelt sich um das Buch "Was würde Google tun?" von Jeff Jarvis. Das ist ein Amerikaner, der ursprünglich aus dem Journalismus kommt. Er ist seit einiger Zeit Blogger. Er führt ein Weblog im Internet, auch eines der bekanntesten und populärsten in USA. Er macht inzwischen, glaube ich, deutlich mehr Geld mit Beratung, Consulting, mit Vorträgen, als er in seinem Hauptberuf als Professor an einer Universität macht. Wenn man so will, ist er ein publizistisches Multitalent, der in so richtig schöner amerikanischer Manier mal aufgeschrieben hat, wie sich unsere Wirtschaftswelt verändert und was man eben von Google lernen kann. Das ist der Titel des Buches. Es ist insofern eine völlig andere Zielgruppe oder völlig anders ausgerichtet als das Buch "Angriff auf die Freiheit".

Es richtet sich nicht an den Bürger, an den homo politicus, sondern an den homo oeconomicus, an den Unternehmer, an denjenigen, der irgendwie vielleicht wirtschaftlich tätig ist oder es werden möchte. Es ist in mancher Hinsicht sehr optimistisch, wo man auch die amerikanische Debatte durchschimmern sieht. In Deutschland sind wir aus gutem Grund Google gegenüber - glaube ich - noch sehr viel skeptischer eingestellt, was zum Beispiel so Fragen wie Datenkontrolle angeht.

Es ist aber ganz hilfreich, dieses Buch als - wenn man so möchte - Ergänzung dieser Debatte zu lesen, weil es aus meiner Sicht praktisch die Veränderungen deutlich macht, mit denen sich Politiker wie Schäuble oder auch Ursula von der Leyen so schwer tun. Nämlich das Internet verändert tatsächlich die Art und Weise, wie wir als Gesellschaft organisiert sind. Es verändert vor allem die Art und Weise - und Google ist da ganz wichtig -, wie wir als Gesellschaft Informationen und Wissen aufbereiten und filtern und weiter verbreiten. Das berührt Wirtschaftsunternehmen und Organisationen, die im weitesten Sinne mit Informationen, mit digitalisierbaren Gütern arbeiten. Das sind inzwischen eigentlich fast alle, die irgendwie vom Internet betroffen sind. Es berührt aber auch politische Parteien. Es berührt den Journalismus natürlich nicht zuletzt.

Und Jeff Jarvis arbeitet eigentlich einige Prinzipien heraus, die das Internet kennzeichnen, und gibt dann in einem weiteren Schritt Hinweise, immer nach dieser Leitfrage: Was würde denn Google tun an deiner Stelle? Was würde Google tun, wenn es ein Versicherungsunternehmen wäre, wenn es eine Fluglinie wäre?

Insofern ist es mit einem gewissen Misstrauen und auch mit einer gewissen Skepsis zu lesen, weil es wirklich ein typisch amerikanisches Business-Buch ist, wo aber trotzdem eine ganze Reihe, finde ich, ganz interessante Einsichten drinstecken.

Claus Leggewie: Haben Sie es auch interessant gefunden, Herr Trojanow?

Ilija Trojanow: Na ja, ich habe mich ein bisschen geärgert, dass ich das Buch lesen muss. Aber natürlich war es interessant, genau, wie Sie es geschildert haben, weil ich tatsächlich nicht wusste, dass es eine solche Apologie, eine solche Euphorie, eine solche blinde Zukunfts-Google-Vertrautheit gibt. Das war mir ganz neu. Es ist ja nicht nur optimistisch, es ist ja quasi religiös. Es fällt tatsächlich in diesem Buch der Satz, "früher gab es Gott, heute gibt es Google", also nicht übertrieben. So ist es auch geschrieben. Das Buch müsste eigentlich heißen "Schöne neue Welt", in Klammern: "Diesmal nicht ironisch gemeint".

Und alles, was Google macht, und alles, was mit Google zusammenhängt, ist eine unglaubliche Befreiung der Gesellschaft, der Wirtschaft und des Menschen. Das Interessante ist, wir werfen in unserem Buch ja sowohl den Politikern als auch den Juristen und auch vielen Journalisten vor, dass sie sozusagen die Web-Welt nicht kennen. Das heißt, wir sagen, ihr kennt nur die reale Welt. Hier müsste man dem Jeff Jarvis genau das Gegenteil vorwerfen. Er scheint die reale Welt nicht zu kennen. Ich habe geradezu auf den Satz gewartet: Na, wenn Sie zu Hause keine Nahrung haben, dann googlen Sie sich was zu essen.

