Besuch beim FBI

Große Herausforderungen für Forensiker

Falsche Haaranalysen sollen zu Todesurteilen geführt haben.
Falsche Haaranalysen sollen zu Todesurteilen geführt haben. © imago stock&people
Von Michael Stang · 23.04.2015
Ein Justizskandal erschüttert die USA: Das FBI hat jahrelang falsche Haaranalysen durchgeführt. Ein Blick hinter die Kulissen der Forensik zeigt, dass die Realität ganz anders aussieht als das, was man aus dem Fernsehen kennt.
USA, Washington, DC. Max Houck führt durch die Gänge des dritten Stocks. Hier befindet sich die Abteilung für Forensische Wissenschaften. Im Vorbeilaufen zeigt der Direktor auf Glasscheiben, hinter denen sich hochreine Arbeitsräume befinden.
"Das sind also die Labore hier…hier wird auch mit gefährlichen Materialien gearbeitet ….wir untersuchen hier Blut, verunreinigte Stoffe, manchmal auch Biowaffen…"
In manche Labore kommt man nur mit Sondergenehmigung, per Sicherheitscode und Iris-Scan. In den einzelnen Abteilungen werden Tatortspuren wie Blut und Haare, zudem Tatwaffen untersucht.
"Und diese Etage hier gehört auch zur Forensik. Hier sehen sie unsere Schusswaffensammlung,. …. Rund 1700 Waffen lagern hier…"
Ein paar Meter weiter werden Fingerabdrücke digital erhoben, gespeichert und verglichen. Max Houck führt in sein Büro. Als Direktor ist er nicht nur oberster Vertreter der rechtsmedizinischen Untersuchungen von Washington, DC, sondern auch ein gefragter Forensik-Experte für schwierige Kriminalfälle. Die meisten Analysen benötigen sehr viel Zeit.
"Angenommen, man würde sich nur um einen einzigen Fall und um nichts anders kümmern, dann könnte man die notwendigen Untersuchungen vielleicht in drei, vier Tagen abschließen. Doch die Realität sieht anders aus. Der Durchschnitt in den Vereinigten Staaten liegt aktuell bei 70 Tagen."
Glaubwürdigkeitsproblem der US-Rechtsmedizin
Jetzt erfasst die US-Rechtsmedizin ein Glaubwürdigkeitsproblem. Hintergrund sind Untersuchungen alter Gerichtsurteile von 1985 bis 2000, in denen Haare gerichtsmedizinisch analysiert wurden. Diese Beweismittel waren ausschlaggebend für die Urteilsfindung. In 95 Prozent der Fälle war die alte Analyse – also jene, die Grundlage eines Gerichtsurteils war – fehlerhaft. In den USA werden Haare in der Rechtsmedizin erst seit 2000 genetisch untersucht, zuvor kamen nur mikroskopische Methoden zum Einsatz, also rein optische Vergleichsanalysen. Und diese haben ihre Fehler in der Bewertung, hinzukamen fehlerhaften Statistiken. Insgesamt sollen jetzt 2500 alte Fälle neu untersucht werden. Und es ist wahrscheinlich, dass dabei noch weitere fehlerhafte Gutachten auftauchen werden.
"The brute force answer is: more people, more money."
Mehr Geld und mehr Arbeitskräfte, um die alten Fälle aufzuarbeiten. Und das wird viel Zeit kosten, denn Fälle vor 1985 sind noch nicht einmal digitalisiert und viele Asservate mittlerweile vernichtet. Ob und wie diese alten Verfahren - vermutlich auch unschuldiger Verurteilter - neu aufgerollt werden, steht noch nicht fest. Klar ist nur, dass nur mithilfe optischer Methoden keine eindeutige Zuordnung Probe-Täter möglich ist. Das sei zum Glück heute nicht mehr der Fall, so Max Houck.
"In den vergangenen Jahren haben sich Methoden stark verändert, viele neue sind hinzugekommen, alle sind schneller als ihre Vorgänger. Einige befinden sich noch in Entwicklungsstadien, sind aber äußert vielversprechend."
Analysezeitraum auf Minuten verkürzen
Bei einer neuen Methode können bestimmte Bereiche der Erbsubstanz schnell verglichen werden, ohne diese im Detail zu kennen.
"Man erhält aber dieselben Informationen, es ist einfach eine andere Herangehensweise. Damit konnten wir den Analysezeitraum von einst mehreren Tagen auf Minuten reduzieren."

Mithilfe solcher Methoden sollen die Analysen sicherer werden und auch schneller vonstatten gehen. Dennoch ist die Rechtsmedizin weit davon entfernt so zu agieren wie es der Fernsehzuschauer gewohnt ist, so Max Houck.
"I think there is a general disappointment about why things don’t take as long as they do on TV."
Die Leute seien enttäuscht, weil die Untersuchungen länger dauern als im Fernsehen. So bleibt auch mit modernen genetischen Methoden die Frage bestehen, was Menschen mit der Technologie anfangen, meint auch Misha Angrist, vom Institut für Genomwissenschaften und Politik der Duke Universität in Durham, North Carolina.
"Es ist wie mit jeder Technologie. Forensische Genetik hat das Potential die bösen Buben zu fangen und die Gesellschaft sicherer zu machen, aber sie birgt auch Gefahren. Sie hat zwar das Potential unschuldig Verurteilte zu entlasten, aber sie hat ebenso die Möglichkeit, Unschuldige ins Gefängnis zu bringen – wenn diese Technik missbraucht wird."
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