Betriebssport

Bewegte Kollegen

Mitarbeiter der Otto Group in Hamburg nehmen in ihrer Mittagspause am 24.04.2014 an einem Zumba-Kurs teil.
Mitarbeiter der Otto Group in Hamburg nehmen in ihrer Mittagspause an einem Zumba-Kurs teil. © picture-alliance / dpa / Ulrich Perrey
Von Gerd Michalek · 29.05.2016
Vor 100 Jahren ging es vor allem um den Betriebsfrieden: Wer sich sportlich betätigt, streikt nicht, sagten sich die Chefs. Heute gibt es Betriebssport immer noch, sogar mit Wettkämpfen. Im Juni werden erstmals die Weltspiele des Betriebssports ausgetragen.
Sonntagmittag in einer Kölner Schulsporthalle: Zehn Firmen-Mannschaften nehmen am Volleyball-Turnier teil:
Salvatore: "Der Vorteil ist, es sind meistens Leute, die schon vor vielen Jahren Volleyball gespielt haben und noch Bock drauf haben. Aber man hat nicht den Vereinsdruck, man hat eher das gesellige Zusammensein und geht danach noch was trinken und was essen. Die Leute sind alle bisschen relaxter als im normalen Verein."
Salvatore spielt den Leitwolf in der Mannschaft des Westdeutschen Rundfunks. Bei den Schmetterschlägen zeigt der Mittvierziger, dass er noch einiges drauf hat.
Salvatore: "Ich bin der Spartenleiter bei uns und bin seit sieben Jahren dabei, aber bei weitem nicht der längste. Wir haben Leute bei uns, die 20 Jahre dabei sind. Ich habe Leistungssport Volleyball gespielt, das war halt nach der Schule, hab Regionalliga gespielt und hab dann durch den Job gar nichts gemacht, bestimmt über fast 15 Jahre."
Ortswechsel in den Kölner Westen zum Tischtennisraum im Kellergeschoss eines großen Versicherers:
Ingeborg: "Das ist immer wunderbar! Die Gemeinschaft ist so toll, man ist eine Familie, einfach schön!"
Ingeborg Heucken genießt das Tischtennisspiel in vollen Zügen. Früher war sie Sachbearbeiterin im Versicherungswesen. Ihre schnelle Rückhand beeindruckt noch immer die jungen Kollegen.
Junger Kollege: "Superkämpferin, 'nen richtig dicken Dampfhammer hat sie drauf, ich selber muss alles geben, um überhaupt mal dran zu riechen, zu gewinnen!"
Wer ihre flinken Bewegungen sieht, kann kaum glauben, dass die kleine blonde Frau bereits seit 20 Jahren Rentnerin ist. Sie liebt ihre Betriebssportgruppe und nimmt für sie jeden Dienstag gut 70 Kilometer Fahrweg in Kauf. Von der Eifel nach Köln, selbst mit 88 Jahren!
Ingeborg: "Der Heucken-Hammer kommt schon mal ganz gut und die Rückhand geht dann zack! Ich jage sie gerne recht links und rechts links. Die könnten alle meine Söhne oder Enkel sein. Wir sind zusammengewachsen in all den Jahren. Erst waren sie Sacharbeiter, jetzt sind sie Abteilungsleiter, sie haben Häuser gebaut, sie haben Familien gegründet und ich habe Enkel und Urenkel gekriegt. So hat sich das ergeben."

