Berliner Bildungssenator lobt die Hochschulreform

Jürgen Zöllner im Gespräch mit Christopher Ricke · 06.05.2011
Der Berliner Bildungssenator Jürgen Zöllner zieht anlässlich der zweiten nationalen Bolognakonferenz eine positive Bilanz der Hochschulreform. Die Zufriedenheit der Studierenden sei heute größer als früher in den klassischen Studiengängen.
Christopher Ricke: Wie geht’s weiter an den deutschen Hochschulen? Häufig gestellt die Frage, und heute soll es wieder Antwort geben, weil es doch so erhebliche Unzufriedenheit mit der Hochschulreform gibt, dem Umbau vom deutschen hin zum europäischen Universitätssystem. Beschlossen vor zwölf Jahren in Bologna – deshalb heißt es auch Bologna-Prozess.

Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Bernhard Kempen, hat Bund und Länder aufgefordert, heute beim Bologna-Gipfel sich ohne Schönfärberei den noch immer erheblichen Problemen der Bachelor- und Master-Studiengänge zuzuwenden. Jürgen Zöllner ist der Senator für Bildung, Wissenschaft und Forschung in Berlin. Ich fragte ihn: Herr Zöllner, wie erheblich sind denn aus Ihrer Sicht diese Probleme der Bachelor- und Master-Studiengänge, man kommt ja immerhin jetzt zu einer nationalen Bologna-Konferenz zusammen?

Jürgen Zöllner: Ich bestreite nicht, dass es Probleme gibt – wen wundert’s? Es ist sicher in Bezug auf das Studium die größte Veränderung seit dem Krieg, die wir in der deutschen Hochschullandschaft haben, und vor diesem Hintergrund meine ich, ist das Ganze jetzt schon ein Erfolg gewesen, und wir werden einen permanenten Prozess brauchen der weiteren Entwicklung und Optimierung.

Ricke: Es gibt einige Nachbesserungen, zum Beispiel die bereinigten Prüfungsordnungen, das Korsett bei den Studenten soll auch ein bisschen lockerer geworden sein, aber das reicht ja nicht. Wo muss man als Nächstes ansetzen?

Zöllner: Ob es nicht reicht, weiß ich nicht, ich weiß nur, dass die Mehrzahl der Studierenden zufrieden sind, dass es punktuell auch teilweise große Probleme gibt, was aber mehr an den Schwierigkeiten in einem einzelnen Fachbereich hängt. Das sagen übrigens die Studierendenvertreter selber, dass sie auf vorbildliche Organisationen und Entwicklungen in ihrer eigenen Universität in anderen Fachbereichen hinweisen und darauf hinweisen, dass es im Fachbereich A eben offensichtlich noch nicht geklappt hat und geschafft hat zu entrümpeln, nicht geschafft hat, entsprechend allgemeine übergreifende Studienangebote auch als Leistungspunkte anzuerkennen. Da muss man im Einzelfall dran arbeiten. Man muss möglicherweise auch Vorgaben machen, dass dieses ernst genommen wird, die Universitätsleitungen unterstützen, dieses zu tun, aber das heißt nicht, dass es grundsätzliche neue Weichenstellungen aus meiner Sicht benötigt.

Ricke: Na ja, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft klagt nicht über Einzelfälle, sondern klagt grundsätzlich, die Reformen seien am grünen Tisch entwickelt worden, Dozenten und Verwaltungsmitarbeiter seien dem nicht gewachsen, man fühle sich allein gelassen. Die Personalausstattung sei rückläufig, die Lehrpläne müssten neu geschrieben werden, man müsse mehr Betreuung anbieten und, und, und. Sind es wirklich nur Einzelprobleme?