Claus Leggewie: Gibt es den Unterschied noch zwischen realer und virtueller Welt?

Jan-Hinrik Schmidt: In der Form nicht, nein. Das, was wir im Internet tun, ist genauso real oder nicht, wie ein Telefonat. Natürlich, wir kommunizieren technisch vermittelt, aber wir sitzen vor dem Rechner mit unserer Körperlichkeit. Wir tun Dinge, die wiederum Auswirkungen auf unser Leben vor dem Bildschirm haben. Die Trennung kann man im Grunde nicht mehr aufrecht erhalten. Übrigens wird es ähnlich gebraucht, wie die Kampfformel vom Internet als vermeintlich rechtsfreier Raum. Auch das ist natürlich vollkommen hanebüchen und Unfug.

Insofern kann ich die Bedenken, die Herr Trojanow hat, sehr gut nachvollziehen, weil es tatsächlich an manchen Stellen sogar ärgerlich ist, was Jeff Jarvis schreibt, weil man das Gefühl hat: So, und jetzt denke noch einen Schritt weiter und du bist beim Kern der Sache - wenn er zum Beispiel die Möglichkeiten herausstellt, die Individuen durch Google haben, nämlich sie können auffindbar sein.

Jarvis behandelt das unter dem Aspekt des Selbstmanagement. Man muss im Internet präsent sein, um sich selber zu vermarkten. Man muss für Google auffindbar sein. Man sollte seine Homepage, die man natürlich am besten als Blog führt, so führen, dass man von Google aufgefunden wird. Nur dann ist man wer in dieser Welt.

Ilija Trojanow: Es ist noch radikaler. Ich habe mir den Satz unterstrichen. Er sagt tatsächlich: "Wer von Google nicht aufzufinden ist, existiert nicht." Insofern ist da schon eine gewisse Realitätsblindheit. Und vor allem, was das Buch auch sehr ärgerlich macht, es ist ja völlig blind für 90 Prozent der Welt. Es beschreibt ja eine Welt, die teilweise in den USA existiert, teilweise in Westeuropa, aber natürlich mit den Realitäten im Rest der Welt überhaupt nichts gemein hat.

Jan-Hinrik Schmidt: Beziehungsweise, wenn man sich China anguckt, wo Google dann auf einmal eine eher unrühmliche Rolle spielt, die er auch andeutet, aber im Prinzip auch darüber hinweggeht. Dass Google im Prinzip, um auf den chinesischen Markt zu gelangen, letztlich Trefferlisten zensiert, sprich, bestimmte Treffer bei bestimmten Suchanfragen in der chinesischen Google-Variante nicht auftauchen - Google mit dem Argument, wir müssen den Markt erschließen und ein bisschen Demokratie und ein bisschen Offenheit ist gar keine. Jarvis hält dem entgegen, na ja, ihr hättet inzwischen so eine Macht, da käme selbst China nicht mehr an, wo vielleicht auch Google ein bisschen überschätzt wird.

Ilija Trojanow: Das zeigt auch, auf was für tönernen Füßen seine Behauptung steht, dass alles, was Google betrifft, dezentral und die einzige Organisationsform Selbstorganisation ist. Das sind ja seine zwei Hauptthesen, die er immer wieder wiederholt. Ich würde gern auch mal mit einem Unternehmer drüber reden, wenn Herr Jarvis sagt: Was, Sie haben Probleme bei der Bundesbahn? Einfach dezentralisieren, Selbstorganisation, jeder Lokführer entscheidet selber, wo und wann er fährt, und per iPhone können wir ihm schnell eine Message schicken, ich bin hier in Kettwig und möchte irgendwie nach Bredeney mit der Bahn.

Claus Leggewie: Wir sind uns einig, das ist kein besonders empfehlenswertes Buch, höchstens als Quelle, was man sich so alles erlauben kann.

Sie haben das chinesische Beispiel schon gesagt. Es gibt hier offenbar drei Bösewichte: erstens der freiheitsunterdrückende Staat, zweitens Achim Angepasst, der nicht darauf achtet, was er tut, und drittens - und das finde ich eigentlich am Erstaunlichsten - die Bereitschaft, unsere Bereitschaft, sich kommerziellen Giganten, wie Google, aber auch anderen, die zum Beispiel studiVZ und anderes auch betreiben, einfach zu unterwerfen und sie für Medien der Demokratisierung zu halten.