Etwa 300.000 organisierte Firmensportler in Deutschland

Rund 40 Jahre jünger als Ingeborg Heucken ist Marco Möller, ein leidenschaftlicher Golfer aus Köln:
Marco: "Der Vorteil beim Golfen im Betriebssport ist für uns, dass man sich sozusagen "on the job" vernetzt. Man findet Gelegenheit, nach der Arbeit mit den Leuten noch mal zusammenzukommen. Manche mögen das, manche nicht, manche legen das Thema Arbeit "ad acta". Es gibt aber viele, die sagen, okay, wenn das organisiert ist, dann freue ich mich, wenn jemand sich drum kümmert, den Golfsport zu organisieren. Es ist ja nicht so, dass man nur den Betriebssportler aus seiner Betriebssport-Gruppe trifft, sondern man trifft auch den Betriebssportler, wenn man von der Kölner Region spricht, von anderen Versicherungen, man trifft ihn von der Stadt Köln, von der KVB oder von RTL. Ein richtig buntes Gemisch! Ich glaube, das ist es, was es ausmacht."
Auch Marco Möller arbeitet in der Versicherungsbranche. Der Kölner ist Vertriebsleiter und schwingt in seiner Freizeit gerne den Golfschläger. Ob Golf, Volleyball oder Tischtennis, wie bei diesen drei Athleten, ob Auszubildender oder Chef: Betriebssport in Deutschland hat viele Facetten: Es gibt rund 60 Sportarten, in denen sich knapp 300.000 organisierte Firmensportler tummeln. Vor allem Spaß und Geselligkeit treibt sie an und die Tatsache, dass sich im Betriebssport Arbeits- und Trainingszeit meist günstiger kombinieren lassen als in üblichen Sportvereinen.
Dazu Volleyballerin Sarah aus Köln:
Sarah: "Wir trainieren einmal die Woche, nur dafür rund drei Stunden, mittwochs von sieben bis zehn, das passt super. Direkt von der Arbeit muss ich die Trainingssachen mitnehmen und dann geht's direkt weiter."
Das Miteinander hat beim Volleyballspiel noch einen besonderen Reiz. Stets spielen drei Frauen und drei Männer zusammen in einem Firmen-Team. Gerade das gefällt Sarah und Salvatore:
Salvatore: "Auf jeden Fall - vom Duschen abgesehen! Der Vorteil bei den Mixtteams ist: Die Frauen bringen einen ganz anderen Flair rein, das ist nicht so verbissen wie allein unter Männern - und auch leider unter Frauen - durch das Mixt nimmt man viel mehr Rücksicht. Auch bei den Angriffen, man versucht nicht sofort auf 'ne Frau draufzuschlagen beim Schmettern, das macht den größeren Reiz aus."
Sarah: "Das kannte ich noch gar nicht, denn ich habe in 'ner reinen Mädchenmannschaft gespielt. Der besondere Reiz für Frauen wahrscheinlich: Das Netz ist ein bisschen höher, das heißt die Sprungkraft muss man automatisch weiter trainieren, da wird man schon mal mehr gefordert. Und das ist ne nette Abwechslung, da ist weniger Gezicke im Team als bei reinen Mädchenmannschaften und man ist einfach ne nette Truppe."
Seitdem Salvatore im Betriebssport aktiv ist, entdeckt er interessante Parallelen zwischen Sport- und Arbeitswelt.
Salvatore: "Ich persönlich merke - und andere auch -, dass ich in einem Team arbeite. Und diesen Teamcharakter übernimmt man mit in den Job. Wir haben hier auch Leute, die nicht so die besten Teamplayer sind, die sind aber auch im Job in einer höheren Position und da auch nicht die Teamplayer!"
Sport mit Kollegen fördert gemeinhin die Geselligkeit. Bringt es auch etwas für das Arbeitsklima?
Andreas: "Weil auch Leute in größeren Firmen aus völlig verschiedenen Abteilungen und aus völlig unterschiedlichen Hierarchieebenen gemeinsam Sport treiben. Und ich glaube, das Klima wird dadurch bestimmt nicht schlechter, wenn man sich nach dem Sport beim Bier trifft und unterhält."

