Berichterstattung von Prozessen

Sich ein eigenes Bild nur durch Zuhören machen

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Blick in einen Gerichtssaal in Frankfurt am Main, wo der Prozess gegen die Angeklagten im Mordfall Walter Lübcke verhandelt wird.
Beschränkte Öffentlichkeit: Wegen hoher Sicherheitsvorkehrungen und der Coronapandemie durften nur wenige Journalisten in den Gerichtssaal beim Prozess um den Mordfall Walter Lübcke. © Picture Alliance / dpa / Getty Images Europe / Pool / Thomas Lohnes
Moderation: Julius Stucke · 16.06.2020
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Beim Prozess zum Mord an Walter Lübcke ist der Zugang für Journalisten eingeschränkt. Eine Videoübertragung sei notwendig, fordern die einen. Das verfälsche das Verfahren, erwidern die anderen. Ein Streitgespräch zwischen Frank Überall und Roman Poseck.
Am Dienstag hat in Frankfurt am Main der Gerichtsprozess wegen des Mordes an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke begonnen. Das mediale Interesse war groß, doch der Zugang für Journalistinnen und Journalisten sehr beschränkt.

Keine Laptops und Handys

Für Frank Überall ist es "befremdlich", welche Strapazen Journalistinnen und Journalisten hätten auf sich nehmen müssen, um ihrem Beruf nachgehen zu können. Teilweise mussten sie stundenlang anstehen - außerdem waren Mobiltelefone und Laptops im Gerichtssaal untersagt, erläutert der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV).
Der Präsident des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, Roman Poseck, verweist dagegen auf die schwierigen Rahmenbedingungen: Wegen der Corona-Pandemie musste die Zahl der Plätze deutlich reduziert werden. Eine Verlegung in einen Saal außerhalb des Gerichts sei zudem wegen der hohen Sicherheitsanforderungen nicht möglich gewesen.
Doch wurden, wie gesetzlich vorgesehen, für Pressevertreter ein Medienübertragungsraum eingerichtet. Die dortigen Plätze seien aber nicht ausgeschöpft worden, unterstreicht Poseck.

Nur Ton und kein Video

Gründe für die nicht genutzten Plätze sieht Überall darin, dass lediglich der Ton der Verhandlung in den Medienraum übertragen wurde. Außerdem hätten die eingeschränkten Arbeitsmöglichkeiten dazu beigetragen, dass Journalisten die gebotenen Möglichkeiten nicht wahrnahmen. Der DJV plädiere deswegen dafür, dass zukünftig auch die Videoübertragung ermöglicht werde.
"Es ist etwas anderes, das Geschehen tatsächlich mitzubekommen. Wie beispielsweise ein Angeklagter auf einen Vorwurf reagiert. Das sagt auch viel auf der nonverbalen Ebene aus", so der Verbandschef.

Gefahr von Videoübertragung

Poseck sieht das skeptisch. Er rät dazu, bei der Frage der Videoübertragung vorsichtig zu sein:
"Ich verstehe das journalistische Interesse. Aber es besteht auch die Gefahr, dass der Prozess eine ganz andere Art bekommt, dass Verfahrensbeteiligte anders agieren, wenn sie vor einer Kamera agieren - möglicherweise eingeschüchtert sind oder sich produzieren."
Es sollten erst einmal Erfahrungen mit der erst vor wenigen Jahren zugelassenen Tonübertragung gesammelt werden, so Poseck, bevor neue Regelungen eingeführt würden. Gleichzeitig sei es "sehr verständlich", wenn in Coronazeiten der Ruf nach Videoübertragung in Medienräume laut werde. Doch sollte, so der Gerichtspräsident, die weitere Entwicklung abgewartet werden.
(rzr)
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