Berliner Musical "Eine Stimme für Deutschland"

AfD-Kandidatin mit dem tolleren Song

07:35 Minuten
Regula Hartmann-Hagenbeck (l.) und Alina Deutschmann, die Heldinnen aus dem Stück "Eine Stimme für Deutschland" stehen vor einer Deutschlandflagge.
Die Grünen-Kandidatin Regula Hartmann-Hagenbeck (l.) und ihre AfD-Konkurrentin Alina Deutschmann treten in "Eine Stimme für Deutschland" gegeneinander an. © MIZAFO
Peter Lund im Gespräch mit Dieter Kassel · 10.06.2021
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Deutscher Viervierteltakt gegen Céline Dion: Diese Modelle stünden im Musical "Eine Stimme für Deutschland" an der Neuköllner Oper gegeneinander, sagt Regisseur Peter Lund. Eine Grüne und eine AfD-Politikerin kämpfen darin um ein Bürgermeisteramt.
An der Neuköllner Oper hat am morgigen Freitag das Musical "Eine Stimme für Deutschland" Premiere. Es geht um einen fiktiven Ort, an dem zwei Frauen um das Amt der Bürgermeisterin kämpfen. Eine ist von den Grünen, die andere von der AfD.
Weniger die Inhalte der AfD seien das Thema, sagt Peter Lund, der Regie führt und die Texte geschrieben hat. "Die sind ja, finde ich, schon relativ indiskutabel." Stattdessen geht es darum, "dass wir uns alle – und in unserem Stück die Grünen-Politikerin – von der Taktik so anstecken lassen, von der aufgeheizten Stimme, von den bösen Worten, von dem Intriganten, davon, wie Politik gerade passiert."
Das Musical ist eine Produktion von Studierenden im Musical-Jahrgang an der Universität der Künste in Berlin. Einmal im Jahr entwerfen sie Ein Stück an der Neuköllner Oper.

Warum hat die AfD so viel Raum?

Es biete sehr viel komödiantisches Potenzial, "der Grünen-Dame dabei zuzusehen, wie sie von der AfD vor sich hergetrieben wird, sich kaum wehren kann und auch ein bisschen den moralischen Kompass verliert".
Dabei habe die AfD-Politikerin die "besseren Momente – leider". Das sei das, was medial ständig passiere: Dass man sich frage, warum die AfD so viel Raum mit ihren Tabuverletzungen habe. Das heiße im Musical: Warum hat sie diesen tollen Song? Was mache ich dagegen?

Politik mit Musik

"Schlechte Musik für schlechte Politik geht nicht." Stattdessen könne man wunderbar mit der Volkstümlichkeit der AfD spielen, die das Publikum ganz gern möge. Dass einen trotz der Inhalte plötzlich die Musik mitreiße und man denke: "Das kann alles nicht wahr sein." Aber genau das sei, was zum Teil passiere.
Doch auch die Grünen-Politikerin habe nicht die schlechte Musik, betont Lund. "Die ist ein bisschen internationaler. Die geht auch mal mit einer Céline-Dion-Nummer an den Start. Die ist großartig."
Aber der deutsche Viervierteltakt mit Mitklatschfaktor wirke auch ziemlich gut auf der Bühne. Diese beiden Modelle stünden gegeneinander und das Publikum müsse sich dann entscheiden, mit wem es mit wolle.

Zu ambitioniert

Der Theaterkritiker Uwe Friedrich findet es im Gespräch [AUDIO] ambitioniert und "etwas überdeterminiert", wie viele Themen und Charakter- sowie Identitätseigenschaften den Figuren zugeschrieben werden.
Da gebe es nicht nur die genderfluide Kandidatin, die früher ein Mann gewesen sei und Rache üben wolle, sondern auch zwei Töchter auf Identitätssuche: eine verliebe sich in einen "kognitiv etwas langsamen, zumindestens beinahe Neonazi", die andere befinde sich in einer lesbischen Phase, erzählt Friedrich - alles in allem ein "unterhaltsamer Abend".
(abr)

Das Musical "Eine Stimme für Deutschland" ist vom 11. Juni bis 25. Juli 2021 an der Neuköllner Oper Berlin zu sehen.

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