Große Firmen wollten mit Sport Betriebsfrieden erhalten

Den Betriebssport in Deutschland gibt es schon seit über 100 Jahren. In seiner Gründungsphase - zu Zeiten des deutschen Kaiserreiches - expandierten große deutsche Firmen wie Bayer oder Krupp. Damals diente sportliche Betätigung vorrangig dem Betriebsfrieden, berichtet der Bochumer Sporthistoriker Andreas Luh:
"Die Betriebe, die damals entstanden, und die großen deutschen Konzerne, wie Siemens, Krupp und auch große deutsche Banken, standen ja in einer Klassenkampfsituation einer sich organisierenden Arbeiterbewegung. Die hatten ein Bedürfnis, ein System betrieblicher Sozialpolitik aufzubauen, was auch eine gewisse Legitimations- und Abwehrfunktion hatte gegenüber den Interessen einer organisierten linksorientierten Arbeiterbewegung."
Gewerkschaften formierten sich, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Es wurde gestreikt, was der Werksleitung natürlich ein Dorn im Auge war. Dass in der Firma Sportmöglichkeiten entstanden, hatte teilweise mit bewegungsbegeisterten Werkschefs zu tun - etwa bei der Firma Bayer: Die Produktionsstätten der Chemie-Fabrik wurden quasi auf die grüne Wiese nach Leverkusen verlegt. Weil Freizeitbeschäftigungen fehlten, ließ Bayer-Chef Carl Duisberg dort Sportstätten für die Arbeiter bauen. So schlug er zwei Fliegen mit einer Klappe: In Leverkusen wurde tatsächlich seltener als anderswo gestreikt. Und es gelang, die meist ungelernten Wanderarbeiter enger an den Betrieb zu binden. Als der Nationalsozialismus alle Gesellschaftsbereiche durchdrang und das Vereinswesen zerstörte, wurde auch die Bewegungskultur in den Betrieben totalitär vereinnahmt. Die Nazis machten sie zu einem Instrument der Mobilmachung. Sporthistoriker Andreas Luh:
"Der Vierjahresplan zur Kriegsfähigmachung der deutschen Wirtschaft und der Gesellschaft: Die Arbeitsanforderungen stiegen, die Arbeitszeiten stiegen hoch. Die Konsumgüterindustrie wurde zurückgeschraubt. Da waren solche Aktionen und gerade der Sport natürlich ein ganz wichtiges Instrument: Das war ganz raffiniert organisiert, man schlug zwei Fliegen mit einer Klappe. Die bestehenden Vereinssysteme mussten übertreten in NS-Betriebssportgemeinschaften, die über die KdF organisiert waren. Aber die Räumlichkeiten, von den das organisiert wurde, und die Abstellung von personellen Kräften, das mussten die Betriebe zahlen."
Die Nazis gängelten die Arbeiterschaft und versuchten über den Firmensport die Arbeitsmoral hoch zu halten. Was hinter den Werkstoren vor sich ging, bestimmten vorwiegend die so genannten Kraft-durch-Freude-Gruppen. Nach ihrer Pfeife tanzten etwa acht Millionen Menschen. Außerdem zwang das Regime die freien Sportvereine, in die NS-Betriebssportgemeinschaften überzutreten.
Andreas Luh: "Die Betriebe hatten davon was bei den Leistungswettkämpfen um das "Goldene Zahnrad". Dieses "Goldene Zahnrad" konnte man auch auf dem Briefkopf des Betriebes zeigen. Man bekam auch über den Vierjahresplan Rüstungsaufträge eher zugeteilt, wenn man dieses Zahnrad im Leistungskampf der deutschen Betriebe eben gut abgeschnitten hatte."

