Berlinale

Kunsthistoriker in gefährlicher Mission

Arnd Bauerkämper im Gespräch mit Ute Welty · 08.02.2014
Der Film "The Monuments Men" erzählt die Geschichte von Kunsthistorikern, die 1944/45 versuchten, in Europa Kunst vor dem Zugriff der Nazis zu schützen. Aufsehenerregendes Kino, so der Historiker Arnd Bauerkämper, das jedoch die wirklichen Probleme der Gruppe vernachlässigt.
Ute Welty: Ich weiß nicht, ob es hier im Programm von Deutschlandradio Kultur schon mal Erwähnung gefunden hat, ich möchte es an dieser Stelle noch mal betonen: George Clooney ist zweifellos einer der bestaussehenden Männer des Planeten. Er hat aber auch ein Riesenhändchen für den Stoff, aus dem die Kinoträume sind. Heute ist Weltpremiere auf der Berlinale seines neusten Films "The monuments Men". Der erzählt die Geschichte einer fast unmöglichen Mission von Kunsthistorikern, im Auftrag der Alliierten nämlich Kunst zu retten vor dem Zugriff der Nationalsozialisten. Und wie fast jede unmögliche Mission nimmt auch diese hier ihren Anfang am Tresen einer Bar.
O-Ton Film: Ich soll ein Team zusammenstellen und versuchen, Gebäude, Brücken und Kunstwerke zu schützen, bevor die Nazis alles zerstören.
Wie viele Männer?
Sechs.
Grundgütiger.
Na, mit dir sind's sieben.
Oh, viel besser.
Welty: George Clooney und Matt damon als Retter der Kunst, ab heute dann im Kino. Und den Film muss sich Arnd Bauerkämper eigentlich gar nicht mehr anschauen, denn der Historiker von der Freien Universität Berlin kennt die Geschichte aus erster Hand. Guten Morgen!
Arnd Bauerkämper: Ja, guten Morgen!
Welty: Wann und wo haben Sie von den Monuments Men erfahren?
Bauerkämper: Erstmals vor fünf Jahren in den USA, als ich direkt mit einem ehemaligen Monuments Man, also mit dem "a" nur, mit einer einzelnen Person …
Welty: Mit einem Einzelnen, genau.
Bauerkämper: … so ist es … konfrontiert wurde. Ich hatte vorher auch im Rahmen meiner Arbeit auch darüber gelesen. Aber dies war nun eine direkte Konfrontation. Ich hatte das Vergnügen dort in den USA, im Bundesstaat Indiana, wo ich lehrte, den Vortrag eines Monuments Man zu verfolgen.
Welty: Was hat Sie am meisten beeindruckt an diesem Vortrag?
Kunst retten vor den Nazis und den Alliierten
Bauerkämper: Am meisten hat mich beeindruckt auch, in welcher Spannung diese Monuments Men standen. Sie arbeiteten ja hinter den deutschen Linien, waren in der Endphase des Zweiten Weltkrieges ja als Gruppe auch gebildet worden von den Amerikanern, 1944 erstmals ja eingesetzt hinter den deutschen Linien, um einerseits sogenannte Raubkunst zu retten, andererseits aber auch wertvolle Denkmäler etwa, wertvolle Gebäude vor Zerstörung zu schützen, vor alliierten Bombenangriffen.
Welty: Haben Sie damals schon gedacht, das Ding müsste man eigentlich verfilmen? Oder verbietet sich der Historiker einen solch unwissenschaftlichen Gedanken?
Bauerkämper: Nein, ich meine, die Historiker sozusagen vermitteln ja auch an der schnittstelle von Wissenschaft und Öffentlichkeit. Wir versuchen ja – und das tue ich ja gerade in diesen Sekunden –, gewissermaßen auch der Öffentlichkeit über unsere Forschungsergebnisse Rechenschaft zu geben und diese sozusagen in den öffentlichen Dialog einzuspeisen. Film arbeitet mit anderen Mitteln, er arbeitet mit Mitteln der Dramatisierung, arbeitet mit den Mitteln der Personalisierung und sozusagen wird damit auch der historischen Realität oft nicht gerecht, manchmal verzerrt er auch die historische Realität. Aber gut, dann gibt es ja uns noch, die das in einen breiteren Kontext stellen können. Insofern begreife ich das, was wir tun, auch als arbeitsteilig gegenüber anderen sozusagen Formen medialer Übermittlung von Geschichte, und dazu gehört der Film.
Welty: Viele dürften ja jetzt erst durch den Film vom Umstand an sich erfahren beziehungsweise dadurch, dass wir darüber reden. Was eigentlich verwundert, denn man müsste ja meinen, dass ZDF-Chefrückblicker Guido Knopp bereits jede Wendung in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg erzählt hat.
