Bibilische Parabel in Südstaaten-Drama

Rezensiert von Lutz Bunk |
Joe Lansdale hat in den USA 86 Buchveröffentlichungen vorzuweisen, in Deutschland hingegen ist er vollkommen unbekannt. Er lebt in Texas, schreibt Krimis, Western und Fantasy-Literatur, und er hat auch einige Folgen von "Superman" und "Batman" geschrieben. Jetzt ist in Deutschland sein Roman "Sturmwarnung" erschienen.
Lansdale beschreibt einen historischen Hurrikan, der im Jahr 1900 die texanische Stadt Galveston verwüstete und 8000 Opfer forderte. Exakt dort sollte im September 2005 der Hurrikan "Rita" auf die Küste treffen, änderte aber in letzter Minute seine Bahn. Das ist die höchstdramatische Rahmenhandlung, und dann geschieht in diesem Roman am Abend der Katastrophe noch etwas anderes, das die Welt auf den Kopf stellt: Zwei Boxer treten in einem Preiskampf gegeneinander an, und in den rassistischen Südstaaten nun geschieht das Undenkbare, ein schwarzer Boxer, ein Underdog, schlägt einen weißen Berufsboxer.
"Sturmwarnung" ist ein Katastrophenroman, ein Thriller, ein Südstaaten-Drama á la "Onkel Toms Hütte", aber es kommt noch etwas Entscheidendes hinzu, etwas für Lansdale Typisches: Lansdale legt seine Stoffe bewusst moralistisch an, oft wie biblische Parabeln. In diesem Fall erscheint der Hurrikan wie ein Gottesurteil, der die Stadt Galveston bestraft, in der - wie uns Lansdale beschreibt - Verhältnisse wie in Sodom und Gomorrha herrschen. Und Lansdale beherrscht die große und seltene Kunst, einen Erzählstoff wie einen klassischen amerikanischen Western aufzubauen, also einfach und klar, ein Plot wie aus Stein gemeißelt.

Lansdale liebt große Bilder, große Metaphern, große Gefühle, zeigt aber auch, dass er äußerst differenziert mit Sprache umgehen kann, das heißt, auch wenn in diesem Roman, wie oft bei Lansdale, eine sehr harte, oft brutale Sprache vorherrscht, dann wird sie doch nie zum Selbstzweck, bleibt immer Mittel, um entsprechende Situationen oder Menschen adäquat wiederzugeben, ungeschminkt und realistisch. Und oft fängt das auch ein schnurriger Südstaaten-Humor wieder auf, der an den Ton von Mark Twain oder Faulkner erinnert: "Jener Nachmittag war heißer als zwei rammelnde Ratten in einer Wollsocke." Und im nächsten Moment kann Lansdale wieder leise, diskret und poetisch sein.

Die wahre Person des Joe Lansdale erscheint geheimnisumwittert, wie eine Figur aus seinen Roman. Sein Geburtsjahr ist unbekannt, er mag vielleicht 50 sein, sieht aus wie ein Indianer, ist Meister verschiedener Kampfsportarten und hat bis vor einigen Jahren auch bei brutalen Preis-Turnieren gekämpft. Er lebt mit seiner Frau in einer texanischen Kleinstadt.

Wer also amerikanische Südstaaten-Literatur liebt, für den ist Joe Lansdale eine gigantische Entdeckung. Lansdale ist ein großer Autor.


Joe R. Lansdale: Sturmwarnung
Übersetzt von Hannes Riffel
Shayol Verlag, 2004
165 Seiten
9,90 Euro.