Nach dem Zweiten Weltkrieg schwieriger Neustart für Betriebssport

Das Ende des Zweiten Weltkrieges war auch so etwas wie die Stunde Null des Betriebssports. Sein Neuaufbau in der jungen Bundesrepublik vollzog sich nicht ganz reibungslos. Zunächst war dem Deutschen Sportbund (DSB)- dem Vorgänger des heutigen Deutschen Olympischen Sportbundes - ein Dorn im Auge, dass sich neben dem üblichen Wettkampfsport ein zweites System etablierte. In den 60er Jahren akzeptierte der DSB jedoch die zweite Säule des westdeutschen Breitensports. Es war offenkundig, dass körperliche Bewegung in der Firma bislang zu kurz kam. In der DDR hingegen besaß der Betriebssport quasi ein Monopol im Freizeitsport. Sporthistoriker Andreas Luh:
"Im Arbeitsgesetzbuch der DDR ist festgelegt worden, dass jeder volkseigene Betrieb auch für die kulturelle und sportliche Förderung der werktätigen Bevölkerung zahlen muss. Wo es nicht um die freie Entscheidung geht: "In welchen Verein gehe ich?" Man hat da eben in der Gemeinschaft Sport getrieben, wo man auch gearbeitet hat. Sie hatten dort nicht die Wahl gehabt: Da wird ein Basketballverein gegründet, da sind nette Leute, da gehe ich hin!"
In der DDR durfte man also nur dort Werkssport treiben, wo man auch arbeitete. So sehr der Betriebssport für eine willkommene Abwechslung im Arbeitsalltag von dreieinhalb Millionen Menschen sorgte: Er stand in der Gunst der DDR-Führung weit hinter dem prestigeträchtigen Spitzensport. Nach der Wende haben sich in Deutschland mittlerweile - je nach Bundesland - die Firmen-Teams auch für NICHT-Betriebsangehörige geöffnet. Zu den Gründen der Präsident des deutschen Betriebssportverbandes, Uwe Tronnier:
"Manche machen es natürlich aus eigenem Antrieb, aber in Ländern, wo Betriebssportgruppen vom Finanzamt her gemeinnützig sein müssen, ist es eine Bedingung schon der Satzung, sich zu öffnen. Man kann also keinen ablehnen, wenn er dort spielen will. Aber man muss auch ein bisschen drauf achten, dass man die Struktur des Betriebssports beibehält."
Ein Trend im Firmensport ist derzeit offenkundig: Je mehr die Berufswelt durch sitzende Tätigkeit geprägt wird, desto dringlicher wird Gesundheitssport am Arbeitsplatz: Beispiele dafür sind Rücken-fit-Kurse oder die sogenannten Bewegungspausen am Mittag.
Weiblicher Coach: "Guten Tag, ich komme von Mediexpert im Rahmen der aktiven Bewegungspause. Da würde ich Ihnen gerne drei Übungen zur Mobilisierung der Wirbelsäule zeigen, wenn Sie dafür Zeit dafür hätten. Sehr schön! Sie können direkt sitzen bleiben, das sind extra Übungen, die an den Büroalltag angepasst sind."
Bei der Gothaer Versicherung in Köln werden die Gesundheitsprogramme von der Tochterfirma "MediExpert" entwickelt. Das Übungsprogramm dauert kaum fünf Minuten. Schulter und Nacken lassen sich schnell lockern. Das kommt gut an.
Teilnehmerinnen: "Es war schön, sich mal zu dehnen, den Rücken mal rund zu machen, man sitzt den ganzen Tag schon sehr verkrampft und angespannt am Schreibtisch auch mit hochgezogenen Schultern. Das war zum Lockern ganz gut zwischendurch. Ich finde es ein tolles Angebot vom Arbeitgeber, dass hier zwischendurch auch ein Coach vorbeikommt und mit uns ein paar Minuten ne kleine Auszeit macht, kleine Übungen."