Zöllner: Ich kann Ihnen sagen, dass ich dasselbe aus dem Schulbereich höre, ich höre dasselbe aus dem Kita-Bereich, vor allen Dingen, wenn Sie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ansprechen, und ich bestreite nicht, dass eine etwas bessere Betreuungsrelation sicher günstig wäre. Ich verweise aber darauf, dass die Zufriedenheit der Studierenden, wenn Sie sie befragen, größer ist, jetzt bei den neuen Studiengängen, als sie in den klassischen Magister- und Master-Studiengängen waren oder Diplom-Studiengängen waren. Dass es in den Einzelfällen dann Probleme gibt, wird nicht bestritten.

Und es ist richtig, dass sie ein neues Curriculum entwickeln müssen, aber das war auch Sinn der ganzen Aktion, weil uns doch allen klar war – übrigens auch der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft – vor dem Prozess, dass wir eine völlige neue Umorientierung brauchen, und wenn wir entsprechende Lehrpläne und Studienangebote für eine Generation entwickeln, die über 50 Prozent eines Jahrgangs an den Hochschulen ausbildet, als zu einer Zeit, als wir nur fünf Prozent ausgebildet haben und primär nur den wissenschaftlichen Nachwuchs im Auge hatten.

Und allen war bewusst, dass diese Notwendigkeit, neue Studienangebote zu entwickeln, wahrscheinlich nur dann in der Breite erfolgreich umgesetzt werden kann, wenn man sie kombiniert mit einem solchen Systemwechsel. Dass das mit mehr Arbeit verbunden ist, wusste jeder, und das wird auch eine gewisse Zeit brauchen, bis es flächendeckend wirklich funktioniert.

Ricke: Universitäre Ausbildung in der Breite ist das eine, aber es muss auch die Spitze geben, und es wird oft beklagt, es gebe zu wenig Master-Studienplätze. Nicht jeder, der wolle und könne, also der wirklich befähigt sei, dürfe auch. Muss hier noch nachgelegt werden?

Zöllner: Ja, ich glaube, wir müssen tatsächlich etwas darüber nachdenken, ob die Übergangsquoten beziehungsweise die Kapazitäten, die wir vorhalten, ob die stimmig sind. Ich habe den Eindruck, dass es in vielen Bereichen sehr gut oder ausreichend da ist, aber wir müssen berücksichtigen, dass es tatsächlich einige Studiengänge gibt, die quasi durchgängig zu 100 Prozent sowohl den Bachelor als auch den Master durchlaufen müssen. Und das wird man wohl kapazitätsmäßig berücksichtigen müssen.

Ricke: Wenn ich Sie richtig verstehe, ist, auch wenn es an manchen Stellen hakt, alles im grünen Bereich, aber warum brauchen wir dann diese nationale Bologna-Konferenz heute?

Zöllner: Gut, also ich habe auch nicht gesagt, alles ist in grünem Bereich, sondern ich habe gesagt, in der großen Linie und in der Grundkonzeption ist das sicher in Ordnung, habe aber gesagt , es wird – übrigens nach meiner festen Überzeugung werden wir ein gutes Lehrangebot machen wollen, immer – einen permanenten Prozess der Optimierung geben müssen, sonst werden wir stehen bleiben, wie wir vorher ja auch 20 oder 30 Jahre in unseren Studienangeboten stehen geblieben sind und dann eine große Reform machen mussten. Das zum einen.

Dass man diese großen Veränderungen in der Lehre in den Hochschulen dann durch Konferenzen begleitet, ist doch nicht verwunderlich. Dass es dann ein Forum geben muss, wo man Bestandsaufnahmen machen kann, wo möglicherweise auch die Kritiker sich einbringen können – man muss den Kritikern zuhören, aber man muss nicht zu allem ja sagen, was an Kritik vorgebracht wird, sondern nur dann, wenn sie im Einzelfall belegbar sind und von einer prinzipiellen Problematik getragen sind.

Ricke: Jürgen Zöllner, der Senator für Bildung, Wissenschaft und Forschung in Berlin, vielen Dank, Herr Zöllner!

Zöllner: Ich bedanke mich bei Ihnen!