Das ist doch eine interessante, wahrscheinlich tatsächlich Änderung auch nicht unserer Sicherheitslage, sondern unseres Versuchs Freiheit aufzugeben, dass wir das Spiel so sehr mitspielen und dass wir uns in der Tat auch einem Misstrauen gegenüber dem Staat nähern, aber nicht gegenüber Google. Das ist doch ein interessantes Phänomen, dass wir dem Staat gegenüber ein hohes Misstrauen haben, uns allen Avancen eines Sicherheitsstaates entgegenstellen, aber Google kommt auch in ihrem Buch in dem Sinne ja nicht vor, Herr Trojanow.

Ilija Trojanow: Das liegt daran, dass Herr Jarvis halt doch zur Hälfe recht hat. Das ist ja das Fatale. Denn es gibt ja tatsächlich diese Momente von Freiheit. Wir erschaffen ja unsere eigenen Communities. Und zwar erschaffen wir sie wirklich, ohne dass jemand uns da reinredet. Wir bestimmen wirklich viel freiheitlicher als früher, wie wir kommunizieren, mit wem, in welcher Art. Und wir haben tatsächlich die Möglichkeit, viel umfassender als früher Zugang zu Informationen zu bekommen. Das stimmt ja alles.

Nur die andere Seite ist, dass das natürlich bezahlt wird mit diesem gläsernen Bürger. Und er sagt ja, das ist ein absoluter Vorteil. Der gläserne Bürger hat gar keine Nachteile. Und wir in Deutschland, glaube ich, also die, die sich mit dem Thema beschäftigen, sind ja eigentlich durch die Bank - ich kenne überhaupt niemanden in Deutschland, der seine Meinung teilt - der Ansicht, ein gläserner Bürger ist eine Bedrohung für das Individuum.

Claus Leggewie: Ist es das?

Jan-Hinrik Schmidt: Es gibt ja in Deutschland auch die Stimmen, die Google sehr kritisch sehen. Ich glaube, das Problem bei Google ist, dass Google sich nach außen hin diese Fassade gibt, "don't be evil", das ist sozusagen das Firmen-Mantra von Google, dass die Zwänge und die Macht und die Kontrolle, die Google hat, verborgener ist als vielleicht die Macht, die wir wahrnehmen, wenn Gesetzesänderungen verabschiedet werden oder wenn wir Schäuble sehen. Bei Google liegt die Macht in der Architektur der Software begründet.

Es gibt einen amerikanischen Rechtsphilosophen, Juristen, Lawrence Lessig. Der hat gesagt: "Code is law." Also, Softwarecode, die Architektur der Software ist Gesetz. Sie reguliert unser Handeln, genauso wie es tatsächliche Gesetze oder auch soziale Konventionen, soziale Normen tun. Ich glaube, das muss sich noch ein bisschen verbreitern. Das betrifft dann nicht nur Google, sondern auch die Architektur von Plattformen wie studiVZ oder Facebook. Was dort an Privatsphäreeinstellungen in die Software eingeschrieben ist, bestimmt unsere Art des Kommunizierens. Es ist aber - das ist das Schöne - genauso wie Gesetze veränderbar. Und Nutzer können natürlich auch da Einfluss nehmen und können zum Beispiel Mitspracherechte verlangen, genauso wie sie es im politischen Bereich tun sollten.

Ilija Trojanow: Man muss natürlich sagen, dass Google jederzeit bereit ist, mit dem Staat zusammenzuarbeiten. Wenn man Googlemail benutzt, dann speichern sie alle E-Mails - ich glaube - ein halbes Jahr lang ab, sind aber bereit, das passiert schon in mehreren westeuropäischen Staaten, nicht in China, den Behörden bei Verdacht, all diese Emails zur Verfügung zu stellen.

Claus Leggewie: Herr Schmidt, wenn man auf ihren Blog guckt - es gibt einen Blog, sehr empfehlenswert. "Schmidtmitdete" heißt der Blog -, da kann ich sehen, was Sie die nächsten Tage so vor haben. Sie haben den Leuten erzählt, dass Sie hier nach Essen gefahren sind und wo Sie jetzt als Nächstes hinfahren. Warum tun Sie das?