Schrittzähler soll Belegschaft zum Sport motivieren

Langfristig erhofft sich das Unternehmen natürlich geringere Fehlzeiten seiner Mitarbeiter. Um möglichst viele anzuspornen, werden immer wieder neue Bewegungsangebote aus der Taufe gehoben. So die Schrittzähler-Aktion des Kölner Versicherers, die in diesen Wochen anläuft.
Marco Burnus: "Die Go-Team-Challange ist ein Wettbewerb, den wir bei der Gothaer durchführen. Und es geht darum, im Team möglichst viele Schritte pro Person und Tag zurückzulegen. Es wird ein Durchschnittswert genommen, das heißt dass auch Teams mit acht Mitarbeitern die Möglichkeit haben, sich mit Teams mit zwölf oder 15 Mitarbeitern zu messen. Wichtig ist der Teamcharakter: Dass sich die Teams freiwillig zusammenfinden, dass es Kollegen sind, die Spaß haben und sich gegenseitig motivieren, ihren Bewegungsumfang voranzutreiben. Ziel ist es natürlich, das Bewegungsverhalten der Kollegen zu optimieren."
Auch Marco Burnus, der die Bewegungskonzepte beim Kölner Versicherer mitentwickelt, ist in einem der Teams aktiv:
"Wenn ich von eigenen Erfahrung berichten darf, man schaut immer mal wieder auf den Tracker, stellt fest, wo man liegt, man hat so sein Tagesziel. Wenn man dann feststellt, dass man sein Tagesziel nicht erreicht, dann baut man schon mal einen Umweg ein oder nimmt die Treppe statt des Fahrstuhls oder geht einen Weg zu Fuß, statt direkt in die Straßenbahn zu steigen. Das ist so der große Mehrwert, den die Challange bringen soll."
Viele Mitarbeiter haben beim Schritte-Zählen ihr Aha-Erlebnis - besonders am Anfang: Kaum einer schafft das von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene Tagespensum von 10.000 Schritten - also rund sieben Kilometern. Ein durchschnittlicher Büroangestellter bewegt sich kaum mehr als 500 bis 1000 Meter pro Tag.
Das belegen Studien der Sporthochschule Köln. Die Schritt-Zähler-Aktion dauert insgesamt 50 Tage. Dann hilft die Sporthochschule Köln mit, die anonymisierten Daten von gut 1000 Angestellten auszuwerten.
Marco Burnus: "Die beiden Fragen, die uns primär interessieren, sind: Ist das etwas, was die Mitarbeiter nachhaltig anspricht und auch auf Dauer? Gibt es dadurch nachhaltige Effekte? Oder sagen die Kollegen nach wenigen Wochen: "Das war zwar ganz interessant zu sehen, wie viele Schritte ich zurücklege, aber nichts, wodurch ich mich dauerhaft motivieren lasse, meinen Bewegungsumfang zu optimieren." Und dann der gesundheitliche Effekt: Gelingt es wirklich, das Gesundheitsverhalten und Wohlbefinden durch die Go-Team-Challange zu beeinflussen?"
Ob sich solche Bewegungsangebote rechnen und tatsächlich zu einem gesünderen Lebensstil anregen, bleibt abzuwarten. Als Einmalaktion - ohne tragfähiges Gesamtkonzept - wohl kaum. Deshalb setzt der Kölner Versicherer auf ein Bündel von Maßnahmen: Neben Bewegungspausen bietet er viele hausinterne Sportgruppen, einen großen Fitnessraum und alle zwei Jahre sogenannte "Go-fit-Wochen" an.
Marco Burnus: "Im Rahmen der GO-FIT-Woche haben die Mitarbeiter die Gelegenheit, ihren individuellen Fitnessstatus überprüfen zu lassen, sowohl im Bereich Rückengesundheit, als auch im Bereich Stress, Ernährung, Herz-Kreislauf. Das sieht so aus, dass wir verschiedene Teststationen aufbauen und die Kollegen die Gelegenheit haben, sich innerhalb von zehn Minuten an einer Teststation screenen und dann beraten zu lassen."

Wie gut rechnen sich Sportprogramme für Unternehmen?

