Vergabeverfahren der Bibliotheken

Gefahr für die Buchstadt Leipzig?

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Der Erweiterungsbau der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig hat die Form eines auf der Seite liegenden Buchs.
Leipzig ist stolz auf seinen Status als Buchstadt. Doch eine neue Bibliothekenregelung bringt jetzt die kleinen Buchhandlungen der Stadt in Gefahr. © imago images / imagebroker / Michael Nitzschke
Monika Osberghaus im Gespräch mit Andrea Gerk · 19.05.2022
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Die Leipziger Bibliotheken besorgen ihre Bücher künftig in einem europaweiten Verfahren, nicht mehr überwiegend bei lokalen und auch kleineren Buchhandlungen. Das gefährde die Qualität hinter dem Titel „Buchstadt“, ist Verlegerin Monika Osberghaus überzeugt.
Seit Ende April sind die unabhängigen Buchhändlerinnen und -händler in Leipzig teils in Sorge, teils in Rage – und teils beides. Denn sie haben eine ziemliche Hiobsbotschaft erhalten – ausgerechnet am Tag vor dem Welttag des Buches am 23. April: Die Bibliotheken der Stadt schreiben ihre Etats ab dem kommenden Jahr europaweit aus, statt wie bisher paritätisch vor allem lokale, auch kleinere Buchhandlungen zu beauftragen.
Zudem werden in der neuen Ausschreibung künftig zusätzlich „bibliotheksspezifische Serviceleistungen“ verlangt: die Folierung der Bücher, außerdem sollen Barcodes und ein Diebstahlschutz angebracht werden – alles zum üblichen Buchpreis, minus zehn Prozent Bibliotheksrabatt.
Das Problem: Diesen Zusatzservice können sich kleine Buchhandlungen wohl kaum leisten. Werden hier bewusst große Player wie Hugendubel oder Thalia angesprochen?

Sorge um die Existenz kleiner Buchhandlungen

Diese Befürchtung hat Monika Osberghaus, die in Leipzig den Klett-Kinderbuch-Verlag leitet und Buchhändlerin ist, dazu gebracht, einen Brief an den Leipziger Oberbürgermeister zu schreiben. In Bezug auf die neue Ausschreibung gehe es nicht nur um juristisch fragwürdige Dinge, wie etwa, dass möglicherweise die Buchpreisbindung untergraben wird – Monika Osberghaus sorgt sich um die Qualität der Buchstadt Leipzig.
Denn diese Veränderung im Vergabeverfahren sei existenzgefährdend besonders für kleine Buchhandlungen. Auch, dass die Bibliothekarinnen und Bibliothekare nicht mehr die Bücher auswählen sollen, sondern der neue Partner der Bibliotheken, führe „wirklich zu einer Verarmung“, so Osberghaus. Es werde dadurch möglicherweise weniger Vielfalt im Angebot der Bibliotheken und auch bei den Buchhandlungen und in deren Sortiment geben.

Große Player mit anderem Sortiment

Sie schätze als regelmäßige Bibliotheksnutzerin die Tiefe des Sortiments, etwa „auch diese regional interessanten Lyrikbände“. Ob es ein solches Angebot auch mit einem großen Anbieter wie Hugendubel gibt, bezweifelt die Verlegerin und gelernte Buchhändlerin.
Tatsächlich haben große Buchhandlungen wie Hugendubel oder Thalia eine einheitliche Einkaufspraxis und damit andere Sortimente, die von anderen Verlagen stammen, als das bei kleinen Buchläden der Fall ist, die ihr Angebot individuell kuratieren.

Zu kurzfristige Bekanntgabe

Besonders ärgerlich sei, so Osberghaus, dass die Bekanntgabe dieser Veränderung so kurzfristig kam. So hätten die lokalen Buchhändlerinnen und -händler keine Möglichkeit gehabt, zu überlegen, ob sie bei der Ausschreibung mitmachen. „Die kulturell Verantwortlichen hier in der Stadt haben da einen Fehler gemacht.“
Und, so die Verlegerin weiter: „Es muss Personen gegeben haben, die von dieser Sache wussten. Die das nicht thematisiert haben mit den Beteiligten, sondern das einfach mal so kommen ließen und jetzt mit einem Achselzucken sagen: 'Mist, ist blöd für die Buchhändler hier, dumm gelaufen.'“
Aber, meint Monika Osberghaus: „Man muss doch als Buchstadt-Mensch sagen: ‚Nein, das können wir hier nicht machen.‘“

"Es muss jetzt ein Aufschrei kommen"

Jetzt sei die Buchszene in Leipzig in jedem Fall alarmiert. „Ich denke, der Herr Oberbürgermeister Jung wird jetzt etliche Briefe bekommen.“ Ob das etwas bewirke, sei aber unklar. Auf ihren Brief an den Oberbürgermeister habe sie jedenfalls noch keine Antwort erhalten, so Monika Osberghaus.
Dass die Kulturbürgermeisterin sich inzwischen verständnisvoll dem Buchhandel gegenüber geäußert hat, reicht der Verlegerin nicht: „Es muss jetzt eigentlich ein Aufschrei kommen, hier in Leipzig.“ In der Buchstadt. „Es sind ja immer alle so stolz drauf. Und gerade auch die Verantwortlichen betonen das ja immer. Und jetzt hungern Sie uns sozusagen aus.“
(abr)

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