Berliner Philharmoniker

Die mit dem Hammerschlag

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Die Berliner Philharmonie von außen © dpa picture alliance/ Britta Pedersen
05.12.2014
Mahlers Sechste ist seine „Tragische Sinfonie", doch die Berliner Philharmoniker spielen sie meist aus erfreulichem Anlass. Zum Beispiel jetzt, wenn mit Daniel Harding einer der engagierten jüngeren Dirigenten in der Berliner Philharmonie ans Pult tritt.
Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 6 a-Moll in vier Sätzen für großes Orchester. Nicht mehr, aber beileibe auch nicht weniger, wird auf dem Programm stehen, wenn Daniel Harding den Stab in der Berliner Philharmonie hebt. Das rund 80 Minuten lange Werk ist ein sinfonischer Koloss, der sich nach außen klassizistisch gibt, der aber bei genauerer Betrachtung klanglich und emotional zu den radikalsten Werken der Musik um 1900 gehören dürfte.
Die Berliner Philharmoniker, bei denen einst auch Gustav Mahler gastierte, haben eine besondere Beziehung zu dieser Musik. Bis zur Zeit des Nationalsozialismus gab es hier etliche bedeutende Mahler-Aufführungen (etwa unter der Leitung von Oskar Fried). Nach dem Krieg war es Sir John Barbirolli, der in der eben errichteten Berliner Philharmonie mit seinen leidenschaftlichen Mahler-Aufführungen das Publikum in Erstaunen versetzte. Herbert von Karajan hatte zu Mahler ein gespaltenes Verhältnis, erarbeitete aber ebenfalls mustergültige Interpretationen, gerade auch der Sechsten. Claudio Abbados Mahler-Konzerte mit ihren feierlichen, ewig langen Sekunden der Stille sind legendär. Und noch zu Karajans Zeiten stellte sich ein junger Brite dem Orchester mit Mahlers Sechster vor – mit so großem Erfolg, dass er ein gutes Jahrzehnt später zum Chefdirigenten gewählt wurde: Sir Simon Rattle.
Erstaunlicherweise hat sich über die Jahre hinweg eine eigene philharmonische Aufführungstradition von Mahlers Sechster herausgebildet: Die Mehrzahl der Berliner Konzerte rückte den langsamen Satz an die zweite und das Scherzo an die dritte Stelle und wich damit von der umgekehrten Reihenfolge in der alten Mahler-Gesamtausgabe ab. Dieses Detail mag akademisch wirken, beeinflusst die Dramaturgie des Abends, der ja nur aus einem einzigen Werk besteht, aber nicht unerheblich. Und es zeigt, wie unsicher die Überlieferungsgeschichte gerade dieser von vielen Legenden umrankten Sinfonie ist. Mahler selbst hatte nämlich entschieden, die Satzreihenfolge in diesem Sinne zu ändern. Nur hatte seine Witwe Alma diese Willensäußerung missverstanden und den Herausgebern der alten Ausgabe gegenüber falsche Angaben gemacht. Erst 2010 konnte die gültige Werkgestalt durch die neue, mit kriminalistischem Scharfsinn erstellte Ausgabe rekonstruiert werden. So wurde diese seit Jahren eher intuitiv gepflegte „Berliner Lesart" am Ende sogar durch die Forschung als authentisch bestätigt, die Lesart einer Sinfonie, die auch wegen eines exzessiv ausgestatteten Schlagzeugapparats mit Hammer und Kuhglocken berühmt-berüchtigt ist.
An diesem Abend dirigiert der Brite Daniel Harding, derzeit Chef des Schwedischen Rundfunksinfonieorchesters und Erster Gastdirigent beim London Symphony Orchestra. Er ist kurzfristig für den erkrankten Kirill Petrenko eingesprungen und hat die Aufgabe übernommen, wie geplant die Sechste Mahlers aufzuführen.
Live aus der Philharmonie Berlin
Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 6 a-Moll
Berliner Philharmoniker
Leitung: Daniel Harding
nach Konzertende ca. 21:30 Uhr:
„Wo hängt der Hammer?" - Olaf Wilhelmer im Gespräch mit Jens Malte Fischer über Mahlers Sechste Sinfonie