Vielleicht werden solche Gesundheitskonzepte in den nächsten Jahren Schule machen. Experten rechnen damit, dass im Jahre 2020 jede dritte Arbeitskraft 50 Jahre und älter ist. Das könnte viele Firmenleiter zur Einsicht bringen, etwas für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu tun. Investitionen in Bewegungskonzepte wären nicht zum eigenen Nachteil. Im Gegenteil: Firmen können dadurch im globalen Wettbewerb "Punkte sammeln". Das glaubt jedenfalls der Gesundheitsexperte der Betriebskrankenkassen, Alfons Schroeer:
"Und zwar aus zwei Gründen: A) Sie senken damit Kosten, wenn Sie einen Krankenstand von acht Prozent haben in Ihrem Unternehmen, Ihr Konkurrent aber nur vier, dann bedeutet das ganz konkret, dass der niedrigere Kosten hat, günstiger anbieten kann. Der zweite Aspekt ist: Ein Unternehmen, das in die Gesundheit investiert, investiert gleichzeitig in die Motivation und in das Engagement der Leute. Die Mitarbeiter in diesem zweiten Unter-nehmen werden auch kreativer sein als die anderen, die werden anders mit ihrem Kunden umgehen. Die werden anders mit den Lieferanten umgehen und die sind schlicht einfach besser als die anderen."
Wenn sich der Nachwuchs- und Fachkräftemangel künftig weiter verschärft, könnten gerade gesundheitsbewusste Firmen die Nase vorn haben im Wettbewerb um gute Mitarbeiter. Zurzeit sind allerdings weder die betriebliche Gesundheitsförderung noch der klassische Betriebssport unbedingt Selbstläufer: Während das Gesund-heitsmangement bei Großunternehmen und größeren Verwaltungen inzwischen zum Standard zählt, ist es bei mittleren erheblich seltener - und bei Klein-Unternehmen noch heute die Ausnahme.
Alfons Schroeer: "Ein großer Stolperstein ist, wenn ein Unternehmen nur in ganz kurzen Zyklen denkt, wenn es also auf Quartalsergebnisse achten muss. Eine solche Konstellation hindert, in die Gesundheit der Mitarbeiter zu investieren, weil: Der Ertrag ist eben nicht im Quartal, sondern in ein oder zwei drei Jahren erst einzufahren."
Beim Gesundheitsmanagement der Gothaer-Versicherung scheint die Rechnung aufzugehen, sagt Marco Burnus:
"Wir haben in einer Studie nachgewiesen, dass es sich rechnet, dass es uns bei den Maßnahmenteilnehmern zum einen gelungen ist, die Rückengesundheit zu verbessern, die Stresswerte zu reduzieren und letztendlich auch die Fehlzeiten zu reduzieren."
Obwohl gesunde Lebensführung beim Firmensport zunehmend in den Fokus rückt, finden sich nach wie vor auch "Spielwiesen" für ehrgeizige Athleten: Seit 1999 werden in etwa 20 Sportarten sogenannte deutsche Betriebssportmeisterschaften durchgeführt.
"Zur deutschen Meisterschaft im Betriebssport im Mixed-Volleyball. Schön, dass Ihr alle da seid!"
Auch die Volleyballer küren regelmäßig ihre deutschen Meister auf Firmenebene. Um den Titel zu holen, muss man immerhin die Qualität eines Regionalligisten mitbringen. Volleyball zählt neben Tischtennis, Fußball, Leichtathletik und Tennis zu den Top Fünf im deutschen Firmensport. Was gerade gefragt ist, hängt auch von gesamtgesellschaftlichen Trends ab: Zu den "Hoch"-Zeiten von Boris Becker und Steffi Graf spielten sehr viele Betriebssportler Tennis. Mittlerweile geht diese Tendenz wieder zurück. Dagegen wuchs nach dem Medien-Hype um Beach-Volleyball bei den Olympischen Spielen 2012 die Begeisterung für sämtliche Sportarten im Sand. Dazu der Präsident des Deutschen Betriebssport-Verbandes Uwe Tronnier:
Uwe Tronnier: "Alles was im Zusammenhang mit Beachsport steht: Beach-Volleyball ist ja bekannt, wir haben inzwischen auch Beach-Fußball und Beach-Handball. Dann zum Beispiel Fußball-Golf, erst noch im kleineren Rahmen."

