Berliner Politikbetrieb

Die fiese Intrige

Verschiedene deutsche Tageszeitungen liegen zur Presseschau bereit.
Die Journalisten müssen entscheiden, wann ein Gerücht politisch relevant wird. © Jan Woitas, dpa
Von Katharina Hamberger · 25.08.2014
Wer streut Gerüchte im politischen Berlin? Wie werden sie an ihre Adressaten verteilt? Wie gehen Politikerinnen und Politiker, Journalistinnen und Journalisten damit um? Katharina Hamberger berichtet aus unserem Hauptstadtstudio.
Sören Bartol: "Ja im deutschen Bundestag ist es der berühmte Flurfunk, wo immer wieder Gerüchte rumgehen. Es gibt verschiedene Ebenen. Da sind natürlich die persönlichen Gerüchte, die glaub ich in jedem großen Betrieb auch unterwegs sind. Hier sind wir nichts anderes als ein großer Betrieb. Aber dann gibt's natürlich auch die politischen Gerüchte."
Sagt Sören Bartol von der SPD. Die politischen Gerüchte sind eine Besonderheit dieses großen Betriebes. Der hat sich verändert – und mit ihm auch die Gerüchteküche. Diesen Eindruck hat zumindest Gerda Hasselfeldt. Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe kennt den Betrieb Bundestag schon lange. Seit 27 Jahren ist sie Abgeordnete, war 1987 für Franz Josef Strauß nachgerückt, hat alle Stationen durchlaufen – bis hin zur Ministerin.
"Ich habe den Eindruck, dass in der politischen Arbeit insgesamt die Gerüchte eine größere Rolle spielen, als dies früher der Fall war. Ich kann das allerdings auch nur intuitiv sagen. Ich glaube das hängt ein bisschen damit zusammen, dass die Personalisierung in der Politik intensiver geworden ist."
Vertrauliche Zulieferer
Gerüchten kann sich keiner, der in irgendeiner Form mit dem Berliner Politikbetrieb zu tun hat, entziehen. Politiker nicht, Journalisten nicht. Die Medien sind aber nicht nur auf den Flurfunk angewiesen:
Kurbjuweit: "Ja, es gibt Leute, die es verkaufen. Die kommen dann mit einem Koffer und haben dann da Film drin oder Fotos drin. Es wird einem auch immer wieder so zugesteckt eben. In Vier-Augen-Gesprächen, in Hintergrundgesprächen eher nicht, also nicht in großen Runden, aber in kleinen Runden wird also sehr gern mit dem Gerücht gespielt."
Erzählt Dirk Kurbjuweit, politischer Korrespondent des "Spiegel" in Berlin. Einer, der Gerüchte streut, möchte das anonym tun, sich selbst nicht schaden. Dazu muss er "unter zwei" erzählen können – eine journalistische Kategorie, die besagt, dass das, was einer sagt, zwar zitiert werden darf, aber derjenige, der es sagt, nicht genannt werden will und darf. Das ist im Radio oder Fernsehen nur mit größerem Aufwand möglich.
Erreicht Dirk Kurbjuweit ein Gerücht, ist die erste Frage für ihn:
"Ist es politisch relevant oder nicht? Wenn es rein privat ist, interessiert es mich nicht. Also dann interessiert es mich vielleicht privat und ich frag mich: War das so oder nicht? Aber ich würde das weder recherchieren noch würde ich auch nur eine Zeile dazu schreiben oder es auch nur andeuten."
Wann aber ist ein Gerücht politisch relevant? Laura Himmelreich, die im Hauptstadtbüro des Magazins "Stern" arbeitet, beschreibt es so:
"Also wenn jemand eine außereheliche Affäre hat, dann ist das jetzt erst mal völlig wurscht, kann er machen, ist sein Privatleben. Sollte jemand eine Affäre haben und plötzlich wird die Affäre verbeamtet und überspringt fünf Gehaltsstufen, dann ist es auf jeden Fall ein Thema, wo wir mal reingucken und uns das angucken, ob da was dahinter steckt."
Wen trifft ein Gerücht?
Prüfen, recherchieren und vielleicht ein Geschichte daraus machen – so gehen die meisten Journalisten mit Gerüchten um. Was kann aber ein Politiker tun – vor allem, wenn ein Gerücht über einen selbst gestreut wird.
Sören Bartol:"Oh, das ist sehr schwierig. Am Schönsten ist, dass es einen nicht trifft. Und wenn es einen trifft, sollte man möglichst schnell versuchen, die Quelle zu lokalisieren oder einzugrenzen und zu gucken, warum, und wieso und in welcher Situation konnte so was entstehen. Natürlich muss man sich auch die Fragte stellen, stimmt's vielleicht oder stimmt es nicht. Und dann muss man eben versuchen, wenn es wirklich an den Haaren herbeigezogen ist, dann auch möglichst schnell mit einer klaren, transparenten Offensive dagegen zu gehen."
Oft, sagt CSU-Politikerin Hasselfeldt, trifft ein Gerücht nicht unbedingt den Politiker selbst am härtesten:
"Also meine Erfahrung ist, dass Partner und Kinder von Politikern zum Beispiel, wenn etwas in der Zeitung steht über ihr Privatleben, was nicht ganz stimmt oder was nur gerüchteweise sich irgendwo festsetzt oder was einfach nicht zur politischen Arbeit gehört und trotzdem breit getreten wird, dass dies die Angehörigen stärker trifft, weil sie auch ein Stück weit vielleicht weniger eine dicke Haut sich angelegt haben wie die Politiker selber."
Meist geht es um Macht und Einfluss. Und meist, diese Erfahrung hat Spiegel-Journalist Kurbujweit gemacht, ist es ein Mittel, das innerhalb der eigenen Partei eingesetzt wird:
"Da wird dann abgerechnet, da sind halt Rechnungen offen und so. Und das ist eine fiese Art der politischen Intrige, das Gerücht."
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