Berliner Stadtautobahn als Klangkunst

Spiel mir das Lied von der A 100

Die Lichter der Fahrzeuge auf der Stadtautobahn 100 (A100)
Ganz schön "musikalisch": die Berliner Stadtautobahn A 100 © Paul Zinken / dpa
Sam Auinger und Hannes Strobl im Gespräch mit Gesa Ufer · 01.06.2018
Für das Klangkünstlerduo TAMTAM ist die Berliner Stadtautobahn "ein unheimlich großes, bestimmendes Instrument der Stadt". Zu hören ist ihr Kunstprojekt im CLB Berlin im Aufbau Haus - wer ihren Audio-Aufnahmen lauscht, kann darin Musik erkennen.
Die A 100 gilt als die meistbefahrene Straße Deutschlands. Zur Rushhour staut sich auf der Berliner Stadtautobahn der Verkehr, schieben sich die Blechlawinen manchmal so dicht an Wohnhäusern vorbei, dass die Autofahrer einen guten Blick in die Schlaf- und Esszimmer der Anwohner werfen können.

Alles andere als Krach

Für die Klangkünstler Sam Auinger und Hannes Strobl, das Duo TAMTAM, ist die A 100 aber keineswegs lästiger Dreck- und Krachmacher, sondern "einfach ein unheimlich großes, bestimmendes Instrument dieser Stadt". Sie haben dem Klang der Stadtautobahn an verschiedenste Abschnitten gelauscht, ihn aufgenommen und durch spärliche Klänge von E-Kontrabass und E-Bass ergänzt. Und auf einmal kann auch, wer sich beim Lärm ein Autobahn bisher nur die Ohren zugehalten hat, darin Musik erkennen.
Der Sound der A 100 - Klangbeispiel Nr. 1 Audio Player
Autobahn-Rauschen ist also alles andere als Krach, meint Hannes Strobl. "Wenn man seine gewohnten Hörmuster verlässt, dann kann man da sehr wohl Harmonien hören, Tonalitäten, Klangfarben oder rhythmische Strukturen."
Die Klangkünstler Sam Auinger und Hannes Strobl nehmen den Klang der A 100 auf.
Die Klangkünstler Sam Auinger und Hannes Strobl nehmen den Sound der A 100 auf.© Sam Auinger, Georg Spehr, Hannes Strobl
Weswegen sie ausgerechnet dem Klang einer Autobahn so viel Zeit widmen? – "Wir versuchen natürlich, uns für die Welt zu interessieren, in der wir leben, und dieser Welt zuzuhören", sagt Sam Auinger. Und das Rauschen einer Autobahn sei aus unserem heutigen Leben einfach nicht mehr wegzudenken.

Unsere Klangumwelt "gestaltet unser Denken"

Gleichzeitig sei die A 100 ein "wunderbares Beispiel, wie sich Zeitgeist ändert. Wir haben uns alle in den 60er-Jahren ins Auto verliebt. Es hat uns Freiheit versprochen und was sonst noch alles. Und heute stehen wir einfach da mit diesen ganzen Dingen - und diese Dinge bestimmen unsere Klangumwelt. Sie gestalten uns ja. Sie gestalten unser Denken. Sie gestalten, wie wir Stadt wahrnehmen. Und das allein ist schon ein Grund, sich dafür zu interessieren."
Der Sound der A 100 - Klangbeispiel Nr. 2 Audio Player
Mit ihrem Projekt hoffen sie außerdem, "einen gewissen Diskursbeitrag zum Thema Mobilität, Stadt zu liefern". Denn viel zu selten machen wir uns Alltagsklänge bewusst. Stattdessen üben wir uns "im Nicht-Hören", weil "sehr viel Klänge nichts mit uns zu tun haben". Doch nur wenn wir uns der Alltagsklänge in unserer Umwelt wieder bewusst werden, könnten wir sie letztendlich auch mitgestalten.
Also, das nächste Mal: Ohren auf an der Autobahn. Wer genau lauscht, kann etliche Feinheiten und musikalische Details erkennen, wenn die A100 ihr Großstadtkonzert spielt. (lk)

Zu sehen und zu hören ist das Kunstprojekt vom 1. Juni bis 1. Juli 2018 im CLB Berlin im Kreuzberger Aufbau Haus.

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