Weltspiele? Für viele eine zu große Strapaze

Demnächst gibt es eine Premiere zu feiern: Auf Mallorca finden die ersten Weltspiele des Betriebssportes statt.
Uwe Tronnier: "Inzwischen haben wir nahezu alle europäischen Ländern im Betriebssportsverband vereinigt, das sind etwa 40. Da kam die Idee auf, uns auszuweiten, zumal es in den anderen Kontinenten auch schon Betriebssportorganisationen gibt. Zum Beispiel Indien und Kanada, das sind sehr große Betriebssport-Organisationen. Ähnlich wie bei den europäischen Spielen kann jeder teilnehmen, es gibt keine Qualifikation, es zählt aus-schließlich die Anmeldung, wir werden jetzt die ersten Weltspiele in Palma haben. Wir haben über 4000 Anmeldungen, wobei der überwiegende Teil doch aus Europa kommt."
Obwohl die Wettkämpfe in Palma de Mallorca bewusst auf Breitensportler zugeschnitten sind, lehnen viele Athleten die Teilnahme schon im Vorfeld ab.
Andreas B.: "Wir sind fast alle Familienväter - oder Mütter, da haben wir keine Lust, die Reisestrapazen auf uns zu nehmen, weil die Urlaubstage doch recht begrenzt sind. Außerdem haben wir die Information, dass die Weltspiele stattfinden, doch sehr spät bekommen."
Betriebssport-Radfahrer: "Ich glaube, wir haben uns bisher mit dem Thema Weltspiele noch nicht so richtig beschäftigt, aber Weltspiele vermitteln mir zunächst den Charakter eines Wettbewerbs, und das ist ein Charakter, der für uns nicht im Vordergrund steht."
Volleyballer Salvatore: "Für uns ist es, glaub‘ ich, deshalb uninteressant, weil wir alle fest im Job sind und wir schon Probleme haben, normale Turniere mitzuspielen. Ich glaube auch, dass das Niveau so hoch ist, dass es eher deprimierend für unsere Leute wäre."
Bei Golfspieler Marco Möller hingegen wächst täglich die Vorfreude auf das Großereignis:
"Als der Betriebssport-Präsident verkündete, es gibt auch Weltspiele, es gibt alle zwei Jahre ja schon Europäische Betriebssportspiele, da haben wir uns gedacht: "Okay, aber wo findet das statt?" Wir haben mit Kanada gerechnet, da wird es nicht so einfach, und als er sagte "Mallorca", da war der Freudensprung groß, weil wir gesagt haben, das kriegen wir organisiert. Da haben wir uns gefreut, das zu organisieren, weil wir schon gewusst haben, dass die Resonanz, wenn wir das in der Betriebssportgemeinschaft ausschreiben, sehr groß ist."
Allein 169 Golfer aus Deutschland werden auf Mallorca den Schläger schwingen. Sie spielen an drei Tagen auf drei verschiedenen Plätzen. Am Schluss werden ihre Einzelergebnisse addiert, um den Gesamtsieger zu küren. Marco Möller fährt recht entspannt auf die spanische Insel. Gleichwohl rechnet er sich einiges aus bei den Weltspielen:
"Ich hätte beinahe aus Spaß gesagt: "Lieber tot als Zweiter!" Das ist natürlich übertrieben. Ich hatte das Glück, schon mal ein europäisches Turnier zu gewinnen. Und wenn man das hat, dann geht man natürlich mit irgendeinem Ziel dran. Ich persönlich habe mir als Ziel gesetzt, in meiner Klasse unter die ersten zehn zu kommen. Ob mir gelingt, wird man sehen. Und wenn nicht, werde ich es trotzdem abends bei einem Bier ertragen, dass das nicht der Fall ist!"
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