Bauerkämper: Ich vermag jetzt nicht zu überblicken, was Guido Knopp in seinen "History"-Formaten da vermittelt hat. Er hat ja sehr, sehr viel auch tatsächlich in Filmen vermittelt, mit unterschiedlicher Qualität, wie ich finde. Und ich weiß nicht sozusagen, ob nicht im Einzelnen doch immer wieder mal auf diese Monuments Men hingewiesen worden ist. Aber in der Tat, das ist nun mal ein wirklich ja aufsehenerregender, spektakulärer Film, den vermutlich auch – ohne den Erfolg des Films vorwegnehmen zu wollen – viele Personen sehen werden. Und wenn es dazu anregt, gewissermaßen diese Geschichte dieser Monuments Men auch ein bisschen vertiefend noch zu erforschen und sich darüber überhaupt erst mal zu informieren, glaube ich, ist das eine gute Sache.
Welty: Gibt es noch mehr solcher Storys, von denen bisher nur oder hauptsächlich die Fachwelt weiß?
Hitler ließ vorkosten, um sicher zu sein, dass ihm das Essen bekommt
Bauerkämper: Ja, es gibt immer wieder natürlich solche Geschichten wie: Wie war die Bewachung von Adolf Hitler? Diese sozusagen Geschichten spielen immer wieder eine Rolle auch in den Medien. Und da ist natürlich manches auch noch unentdeckt, und es wird auch manches erforscht. Aber es wird manches eben auch zu Sensationen aufgebauscht. Also, inwiefern sozusagen hatte Hitler einen Koch oder eine Person, der vorkostete, um ihn vor Giftanschlägen zu schützen? Das ist natürlich ein bisschen hochgekocht worden. Tatsächlich hat sich Hitler geschützt sozusagen vor solchen Anschlägen, aber in aller Regel hat er vorkosten lassen, um sicher zu sein, dass ihm das Essen bekommt und vor allem – er war ja Vegetarier –, dass das Essen wirklich vegetarisch war.
Und manchmal vernachlässigt man über diese Personalisierung eben auch die wirklichen Probleme, die dahinter standen. Und das ist bei den Monuments Men sozusagen auch. Ich meine, sie arbeiten in dieser Spannung gewissermaßen, einerseits tatsächlich schon für die alliierte Seite kämpfen zu müssen, auch kämpfen zu wollen, indem sie diese NS-Raubkunst versuchten zu retten und zu beschlagnahmen; auch in diesem Chaos des deutschen Rückzugs 1944/45. Aber andererseits eben versuchten sie immer wieder auch, einzuwirken auf die eigene Bomberkommandoführung, um die Zerstörung wertvoller Gebäude oder auch Gebäude, in denen sie vielleicht zum Teil Raubkunst auch vermuteten, durch die eigenen Truppen und Flugzeuge in diesem Fall zu verhindern. Also, sie führten an mehreren Fronten gewissermaßen … mussten sich an mehreren Fronten durchsetzen. Sowohl gegenüber den Deutschen, hinter den deutschen Linien, als auch gegenüber ihren eigenen Leuten. Und das ist für mich eigentlich auch das Spannende. Dieses fällt oft in medialen Vermittlungen allerdings weg, weil es nicht so leicht zu erzählen ist. Weil es nicht geradlinig ist, weil es auch nicht vielleicht auf die personen so stark konzentriert ist, wie das oft in den Medien der Fall ist.
Welty: Sind das auch die Themenfelder, die in historikerkreisen im Zusammenhang mit "The Monuments Men" diskutiert werden?
Kleiner, aber honoriger Beitrag, Kunstgüter zu retten
Bauerkämper: Ja, das wird diskutiert. Vor allem wird auch diskutiert, inwiefern sie Teil auch dieser alliierten und vor allem amerikanischen Kriegsführung waren. Aber auch im Kontext der neuen Debatte über die Raubkunst, also gewissermaßen auch aus der Perspektive der Deutschen. Also, was hätten sie machen können, was haben sie auch gemacht, inwiefern haben sie Raubkunst tatsächlich auch gerettet? Das haben sie zum Teil wirklich geschafft. Aber eben sie vermochten, weil es eine sehr, sehr kleine Gruppe war, weil sie auch unter schwierigen Bedingungen hinter den deutschen Linien operieren mussten, sie vermochten nur einen relativ geringen Teil dieser Raubkunst wirklich zu retten. Und auch überhaupt Kunstwerke, Gebäude, Werke sozusagen bildender Kunst vor der Zerstörung zu retten. Dafür war ihr Einfluss zu gering, dafür waren sie auch zu wenige. Aber immerhin, ich finde, das ist ein honoriger Beitrag sozusagen, um hier wirklich Kunstgüter auch zu retten.
Welty: Werden Sie sich den film anschauen?
Bauerkämper: Ja.
Welty: Dieser Film beruht nämlich auf einer wahren Begebenheit. Der Historiker Arnd Bauerkämper über den Hintergrund von "The Monuments Men", danke dafür!
Bauerkämper: Danke schön!
Welty: Heute ist dann Premiere von "The Monuments Men" auf der Berlinale. Und was George Clooney davor, danach und währenddessen tut, steht alles in unserem Berlinale-Blog auf deutschlandradiokultur.de. Und Sie könnten übrigens helfen, dringend gesucht wird das Manual, sprich: die bedienungsanleitung für die analoge Kaffeezubereitung mit Kaffeemehl und Filtertüte.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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