Jan-Hinrik Schmidt: Das tue ich, weil für mich mein Blog eine Art erweiterter interaktiver Visitenkarte ist. In dem Sinne folge ich natürlich diesem Vorschlag von Jeff Jarvis, "sei sichtbar im Netz", weil meine berufliche Tätigkeit als Wissenschaftler, vor allem als Onlineforscher, es aus meiner Sicht auch erfordert, dass ich im Netz präsent bin, dass ich ansprechbar bin. Das Blog hat den Vorteil, dass es nicht statisch ist, sondern kommentiert werden kann. Es gab genau zu diesem Eintrag, den ich heute geschrieben habe, eine Nachfrage von jemandem zu einer Veranstaltung in Haifa, wo ich in zwei Wochen sein werde. Ich habe für mich selber Grenzen gezogen. Ich werde dort nicht schreiben, dass ich mit meiner Freundin in dem und dem italienischen Restaurant morgen Abend essen gehen werde, sondern ich veröffentliche dort beruflich relevante Themen.

Claus Leggewie: Wenn Herr Trojanow recht hat, wissen wir sowieso, wo Sie essen werden.

Ilija Trojanow: Nicht wir, die Behörden. In einem guten Staat wissen die Behörden immer mehr als die Bürger. Das ist so.

Claus Leggewie: Wir kommen zum Schluss der Sendung. Am Schluss haben wir immer noch zwei Buchtipps von unseren Gästen. Vielleicht, Herr Trojanow, Sie zuerst: Was würden Sie unseren Hörerinnen und Hörern noch empfehlen?

Ilija Trojanow: Ein Buch, das auch sehr zu der Diskussion passt. Das heißt "Wir sind überall", geschrieben natürlich, wie es heutzutage sein muss, nicht von Einzelnen, sondern von einem Kollektiv. Das Kollektiv hat den wunderschönen Namen " Notes from nowhere". Und es ist ein auch völlig dezentrales Buch. Das heißt, es hat kein Ordnungsprinzip, sondern es sind einzelne Geschichten, Interviews, Stimmen von Widerstandsbewegungen weltweit - ob es jetzt die Wasserkriege in Bolivien sind, ob es der Kampf gegen genmanipulierte Nahrungsmittel in Indien ist - und wie diese Leute nicht nur sozusagen lokal ihren Kampf führen, sondern wie sie sich auch international vernetzen. Das heißt, es ist eigentlich auch ein Buch, was sagt, das sind keine Globalisierungsgegner, denn sie sind auch inzwischen globalisiert. Es gibt sozusagen auch eine Vernetzung der antikapitalistischen Kräfte inzwischen.

Claus Leggewie: Erschienen bei Edition Nautilus. Herr Schmidt hat auch noch eine Empfehlung.

Jan-Hinrik Schmidt: Die ist schon etwas älter. Sie ist 2008 erschienen. Es ist das Buch "Jeffersons Erben" von Tobias Moorstedt bei der Edition Suhrkamp. Es ist aber, finde ich, gerade im Moment sehr aktuell, weil es um den Einfluss der digitalen Medien auf die Politik geht. Tobias Moorstedt war zu mehreren Reisen in den USA und hat im Prinzip den Obama-Wahlkampf beobachtet und gibt einen sehr schönen, auch sehr plastischen, sehr informativen Überblick, was das Besondere an dem digitalen Wahlkampf war, auch die Verknüpfung zwischen dem, was im Internet passiert ist, und dem, was tatsächlich letztlich vor Ort in den einzelnen lokalen Gemeinschaften dazu geführt hat, dass Obama gewählt wurde. Das ist, glaube ich, auch als Kontrastfolie zum hiesigen Bundestagswahlkampf ganz interessant.

Claus Leggewie: Warum ist das bei uns anders?

Jan-Hinrik Schmidt: Oh, aus verschiedenen Gründen. Unser politisches System ist anders. Unsere Parteien haben nicht den Zwang wie Obama, Spenden einwerben zu müssen, zumindest nicht in dem Maße. Unsere politischen Spitzenkräfte, die Spitzenkandidaten sind keine Obamas von ihren Persönlichkeiten her - verschiedene Dinge.

Ilija Trojanow: Und Schäuble lässt sich ja das Internet ausdrucken, wie wir wissen.

Claus Leggewie: Gut. Sie können sich auch das, was wir heute bei Lesart spezial im Deutschlandradio Kultur aus dem Schauspiel Essen gesendet haben, ausdrucken lassen, nämlich auf www.dradio.de und www.kulturwissenschaften.de. Wir machen diese Sendung zusammen mit dem KWI und der Buchhandlung Proust. Ich bin Claus Leggewie und danke für Ihr Interesse.