Berliner Philharmoniker mit Simon Rattle

Sehnsuchtsmusiken

Sir Simon Rattle
Sir Simon Rattle © Imago
18.06.2015
Brahms und Debussy, passt das wirklich? Sir Simon Rattle liebt diese ungewöhnliche Konstellation. Dass es sich dabei nicht (nur) um britische Exzentrik handelt, dürfte dieser Abend auch dank Christian Tetzlaff zeigen.
„Aimez-vous Brahms?" Für die Berliner Philharmoniker und ihren Chefdirigenten Sir Simon Rattle gibt es da nur eine Antwort: Oui! Auffallend ist aber, dass Rattle Musik von Johannes Brahms gerne in der zunächst nicht sehr naheliegenden Kombination mit der von Claude Debussy aufführt. So auch heute: Mit dem Violinkonzert von Johannes Brahms verabschiedet sich Christian Tetzlaff als „Artist in Residence" der Berliner Philharmoniker in der laufenden Saison. Anschließend erklingt mit den „Images" eines der großen Orchesterwerke von Claude Debussy. Bekannt wurden die dreiteiligen „Images" wegen des seinerseits dreiteiligen Mittelstücks „Ibéria". Dieses besonders beliebte Produkt der französischen Spanien-Sehnsucht wird in den meisten Fällen separat aufgeführt. Die beiden Ecksätze der „Images", darunter Debussys England-Huldigung „Gigues", werden dagegen kaum gespielt. Die Berliner Philharmoniker etwa haben in ihrer gesamten Geschichte Debussys „Images" bislang nur drei Mal komplett aufgeführt; das heutige Programm hat also Seltenheitswert.
Ebenfalls selten sind in der Philharmonie Berlin Werke von George Enescu zu hören. Zwischen seiner Heimat Rumänien und seiner Wahlheimat Frankreich pendelnd, erschien Enescu bei den Berliner Philharmonikern zu Lebzeiten vereinzelt als Geigenvirtuose und als Dirigent. Sein eminentes kompositorisches Werk, mehr der Moderne als der Romantik zugehörig, wird meistens – und so auch heute – durch die heimwehtrunkene Erste Rumänische Rhapsodie repräsentiert. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Konzert den Anstoß zu einer umfassenderen Auseinandersetzung mit Enescu gibt, dessen Schaffen auch die Programme der Berliner Philharmoniker bereichern würde.
Unterdessen ist eine Konsequenz dieses Konzertes schon jetzt absehbar: Es ist die Vermutung, dass Claude Debussy widerlegt werden dürfte. Der befand nämlich, dass Brahms mit seinem Violinkonzert das „Monopol der Langeweile" geschaffen habe...
Live aus der Philharmonie Berlin
Johannes Brahms
Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 77
ca. 20.50 Uhr Konzertpause, darin: Olaf Wilhelmer im Gespräch mit dem Geiger Christian Tetzlaff über seine Residenz bei den Philharmonikern und im Gespräch mit dem Publizisten Helge Grünewald über den Dirigenten Leo Borchard, dem zur Zeit eine Ausstellung im Foyer der Philharmonie Berlin gewidmet ist
Claude Debussy
"Images" für Orchester
George Enescu
Rumänische Rhapsodie für Orchester Nr. 1 A-Dur op. 11 Nr. 1
Christian Tetzlaff, Violine
Berliner Philharmoniker
Leitung: Sir Simon Rattle